35.

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Das Wochenende dauerte viel zu kurz und am Sonntag Abend verabschiedeten Tizia und ich uns bereits von unseren Eltern. Sie musste morgen wieder in ihre Vorlesungen, von acht Uhr frühs bis zum späten Nachmittag. Ich kam mit ihr, weil immer noch ein Großteil meiner Sachen bei Luke lagerten. Sobald ich die zusammen gesucht hatte, würde ich hierher zurück ziehen, so lange Zeit wie es halt nötig war.

Während der Fahrt seufzte Tizia plötzlich leise: "Luke hat mich vorhin angerufen, du hattest ihm scheinbar mal meine Nummer gegeben. Er wollte wissen, ob du ihn ignorierst, weil er heute wieder am Wohnheim war, dein Auto gesehen hat und niemand ihm öffnen wollte. Niki, er will unbedingt mit dir reden über das, was zuletzt zwischen euch passiert ist." Natürlich wollte er das. Sofort verflog ein Teil meiner guten Laune, obwohl ich hätte wissen müssen, dass ich diesem Punkt dauerhaft nicht entkommen konnte. "Von mir aus", nuschelte ich und schaute zum Fenster raus.

"Wirklich?", fragte Tizia hoffnungsvoll. "M-hm", antwortete ich, ohne meinen Blick abzuwenden, "Aber ich will das bei ihm Zuhause machen. Dann kann ich gleich meine Sachen mitnehmen. Und ich brauche jemanden, der mich fährt. Abends. Kannst du das für mich machen?"

Meine Schwester überlegte einige Zeit, während wir von der Bundesstraße auf die Autobahn auffuhren. "Morgen bin ich auf jeden Fall auf eine Party eingeladen, am Mittwoch ist Tutorium und am Donnerstag ist bis um acht eine Informationsveranstaltung. Also bleiben nur... bleibt nur der Dienstag. Freitag Abend wären wir ja schon wieder in Augsburg."

Der Dienstag, das war übermorgen... so früh schon. Ich hatte gehofft, mir noch ein bisschen Zeit lassen zu können. Aber nagut, je eher ich das hinter mir hatte, desto schneller konnte ich auch wieder nach vorne schauen. Meine Zukunft planen, vielleicht auch schon nach einem Job Ausschau halten! Also gut, in zwei Tagen.

Doch Tizia schien noch auf etwas zu warten, selbst nachdem ich ihr zugestimmt hatte. "Was ist?", fragte ich also verwirrt. Sie rollte übertrieben mit den Augen: "Na, schreibs ihm! Ich bin nur die Fahrerin, er muss doch wissen, ob und an welchem Tag du mit ihm reden willst!"

Sie hatte ja Recht. Nur... sobald das Handy entsperrt vor mir lag, wusste ich nicht, was ich schreiben sollte. Nachrichten wie "Hey, treffen wir uns am Dienstag bei dir zum Reden?" oder "Hast du am Dienstag Zeit?" klangen für mich zu unbeschwert, aber "Dienstag Abend. Wir reden", fand ich dann doch wieder zu aggressiv. Mir wollte einfach keine Formulierung einfallen, die neutral genug war und seufzend sperrte ich das Display wieder. "Mach ich morgen..."

"Oh nein, du schreibst ihm jetzt Niki! Du würdest auch nicht wollen, dass man dich absolut kurzfristig mit Terminen überrumpelt!" Tizia hörte sich so entrüstet an, dass ich nicht widersprach. Allerdings verfasste ich meine lustlose Nachricht bloß in einem Textprogramm, anstatt sie wirklich an Luke zu schicken. Zwei Minuten später schaute ich als Alibi wieder auf mein Handy. "'Geht klar' hat er geschrieben", log ich ohne eine Miene zu verziehen. Morgen war noch genug Zeit für mich, um mir eine echte Nachricht auszudenken, und zu kurzfristig für Luke war das auch nicht. Er brauchte ja nichts aufzuräumen oder extra für mich vorzubereiten. Wir würden nur fix reden und entweder überzeugte er mich irgendwie, dass alles bloß ein riesiges Missverständnis gewesen war, oder ich holte meine Sachen und zog offiziell bei ihm aus. Und wenn irgendetwas schief ging oder Luke krumme Sachen oder Tricks versuchen wollte, stand Tizia noch draußen und würde mir zur Hilfe eilen. Das war zumindest der Plan.

Meine Schwester schien mir zu glauben und erwähnte Luke während der gesamten Fahrt nicht nochmal.


"Mama? Waren wir eigentlich Wunschkinder?" Meine Schwester schaute wissbegierig zu Mama auf. Sie war jetzt sechs Jahre alt und dafür schon ziemlich clever. Außerdem hatte sie riesige, niedliche Kulleraugen die jeden, den sie kennen lernte, förmlich dahin schmelzen ließen. Mama lachte und stupste Papa an. "Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Ihr ward beide gewollt, aber zuerst wollten wir ein Mädchen haben!"

Oh. Ich schaute auf meine Hände herunter. Ich hatte ein Mädchen werden sollen? "Und wenn ich eins geworden wäre, wäre mein Name jetzt Tiziana?"

"Nein, du würdest jetzt Valery heißen", grinste Papa, "vor dreizehn Jahren fand ich den Namen total klasse!"

"Und als du uns dann jeden Tag vom Kindergarten erzählt hattest und dass ganz viele Kinder aus deiner Gruppe größere oder kleinere Geschwisterchen haben, sind wir uns einig gewesen, dass du auch eins haben sollst! Und so ist dann Tizia entstanden", erzählte Mama weiter. Papa schmunzelte geheimnisvoll: "Aber geplant war ein kleines Brüderchen!"

Tizia musste deswegen lange kichern. "Was wäre mein Name gewesen?"

"Du wärst ein Antonio geworden. Und nachdem wir sicher wussten, dass du ein Mädchen wirst, hat sich deine Mama mit Tiziana erfolgreich durchgesetzt. Wie mit allem anderen auch."

Mit allem anderen? Ich glaubte, Papa meinte damit, wie ähnlich wir beiden Mama sahen. Er war der einzige mit braunen Haaren und blauen Augen in unserer Familie, wir drei waren schwarzhaarig und braunäugig. Das hatte irgendwas mit Genen zu tun, aber was das war wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass Mamas sehr stark waren. Oma war schwarzhaarig, meine Tante war schwarzhaarig und mein großer Cousin war schwarzhaarig. Eigentlich ganz lustig! Man sieht sofort, dass wir zu einer großen Familie gehören!

Mama gab Papa einen schelmischen Blick und dann einen Kuss. "Dafür sind sie so schlau wie du", meinte sie heiter und wuschelte uns schließlich über die Köpfe. "Ihr beiden seid perfekt, so wie ihr seid! Lasst euch niemals etwas anderes einreden, verstanden? Wir sind stolz auf euch, egal was passiert!"

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Ein Tag früher als eigentlich geplant, weil ichs nicht mehr abwarten konnte!

Der Teil aus der Erinnerung mit "Du solltest ein Mädchen werden und deine kleine Schwester ein Junge" ist übrigens eine wahre Geschichte mit mir und meinem Bruder, bei uns war es bloß umgedreht. Ich hatte ein Junge werden sollen und nachdem ich auf der Welt war, sollte ich eine Schwester bekommen. Ironie des Schicksals :D 

Ich fand das irgendwie witzig und wollte den Fakt hier mit einbauen! Habt ihr lustige Geschichten aus eurer Kindheit, die ihr teilen wollt? Ich bin super gespannt!

Der Deal (mPreg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt