𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟚 𝔸𝕟𝕩𝕚𝕖𝕥𝕪

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Ich hatte Ängste.

Viele Ängste.

Große Ängste.

Ich meidete mich vor Fahrstühlen. Mochte den bloßen Gedanken nicht, eingesperrt zu sein, vielleicht nie wieder rauszukommen. Für immer alleine in dieser eisernen Kiste fest zustecken.

Ich hatte Angst vor der Dunkelheit. Sie erinnerte mich an den Keller, in welchem ich so viele Monate verschlossen vor der Außenwelt und Hilfe war. In der Dunkelheit, welche mich verschlang, zerriss und nie wieder los ließ.

Und ich fürchtete mich davor in diesen Kreis zu verfallen. In diesen ewig andauernden Kreis, mit den ewigen gleichen Tagen, den ewig gleichen Menschen, den ewig gleichen Gedanken und Gefühle und den gleichen Wunsch alles zu beenden.

Aber meine größte Angst war es dich zu verlieren.

Und ich verlor dich.

Ich verlor dich plötzlich und konnte nichts dagegen tun dem finsteren Loch zu verfallen.



。・:*:・゚★,。・:*:・゚☆



Als du gingst, schaffte ich es nicht mich von dir zu verabschieden. Ich konnte dir nicht hinterher schauen wie du mich verließt, nach „Hause" gehen konntest, da deine Therapie in den letzten Monaten mehr als nur zufrieden voran schritt und die Therapeuten keinen Grund mehr sahen, dich stationär zu behandeln. Und so sehr es mir auch weh tat zu glauben, sie hatten aber recht.

Du wirktest glücklicher, hattest diesen Selbsthass nicht mehr so stark wie ich es davor kannte.

Keine neuen rote Blütenblätter verzierten deine Arme, sondern nur die alten, welche für immer da bleiben würden.

Als du gingst, es war ein dicht bewölkter Wintertag, kaum Sonnenlicht, kaum Wärme, schloss ich mich in meinem Zimmer ein, blickte apathisch auf die weiße Wand, wollte schreien, kreischen, weinen, etwas zerstören, damit man erkannte wie sehr ich doch zerstört wurde alle die Jahre lang, doch ich schwieg wie so oft in meinem erbärmlichen Leben.

Ich schwieg, umhüllte mich mit einer Decke, versteckte mich vor den Abschied, den ich wahrscheinlich nicht überlebt hätte. Ich wollte mich nicht mit Tränen in den Augen von dir verabschieden, wollte nicht, dass du mich weinend in Erinnerung hattest.

Und meine größte Angst wurde wahr. Sie wurde wahr, und ich wurde wahnsinnig, als ich am nächsten Tag aufwachte und die verbitterte Fratze des vorherigen Tages erblicken musste.

Und ich weinte. Weinte in die Stille, welche mich nach deinem Verschwinden umgab.

Wie sehr ich mir doch wünschte wieder in deinen Armen zu sein, geschützt vor all dem Bösen.

Nackt dir gegenüber, denn ich wollte, dass du alles von mir kanntest, jede Ecke und Kante, jede Angst, jede Vorliebe.

Ich träumte in den Nächten immer von dir, an dem letzten Tag, an welchem du bei mir warst. Du hattest nicht geweint.

Ich hatte nicht geweint.

Vielleicht lag es daran, dass schon zu viele Tränen unsere Augen verloren hatten, vielleicht lag es aber auch daran, dass der Pein in unserem Leib uns betäubte, uns jegliche Kontrolle entzog, uns zu Puppen machte, willenlose Puppen.

Wir lagen nebeneinander, uns anschauend, deine warme Hand, mit den verzierten Narben lag in meiner.

Ich strich über die Linien, welche du dir in jener Nacht zugefügt hattest, um deiner Mutter nah zu sein, führte meine Fingerkuppen über die Konturen der wunderschönen Kirschblüte, die mir jedoch einen bitteren Nachgeschmack im Herzen verursachte.

Ich traute mich nicht, in deine Augen zu blicken, hatte Angst, dass ich mich in diesen wieder verlor und der kommende Abschied umso schmerzhafter wird, da ich diese Augen niemals wieder sehen würde.

Doch du legtest deine Hand an meine Wange, strichst bedacht über die erhitze und leicht rötliche Haut. Du wolltest, dass ich dich anschaue, wolltest in meine Augen gefangen genommen werden, wie ich in deine.

Du wolltest mir Mut machen, zeigen, dass alles wieder gut wird.

Verändert.

Du hattest dich in den vielen Monaten hier stark verändert, wurdest selbstbewusster, optimistischer, du hörtest auf die Blütenblätter in deine Haut zu verewigen, stattdessen betrachtest du sie in deinem Zimmer, pflegtest voller Liebe die zarte Blume, welche im Topf eingepflanzt war und von Tag zu Tag immer schöner wurde.

Genau wie du von Tag zu Tag schöner wurdest.

Aber wie alles hatte auch die Verbesserung seinen Preis.

Du wurdest entlassen, da keine stationäre Therapie mehr von Nöten ist, eine ambulante würde reichen.

Und ich? Ich blieb weiterhin hier, denn meine Wunden waren hartnäckig, wollten nicht verschwinden, mich nicht in Frieden lassen.

„Namjoon." Flüstertest du so hingebungsvoll zu mir, dass mein Herz schneller schlug und eine Wärme von meinem Körper Besitz ergriff. Schüchtern wie immer lagen deine Augen auf mir, ich bemerkte jedoch nicht, wie sie für einen längeren Moment auf meine abgekauten Lippen lagen, mir fiel es nie auf.

Deine Hand wanderte zu meinen blonden Haaren, blieb dort ruhen, massierte meine Kopfhaut hauchzart.

„Es wird alles nicht das letzte mal sein. Wir werden uns wiedersehen. Ich verspreche es dir." Dein flüstern erklang in meinen rauschenden Ohren, so klar und hell, dass ich mich verzweifelt an deine Wörter krallte, wie ein Ertrinkender an einem Rettungsboot.

Du rücktest näher zu mir.

Deine Nähe, dein Duft, deine Wärme, ich würde sie vermissen. Viel zu sehr würde ich sie vermissen, denn selbst der Gedanke daran, dich nicht mehr bei mir zu haben, schickte entsetzliche Wellen von purem Leid durch meinen halbtoten Körper.

Ich krallte mich an dich, unterdrückte meine Tränen, versuchte zumindest nicht diesmal zu weinen.

Der Druck an meinen Kopf verstärkte sich, ich dachte mir nichts dabei, ließ mich in deine schlanke zärtliche Hand fallen, und bevor ich überhaupt noch etwas sagen konnte, da lag etwas auf meinen Lippen.

Ein überwältigendes Gefühl floß durch mein Blut, versorgte jedes Organ, jeden Muskel, jedes kleinste Organelle mit diesem unbeschreiblichen Etwas und brachte mich ins Paradies von welchem ich niemals erdacht hätte, dass es so herrlich wäre.

ℕ𝕖𝕨 𝕕𝕒𝕪 || ℕ𝕒𝕞𝕛𝕚𝕟Where stories live. Discover now