Aussprache und Realisation

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An der Quelle angekommen, setzen wir uns auf unsere angestammten Plätze. Rücken an Rücken. Einfach nur aneinander gelehnt. Die Umgebung genießend. "Ich ändere meine Meinung von unserem ersten Treffen.", meint Jeff plötzlich und ich sehe Stirnrunzelnd in den Wald. "Was meinst du?" Ich habe nämlich keine Ahnung, von was er eigentlich redet. "Du bist ein toughes kleines Würstchen." Amüsiert schnaubend, lege ich meinen Hinterkopf an seinen Nacken. "Und du ein netter großer Lauch. Und jetzt? Seit wann gibst du Komplimente?", frage ich und er ist für einen Moment still. "Ich gebe keine Komplimente. Ich spreche die Wahrheit aus."

Kopfschüttelnd gebe ich ihm zu verstehen, dass er falsch liegt. "Ich bin nicht tough. Zalgo hat mich fast gebrochen. Ich meine... Brian läuft jetzt schon wieder rum, als wäre nie was gewesen! Und ich habe immer noch Probleme allein zu sein." Smile legt mir seinen Kopf auf meinen Schoss und ich streiche mit meinen Fingern durch sein schwarzes Deckhaar. "Ich habe Angst. Wirklich Angst, wenn ich allein bin. Es könnte alles ein Traum sein. Zalgo hat das alles als verdrehte Realität in meinem Kopf eingepflanzt. Wenn ich aufwache, bin ich wieder in dieser beschissenen Zelle! Ich..." Mein Kopf sinkt nach vorn. 

"Ich weiß, dass es unbegründet ist. Dass das nicht sein kann. Aber ich würde es ihm zutrauen." Smile sieht zu mir hoch. Das leise plätschern des Flusses ist beruhigend. "Das ist normal. Du musst damit erstmal zurecht kommen. Ich meine... hast du dich von Anfang an eigentlich mal damit beschäftigt, was alles passiert ist?", fragt er und ich runzle die Stirn. "Erzähl mir von Anfang an, was passiert ist. Vielleicht im Schnelldurchlauf." Etwas verwirrt von der bitte nicke ich. Ich habe zwar keine Ahnung, was das wirklich bringen soll. Aber Smile wird hoffentlich schon wissen, was er da von mir verlangt.

"Ich... Also das erste war, dass LJ aufgetaucht ist. Plötzlich. Einfach so. Er hat mich wegen Brian um Hilfe gebeten. Dann sind wir zu Slendy. Der hat mir einiges erzählt. Ich ihm. Tim wurde mir als Wache zugeteilt. Wir sind zu mir. Ich habe gearbeitet und dann meinen kompletten Urlaub genommen. Dann... sind wir zu meinen Eltern. Weil Tim das unbedingt wollte. Wegen einer Spur. Auf dem Weg hatten wir einen Fast Unfall, dachte ich zumindest. Ein Bechal hat uns angegriffen. Er hat mir irgend ein Vieh auf Tim projiziert und mein Auto ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Dann sind wir zu meinen Eltern gefahren."

Ich mache eine kurze Pause, um den Ablauf richtig wiedergeben zu können. "Da hat mir mein kleiner Bruder die Nummer gegeben. Die haben wir Slendy gegeben. Am nächsten Tag sind wir zur Hütte, in der ich Brian gefunden habe. Dann seid ihr dazu gekommen. Und... den Rest kennst du." Smile schüttelt den Kopf. "Erzähl alles." Unsicher, nicke ich. "Ich habe beim zurückgehen zum Auto... einen Bechalangriff überlebt. Weil ich auf die Seite gesprungen bin. Dann kam ein Nin. Ich habe ihn gesehen. Hätte ich von damals nicht so gute Reflexe, wäre ich die Klippe runter. Aber ich konnte mich gerade noch so festhalten."

Zufrieden nickt der rote Hund. "Dann... kam noch ein Bechal. Dann Zalgo. Er hat mich mitgenommen. Durch sein Portal. In seine Dimension. Hat mir sogar angeboten, mich gleich zu töten. Und dann hat er mich in die Zelle gesperrt. Meine Sachen hat er an sich genommen. Ich hatte irgendwann einen Wutanfall. Dann kam die Depression. Ich...", Ich schnaube und schüttle den Kopf. Jetzt hört sich das idiotisch an. "Ich habe mir meine Schnürsenkel genommen und wollte mich töten. Hab es auch fast geschafft. Einer von den Schergen hat mich dann gerettet. Dann waren die Schnürsenkel weg."

In meiner Erinnerung gefangen, kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Ich hätte mich getötet. Ich hätte mich sterben lassen. "Weiter.", meint Smile und ich werde aus den Gedanken gerissen. "Ich habe komplett aufgegeben. Anfangs bin ich noch in der Zelle herum gelaufen. Aber dann hatte ich nicht einmal mehr die Kraft aufzustehen. Es gab alle 12 Stunden ein neues Tablett mit irgend einem Zeug und Wasser. Ich habe bei jedem Mal einen Strich gemacht, um die Zeit im Auge zu behalten. Zalgo ist öfters vorbei gekommen. Hat nachgesehen, wie es mir geht und ist dann wieder abgehauen. Gefoltert wurde ich nicht."

Ein lächeln zeigt sich auf meinen Lippen und ich streiche Smile über sein Fell. "Und dann seid ihr alle gekommen! Ich weiß, dass ich eigentlich nur wegen Brian da wart und dass ich ein Glücksfall war, weil man meine Sachen entdeckt hat. Aber ihr habt mich gerettet." Endlich zufrieden mit meiner Zusammenfassung, nickt Smile. "So. Du warst ein ganz normaler Mensch. Hattest ein ganz normales Leben mit einer normalen Familie und ein oder zwei Freunden, stimmts?" Ich nicke. "Und dann wurdest du in das alles geworfen." Wieder nicke ich. "Und Brian ist das alles um einiges mehr gewöhnt als du. Er ist ein Mörder."

Noch bekomme ich den Zusammenhang nicht wirklich hin. "Er hat mehr erlebt als du. Er kann mit solchen Dingen besser umgehen als du. Du bist neu in diesem Bereich. Ein komplett blutiger Anfänger. Auch wenn deine Geschichten laut BEN was anderes sagen. Wobei ich jetzt mal behaupte, dass du dich für einen Neuling verdammt gut geschlagen hast. Ich meine... andere hätten einen Zusammenbruch. Wären psychisch gestört! Aber du?" Ich lächle ihm entgegen. "Ich bin von hausaus psychisch nicht ganz einwandfrei, Smile.", erwidere ich und er verdreht die Augen. "Denk jetzt bloß nicht dass du da oben kaputt bist, weil du den ein oder anderen komischen Gedanken hast."

Nervös und peinlich berührt kratze ich mich an einer Wange. "Dann frag mal BEN, ob ich psychisch noch ganz knalle bin. Denn in meinen Geschichten lebe ich das aus... was ich so nicht wirklich kann. Morde... Folterungen... Liebe. Das alles ist nicht so... mein Fachbereich. Wobei sich letzteres immer mehr bessert." Der rot-schwarze Hund seufzt und setzt sich auf. "Sieh der Wahrheit ins Gesicht. Du bist nicht so gestört, wie du eigentlich von dir selbst behauptest." Ich lehne mich wieder gegen Jeffs Rücken, der nicht wirklich etwas gesagt hat. "Schön dass wenigstens einer von uns beiden denkt, dass ich nicht komplett fürn Arsch bin. Sind schon mal 50%."

The lost friend 2Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz