05.12.2019, 17:34 Uhr

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A/N: Plans - Hayley Taylor

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Keine Ahnung, wann ich wieder beschlossen hatte, aufzustehen. Vermutlich nach den grummelnden Protesten meines Magens, der Essen verlangte und meinem Appetit auf die Pizzaröllchen, nach denen es schon im Flur duftete. Vielleicht brachte mich Frustfuttern wieder in eine angenehmere Stimmung. Schon alleine bei dem Geruch musste ich lächeln. Allerdings aus einem anderen Grund als der Chance, dass die Dinger bald in meinem Magen landen würden: 

Selbst von meinem Platz am Kochherd aus, der genau am Pult der Lehrerin stand, konnte ich noch das Gespräch aus der letzten Reihe mithören: "Sie gehört nicht hierher!" Allein der Satz weckte bereits meine Neugier. Und wenn sie diese nicht schon hervorbeschwört hatte, dann noch eher das fremde Mädchen, das sich nun unsicher in meine Richtung bewegte. Ihre Körperhaltung mit nach unten hängenden Schultern und den zum Boden wandernden Augen zeugte schon davon, dass sie gerade lieber woanders wäre. 

"I-ich verstehe nicht, wo hier das Problem liegt." "Das Problem?" Karo stieß verächtlich zischend einen Stoß Luft aus, bevor sie fortfuhr: "Das Problem liegt nicht, es steht hier. Genau vor meiner Nase. Du bist kein Teil unserer Klasse." Ich atmete tief durch. In ihren Schuhen wollte ich nicht stecken. Sobald Karolina sich jemanden als Grund ihrer dauerhaft schlechten Laune ausgesucht hatte, konnte der- oder diejenige am Besten nur eines tun: Rennen. Oder leise bleiben. Zu meiner Überraschung tat die Fremde genau das nicht. Stattdessen hob sie ihren Kopf und entblößte dabei zum ersten Mal ihre sanften Gesichtszüge. Das schwarze, lange Haar hatte denselben Glanz wie der angriffslustige Funke, der in ihren mandelförmigen Augen zu sehen war. "Hör zu, Prinzessin: Komm mal besser von deinem weißen Ross runter und rede auf Augenhöhe mit mir. Wir beide müssen von nun an in einer Klasse sein. Wieso versuchen wir es nicht mal mit Respekt?" Ihr freundlicher Tonfall passte komplett nicht zu dem sarkastischem Ausdruck in ihrem Gesicht. Es wirkte eher, als würde sie eine Maske aufsetzen, während sie eine Taktik, die eher typisch für Grundschullehrer war, anwendete. Das Gesicht, das sie zog, schien schon mal zu funktionieren, Karo war sichtlich geschockt. Aber leider nur für den ersten Augenblick. "Lass dir mal eins sagen, Miststück..."

Keine Ahnung, warum ich das getan hatte, was ich getan hatte. An eines konnte ich mich bestens erinnern: Die Tür schnappte augenblicklich auf und mein erster Instinkt war es, das zart wirkende Mädchen an der Hand zu meinem Tisch/Küchenblock zu ziehen, bevor ich Karo einen warnenden Blick zuwarf. Zweimal würde ich ihren Arsch bestimmt nicht retten. Noch eher den der Neuen. Aber das nur deswegen, weil sie mir noch nicht auf die Nerven gegangen war. Als die andere Hand meine losließ, schaute mir die schwarzhaarige Fremde zum ersten Mal mit einem Ausdruck in die Augen, der wie eine Mischung aus Verständnis und Dankbarkeit wirkte. Als dieser Austausch länger dauerte, als ich gedacht hatte, wurde mir bewusst, wie verdammt hübsch mein Gegenüber war: Ihre dunkelbraunen Augen hätten Schneewittchen vor Neid gelb werden lassen, da sie fast schwarz wirkten. Mit ihrer zarten Figur wirkte sie wie etwas, dass ich eine reale Version eines Kirchenengels bezeichnen würde...keine Ahnung, ob es da oben auch asiatische Engel gab. Hm. Bestimmt schon. Es sei denn, Gott wäre Rassist. Davon ging ich als Christin aber mal eher nicht aus. Als ihr bewusst wurde, dass ich sie länger betrachtete, schaute sie schnell woanders hin. Nach wenigen Sekunden schaute sie allerdings wieder kurz zu mir und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich wurde durch den ganzen Prozess so verwirrt, dass ich kaum merkte, dass Frau Schwanenstett schon im Raum war, bis sie sich zu Wort meldete:

"Guten Morgen, alle zusammen. Tut mir Leid, dass ich heute etwas zu spät da bin." Ihre blauen Augen musterten die Neue und mich. "Ich freue mich, dass du bereits Anschluss gefunden hast, Emilia." Die Neue nickte daraufhin lächelnd und holte die Box hervor, die sie zu meiner Überraschung bereits unter meinem Tisch abgestellt hatte. In ihr befanden sich mehrere Dutzend Pizzaschnecken, von denen sie mir eine hinhielt. Während ich zu dem Schluss kam, dass sie ihr Mitbringsel unter meinen Tisch gestellt hatte, da es der einzige freie Tisch gewesen war, bis ich gekommen war, nahm ich das Gebäckstück mit einem zögerlichen Lächeln entgegen. Anschließend ließ sie meine Gesicht mit einer simplen Geste erröten: Emilia rutschte näher an meinen Stuhl heran, bevor sie sich vorbeugte und mit einem schüchternen Lächeln ein leises "Danke" in mein Ohr hauchte. 

"Styx? Hey Styx!" Ich behielt trotz Raes und Madelyns Zurufe die Augen auf dem Boden und setzte mich mit meinem Teller an den leeren Tisch in der Ecke. Meine Aufmerksamkeit galt danach meinem Essen, da ich nicht wirklich in der Stimmung war, mit irgendjemanden zu rede. Erst recht nicht heute. Erst recht nicht, wenn wieder das E-Wort durch meinen Kopf gehuscht war. Mein wichtigstes Ziel bestand jetzt daraus, diese köstlichen Backstücke so schnell wie möglich zu vertilgen, damit sie mich nicht weiterhin an meinen Schwarm erinnern konnten. 

"Nicht über deine plötzliche Flucht von vorhin zu reden macht deine Situation auch nicht besser." Und die Pizzaschnecken schnell zu essen anscheinend auch nicht. Alles was dabei rauskam, war meine brennende Zunge und Bauchschmerzen. Rae klopfte eine Melodie auf meinen Tisch, woraufhin sie wider meines Willens schnell meine Aufmerksamkeit bekam. "War das die Melodie von "I write sins not tragedies"?" Fragte mein Mund schneller, als mein Hirn denken konnte. Rae lächelte, wobei ihre Grübchen zum Vorschein kamen. "Ich hab eventuell deinen Twitteraccount und deine langen Posts über die Band gefunden." Sobald ich registrierte, was sie da gesagt hatte, stieg auch gleich schon Röte in meine Wangen. "Ich habe den seit Jahren nicht mehr genutzt." "Und trotzdem trägst du auch im Moment Merchandise der Band." Erwiderte Rae grinsend, bevor ihr Gesichtsausdruck wieder ernst wurde. "Mädchen, ich mein's ernst. Deine Freundin und ich machen uns Sorgen." Ich seufzte auf. Also hatte sie Madelyn geschickt. Perfekt. Half unserem Image als Pärchen mega, dass sie als "Freundin" nicht selbst kam, um mit mir zu reden. 

"Wieso ist Mads nicht selbst gekommen?" Da wir ja ein "Pärchen" waren, brauchte ich einen Spitznamen für sie. Und Mads schien zu passen. Außerdem gefiel mir er irgendwie. "Sie hat gemeint, dass du für dich sein willst und Ruhe brauchst." Exzellente Beobachtung. Madelyn war doch besser im Leute-Lesen als ich dachte. "Und du dachtest dir: "Scheiß drauf, ich komm trotzdem rüber?"" Rae schüttelte seufzend den Kopf. "Ich bin Sanitäter und glaube an die Form der Kommunikation, sowie direkte Hilfe. Man sollte schnell agieren." "Aber ich bin keins deiner verletzten Opfer." Erwiderte ich schnell. "Madelyn hat Recht. Ich mag dich, Rae. Aber ich brauche grad einfach nur Zeit für mich. In letzter Zeit ist viel zu viel passiert." 

Die Schwarzhaarige lächelte. "Gut, aber bevor ich gehe, sage ich dir etwas, was dich bestimmt freut." Nun hatte sie doch mein Interesse geweckt. Mein Kopf schnellte sofort wieder in ihre Richtung, bevor ich fragte: "Worum geht's?" Rae zeigte ein breites, zufriedenes Lächeln - das sie aus irgendeinem Grund noch attraktiver wirken ließ, als sie es schon war - und meinte: "Deine Freundin wird übermorgen entlassen." Als sich meine Miene immer noch nicht verändert, zwinkerte sie mir zu. "Ihr dürft beide wieder nach Hause gehen!" Madelyn schon. Ich nicht. Und genau dieser Fakt weckte bei mir wieder die Lust, sofort loszuweinen. Verdammt, wo sollte ich als Nächstes hin? 

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A/N: Wen mögt ihr mehr: Madelyn oder Raelyn?

- A.R. 



Dezemberwind (GirlxGirl)Where stories live. Discover now