Kapitel 2

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This is my winter song to you.
The storm is coming soon,
It rolls in from the sea

Winter Song von Sara Bareilles & Ingrid Michaelson

„Hey warte mal!" Im nächsten Moment werde ich von einer Hand zurückgehalten. Es ist der Kumpel von Jule. „Danke für deine Hilfe eben. Jule ist... also... Danke dir. Du hast ihm echt geholfen und das war nicht selbstverständlich."„Kein Ding. Er sollte mehr an... ach auch egal. Viel Glück mit den beiden", damit drehe ich mich wieder um und lasse ihn stehen. Was zur Hölle habe ich mir denn bei der Aktion gerade wieder gedacht?

Hinter mir kann ich gerade noch ein leises „Danke" hören, bevor ich die Straße entlang renne. Ich bin jetzt wirklich verdammt spät dran. So ein Mist. Immer noch vor mich hin fluchend erreiche ich den Beachclub. Nicci steht schon leicht genervt vor der Tür und wippt mit dem Fuß auf und ab. „Da bestellt man dich schon extra eine halbe Stunde eher zum Treffpunkt, als man sich eigentlich treffen will und du kommst trotzdem noch 20 Minuten zu spät. Das ist selbst für dich neuer Rekord, Cara!" Nicci verschränkt die Arme vor dem Körper und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Tut mir wirklich leid", damit ziehe ich sie in eine kurze Umarmung.

„Was war es dieses Mal? Vorstellungsgespräche? Meetings? Du arbeitest du viel Maus", ihr Tonfall wird versöhnlicher. „Wenn es die Arbeit gewesen wäre, wäre ich nur 5 Minuten zu spät gewesen. Aber ich hatte eben eine seltsame Begegnung und naja das hat mich aufgehalten." „Seltsame Begegnung?" „Erzählich dir drinnen." Mit diesen Worten schiebe ich Nicci vor mir durch die Tür.

Ich würde ja gerne jetzt erzählen, dass Nicci und ich uns schon seit Ewigkeiten kennen, durch dick und dünn gegangen und daher ein Herz und eine Seele sind. So ist das aber eben nicht ganz. Wir kennen uns witziger weise durch Instagram, da wir ziemlich aktive und leidenschaftliche Läuferinnen sind. Wir stellen unsere sportlichen Aktivitäten online und motivieren uns damit gegenseitig. Das erste Mal haben wir uns vor zwei Jahren bei einem Halbmarathon in Frankfurt persönlich getroffen. Vorher lief der gegenseitige Support und der Kontakt nur online ab. Irgendwie ist dann aber im Laufe der Zeit eine Freundschaft entstanden. Nicci ist meistens ziemlich laut, sagt deutlich ihre Meinung, ist aber ein absoluter Goldschatz.

Durch sie bin ich dann eben auch vor sechs Monaten nach Dortmund gekommen. Ich wusste nicht wohin ich sollte, konnte oder eher wollte. Alles was mir klar war, war das ich nicht mehr in meiner eigentlichen Heimat bleiben wollte. Also musste ein Tapetenwechsel her. Nicci wusste, dass ich über eine Veränderung nachgedacht habe und hat mich auf eine Stellenanzeige aufmerksam gemacht, die sie durch Zufall im Internet gesehen hatte. Naja und dabin ich jetzt. In Dortmund. Meine Eltern fanden die Idee zu Beginn absolut nicht gut und konnten mich leider auch nicht verstehen. Nach einer mehreren lautstarken Diskussion hat sich unsere Beziehung irgendwie nicht wieder erholt. Sie war vorher schon schwierig, hat aber jetzt...

Meine beste Freundin Nadja allerdings konnte meine Situation, im Gegensatz zu meiner Familie, dafür umso besser nachvollziehen und hat mich bei allem unterstützt. Sie ist Mama von zwei kleinen Mäusen, Mia und Hannah, die ich nicht mehr lieben könnte. Ich nenne die beiden immer liebevoll meine Nichten. Auch wenn sie das nicht sind, trotzdem bin ich Tante Cara.

Die ganze Familie ist durch und durch schwarz-gelb. Was bedeutet, dass sie zwar traurig waren, dass ich nicht mehr regelmäßig persönlich vorbei kommen kann, dafür würden sie aber jetzt öfter bei mir auf der Matte stehen. Nadja und Marco haben zwei Dauerkarten für die Süd und sind somit bei jedem Heimspiel dabei. Jetzt konnten sie mich besuchen, ich kann Zeit mit den Mäusen verbringen und die beiden haben alle zwei Wochen ein paar Stunden für sich. Win-Win-Situation für alle. Viele Freunde habe ich also nicht. Dafür aber genau die Richtigen.

Winter Song ❄️ Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt