Kapitel 31

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Is love alive?

Winter Song von Sara Bareilles & Ingrid

Kurz nachdem ich aufstehe, kann ich unten die Haustür hören. Dann ist es einen Moment still, bevor ich erst einen dumpfen Schlag vernehme und dann Glas splittert. Bei diesem Geräusch zucke ich zusammen und bleibe im Flur stehen. Ich kann nicht abstreiten, dass ich Angst habe. Furchtbare Angst vor dem, was passieren könnte. Für einen Moment lehne ich mich an der Wand im Flur an und fahre mir, mit beiden Händen, über mein Gesicht. Versuche die restlichen Spuren der Tränen verschwinden zu lassen. So kann ich Julian definitiv nicht gegenübertreten. Ich streiche mir die Haare glatt und gehe dann langsam und mit zitternden Beinen die Treppen nach unten.

Im ersten Moment sehe ich niemanden. Jedenfalls, bis ich um die Ecke schaue. Auf dem Fußboden neben der Wand liegen kleine Scherben verteilt. Wahrscheinlich von Julians Handy, dass mitten drin liegt. Es dauert dann einen kurzen Moment, bis ich verstehe, welches Bild sich mir hier zeigt. Ich bin von der Tatsache, dass Julian gerade, allem Anschein nach, sein Handy an die Wand geworfen hat, so geschockt, dass ich einen Moment nur auf die Splitter des Displays starren kann.

Als ich es schaffe meinen Blick davon abzuwenden, entdecke ich Julian. Der Blonde sitzt auf dem Sofa und hat das Gesicht in den Händen vergraben. Bei genauerer Betrachtung sieht man deutlich wie sich seine Schultern ruckartig bewegen. Julian sitzt dort... keine fünf Meter vor mir entfernt und weint still und leise.

Ich bin so erschrocken, dass ich im ersten Moment in der Bewegung inne halte und mir auch die Tränen in die Augen schießen. Automatisch schiebe ich mir den Pulli über die Hände und ziehe kurz die Nase hoch, bevor sich die nächsten Tränen auch den Weg über mein Gesicht suchen...

Dieses Geräusch veranlasst Julian den Blick zu heben. Blaue Augen sehen mich vollkommen verzweifelt an. Normalerweise ist es ein helles, leuchtendes blau. Aber jetzt ist es stumpf und matt. Julian hat keine Kraft mehr. Weitere Tränen folgen und seine Hände zittern leicht, als sein Blick meinem begegnet. Er hat auch Angst. Angst was ich jetzt tue. Angst, ob das alles meine Entscheidung beeinflussen könnte.

Dass es das längst hat, kann er nicht wissen. Vielleicht hätte ich mich anders entschieden, wenn das heute nicht passiert wäre? Ich weiß es nicht. Und eigentlich ist es auch egal. Denn das jetzt zählt. Langsam gehe ich auf den Mann zu, den ich so sehr liebe, wie noch niemals jemanden bevor. Vielleicht weil wir beide so sind wie wir sind. Vielleicht auch gerade, weil das alles zwischen uns passiert ist.

Wenn ich jetzt über unsere erste Begegnung nachdenke, schleicht sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Das irritiert Julian und er sieht jetzt vollkommen verwirrt aus. Er sitzt wie ein Häufchen Elend vor mir auf dem Sofa. Hat die Unterarme auf seinen Oberschenkeln abgestützt und starrt mich an, als ich vor ihm auf die Knie gehe und sein Gesicht in meine Hände nehme.

Vorsichtig streiche ich ihm die feuchten Spuren mit den Daumen aus dem Gesicht und Julian schluckt schwer. Seine Augen sind fest auf meine gerichtet, aber ich kann sehen, wie sein Blick flackert. Seine Hände liegen jetzt auf seinen Knien und umklammern diese. Er traut sich nicht mich anzufassen, weil er nicht einschätzen kann, was jetzt kommt.

Ich fahre mit den Händen durch seine Haare und lasse sie dann in Julians Nacken liegen. Eine kurzen Moment sehe ich ihm einfach nur in die Augen und lächle. Dann ziehe ich Julian zu mir ran und lege meine Lippen auf seine.

Im ersten Moment ist er so geschockt, dass er keuchend die Luft ausstößt und ich mich kurz wieder von ihm löse. Julian hat sich aber sehr schnell wieder im Griff, legt seine Hände auf meine Hüfte und zieht mich so nah wie möglich zu sich ran. Dabei treffen unsere Lippen automatisch wieder aufeinander. Er hält mich ganz fest, während wir uns einfach nur küssen. Leicht, zart und mit so viel Gefühl, dass ich glaube jeden Moment platzen zu müssen vor Glück.

Winter Song ❄️ Julian BrandtWhere stories live. Discover now