Taste of Revenge

❦ Kapitel 10

Der Wald ist größer als gedacht. Denn sobald wir uns mehr als einige Minuten darin bewegen, verliere ich auch schon den Überblick. Ihr müsst wissen, dass Orientierung so ne Sache bei mir ist. Ich weiß nicht warum, aber ich verliere ziemlich schnell den Überblick und fühle mich jetzt schon mies, weil ich meiner Gruppe in so ziemlich keinem Punkt einen Vorteil liefere.

Und doch ist eine Sache gut dabei, und zwar, dass ich mir dadurch, dass ich sowieso keine Aufgabe übernehme, mehr Gedanken um Adam und Kilian machen kann. Ich habe mitbekommen, dass die beiden in der selben Gruppe sind, doch leider habe ich sie schon vor einiger Zeit aus den Augen verloren.

Umso nervöser bin ich, während wir durch den Wald schreiten und ich immer wieder Ausschau nach den beiden halte. Ich kenne Kilian und ich habe Angst, dass er Adam unabsichtlich mit Worten provoziert. Dann wäre alles umsonst gewesen. Doch eigentlich sollte ich mir keine Sorgen machen. Kilian will nichts mehr, als sich wieder mit Adam zu versöhnen. Auch, wenn er immer versucht, so zu tun, als wäre ihm alles egal, habe ich die Angst in seinen Augen gesehen, als er dachte, dass er seinen besten Freund verloren hat.

Und genau das ist der Grund, weswegen ich ihm damals verziehen habe. Klar, viele würden jetzt behaupten, dass ich total naiv und verrückt bin, und das man sowas niemals verzeihen sollte. Und auch, wenn ich weiß, dass Kilians Betrunkenheit ebenso keine Rechtfertigung ist, ist dennoch klar, dass er das im nüchternen Zustand niemals getan hätte. An dem Abend hat er wahrscheinlich noch ganz andere krumme Dinge zu sich genommen, denn er war nicht er selbst.

Vielleicht sagt er manchmal Sachen, die nicht in Ordnung sind, oder flirtet aus Spaß mit mir, aber das hat er auch vor Adam getan, um ihn zu nerven. Und das ist auch nie ein Problem gewesen, da es eben nicht ernst gemeint war.

Ich meine, wir alle kennen Kilian.

Aber ich kann eben auch Adam verstehen. Auf der einen Seite ist er wütend, weil ich ihm viel bedeute und er nicht will, dass irgendein anderer Kerl mich auch nur berührt, und auf der anderen Seite ist Kilian wie Familie für ihn und das genau er dieser Kerl war, macht es das für Adam nur noch schwerer...

»Worüber denkst du nach? Ist es wegen der Sache mit Adam und Kilian?«, fragt Tess, die mich aus meinen Gedanken zieht. Ich realisiere, dass wir uns noch immer im Wald befinden, und auf dem Weg sind, das erste Rätsel zu lösen. Wie lange war ich in Gedanken versunken?

»Ja... die Sache belastet mich«, gestehe ich und bin froh über Tessa's Beistand, als diese ihre Hand um meine Schulter legt.

»Das macht dich zu dem tollen Menschen, der du bist. Du sorgst dich um Adam, weil du weißt, dass Kilians Aktion ihn nicht nur sehr wütend gemacht hat, sondern auch sehr verletzt hat. Aber du musst auch wissen, dass das eine Sache ist, die die beiden unter sich klären müssen. Es bringt nichts, wenn du dir deshalb den Kopf zerbrichst«, entgegnet Tess und irgendwo hat sie ja auch recht, aber ich fühle mich, als müsste ich helfen.

»Aber was ist, wenn die beiden sich niemals mehr vertragen?« Die Frage über meine Lippen zu bringen, ist so unglaublich schwer, denn die Angst, die diese in mir freisetzt, ist unbeschreiblich...

»Dann kannst du da nichts machen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich da auf Adams Seite bin. Er hat all das Recht, Kilian das nicht zu verzeihen. Stell dir mal vor, es wäre andersrum gewesen, und ich hätte versucht mich an Adam ranzumachen. Würdest du das so ganz einfach verzeihen können?«

Ich sehe Tessa an und verstehe tatsächlich, dass die Situation nicht ganz so einfach ist, wie ich erhofft habe.

»Ich weiß, es ist schwer. Aber das braucht alles seine Zeit. Vergiss nicht, für dich ist es schon etwas her, aber Adam hat erst vor kurzem davon erfahren. Für ihn ist dieser Verrat nicht Monate her, sondern ganz frisch. Er braucht Zeit um das zu verarbeiten«, erklärt Tessa nun, und ich bin ihr dankbar dafür, dass sie mir meine Augen einwenig mehr geöffnet hat und meine Angst hat kleiner werden lassen.