68.

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Mats hatte der Nachmittag bei uns total gut getan. Er konnte endlich mal mit jemanden über seine ganzen Probleme reden. Ich war nicht froh, dass das Kapitel Cathy 2.0 schon schneller als zu Beginn gedacht wieder Geschichte war, ich war eher erleichtert. Das war zwar gemein, aber leider die Wahrheit. Seitdem wirkte er tatsächlich freier und wir versuchten heraus zu finden, wie das Leben von ihm und vor allem das von Ludwig in Zukunft weiterlaufen sollte, sodass beide glücklich waren.
Ich hatte mich also zwei weitere Wochen mit den Problemen anderer beschäftigt, anstatt mit meinen eigenen. Die waren dann doch größer als gedacht.
Ann-Kathrin und ich waren auf einem old-school Bummel durch die Stadt, so wie wir es früher gemacht hatten. Ann musste auf irgendein Event, weshalb wir durch die verschiedensten High-End Läden stolperten, um ihr ein Outfit zu besorgen. Ich für meinen Teil war nicht so eine Art Spielerfrau, die die Öffentlichkeit für ihre eigenen Zwecke ausnutzt und hielt mich lieber im Hintergrund auf. Manchmal begleitete ich Marco, aber zwischen seinen Öffentlichkeitsauftritten und Marios lagen schließlich auch Welten. Ich hatte meine Arbeit und war froh darüber. Während sie also in der Umkleidekabine versackte, stand ich vor einem knallroten engen Jumpsuit, der es mir angetan hatte ich aber wusste, dass ich ich ihn wahrscheinlich nie tragen könnte. Es gab einfach keinen Anlass. Ich strich verträumt über die leichte Wölbung meines Unterbauches, der sich mittlerweile meistens ab dem Nachmittag abzeichnete durch meinen guten Appetit in den letzten Wochen. Davon abgesehen war ich auch viel zu dünn durch den ganzen Sport, deshalb sah man es wohl auch momentan eher. Mittlerweile war ich im dritten Monat angekommen und nachdem ich mit Ann-Kathrin hier fertig war, traf ich mich mit Marco damit wir zusammen den Kontrolltermin wahrnehmen konnten. Ich war zwar stolz drauf, aber es setzte mich doch schon sehr unter Druck. Ob es die Klatschpresse war, Bilder die von mir gemacht wurden oder ob es einfach unwissende aus meinem Umfeld waren, von denen ich dachte, dass sie mich und diese kleine Wölbung alle anstarrten. Einerseits musste es endlich raus, dass ich schwanger war, andererseits stand ich dann noch mehr unter Druck. Was war, wenn es wirklich doch nicht klappte? Das konnte natürlich immer noch passieren. "Wie findest du das?" ertönte Anns Stimme hinter mir. Erschrocken wendete ich meinen Blick von dem Jumpsuit ab und lächelte sie an: "Gut" antwortete ich und spürte wie meine Wangen heiß wurden. "Der rote Jumpsuit ist echt Bombe." bemerkte sie daraufhin und stupste mich an. "Wäre der nicht etwas für deine Masterabschlussfeier?" fragte sie und ließ ihre Augenbrauen tanzen. Meine Augen wanderten schockiert von der Modepuppe vor uns zu ihr zurück. Ich musste dabei ein lautes Lachen zurück halten: "Die ist im Juli." sagte ich bloß. "Ja und?" fragte sie unwissend. Ich glaube sie vergaß, dass wir beide Schwanger und im Sommer sogar hochschwanger waren. In dem Teil, das sie trug sah man nicht einmal im Anschein ihre ebenso kleine Wölbung. "Im Juli sehe ich darin aus wie eine Hamburger Boje." lachte ich: "Außerdem weiß ich gar nicht, ob ich da überhaut antanzen würde. Besonders ob ich da Hochschwanger antanzen würde." ich zuckte mit den Achseln. Meine Beste Freundin und ich starrten uns wortlos an, bevor ich mich wieder unserem eigentlichen Ziel widmete: "Ich finde das Teil sieht gut aus, dass du trägst. Nimm das.","Alles klar, mache ich. Das ging ja heute leicht." zwinkerte sie mir zu.
Eine halbe Stunde später schlenderten wir noch einmal kurz durch die Innenstadt, bis wir wieder an diesem Luxus-Babyladen standen zu dem Ann-Kathrin mich letztens schon zusammen mit Cathy schleppen wollte. Ich ging strikt daran vorbei, während Ann stehen blieb und durch die Schaufenster glotzte. In mir baute sich schon wieder dieser enorme Druck aus, der mich fast zerfraß. "Lass uns doch mal hinein gehen. Die haben neue Sachen." bemerkte sie begeistert. Ich schüttelte den Kopf: "Habe keine Zeit mehr, treffe mich doch gleich mit Marco, weil wir zum Kontrolltermin müssen." redete ich mich fix heraus. Ann schüttelte ihren Kopf: "Gar nicht, du hast noch ein kleines bisschen zeit, der Termin ist doch erst um fünf." Ann schüttelte enttäuscht ihren Kopf. Ich seufzte: "Wir wollten aber noch zusammen einen Kaffee trinken gehen." redete ich mich wieder heraus und starrte wie angewurzelt auf mein Smartphone. Sie seufzte: "Wenn du meinst. Komisch, dass du gar nicht im Babyfieber bist. Ich hätte gedacht du gehst richtig auf." bemerkte sie daraufhin bloß und ging weiter. Perplex blieb ich stehen. Natürlich würde ich am Liebsten tonnenweise Babyklamotten kaufen und mich mit den besten Kinderwagen beschäftigen. Ich konnte es aber nicht. In meinem Hals bildete sich ein fetter, fetter Klos den ich gerade noch so herunterschlucken konnte. Dann ging ich Ann-Kathrin hinterher. War ich jetzt schon eine schlechte Mutter? Musste ich so wie jede andere werdende Mutter leichtsinnig irgendwelche Strampler kaufen, um so meine Vorfreude den anderen gegenüber ausdrücken zu können? Hoffentlich hatte uns keiner vor diesem Laden gesehen oder gar fotografiert. Ich wollte am liebsten noch ein paar Wochen länger warten, bevor es der Rest meiner Familie wusste und der Rest der Welt, der sich dafür irgendwie interessieren sollte. Wie sagte ich bloß Marco, dass ich noch länger warten wollte? Er konnte sich doch jetzt kaum schon in Zaum halten was die Schwangerschaft anging. Seine Eltern und Schwestern hatten dazu noch nicht mal den Anschein einer Ahnung. Als ich Ann-Kathrin wieder eingeholt hatte, konnte ich mich endlich wieder aus meinem Strudel an Gedanken befreien. Ich war total angespannt, hatte deshalb schon so etwas wie einen Muskelkater. "Wir sehen uns dann morgen." Ann umarmte mich, in der Nähe des Parkhauses. Ich nickte mit einem sanften Lächeln auf meinen Lippen. Dann trennten wir uns. Natürlich hatten Marco und ich natürlich nicht vor, einen Kaffee trinken zu gehen. Ich schlenderte geradewegs zur Klinik die relativ zentral lag, wartete dort in der Nähe auf Marco und das total nervös und hibbelig vor Nervosität. Hoffentlich war das Kind gesund. Hoffentlich sprach der Doktor nicht das Thema an, dass wir nun im dritten Monat gerne unseren Liebsten von der Schwangerschaft berichten konnten. Hoffentlich kippte ich nicht um vor Stress. Mir ging total die Pumpe. Und dann noch dieser nervige, fette Kloß in meinem Hals.

OptimistinWhere stories live. Discover now