2. Kapitel

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Jung, sportlich, attraktiv und zudem noch unglaublich freundlich und humorvoll.
Das beschrieb Kai ziemlich gut, obwohl mir noch Dutzende weitere passende Beschreibungen einfallen würden.
Wir lernten uns ganz schön klischeehaft in einer Bar kennen. Eine Schwulen-Bar um genau zu sein. Normalerweise mied ich diese Orte, da sie so viele Menschen anzogen, doch meine Therapeutin fand, es war eine grandiose Idee. Sie fand, ich vereinsamte. Das sah ich anders, doch ich sah schnell ein, dass ich wirklich einsam war. Zudem war sie der Meinung, dass es hinsichtlich meiner Krankheit besser wäre, soziale Kontakte zu haben.

Also saß ich an diesem Abend an der Theke nippte immer wieder an meinem Glas. Der wunderschöne Fremde zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich. Er zog meinen Blick wie einen Magnet an. Ich wusste, dass er unerreichbar für mich war, weshalb ich ihn lediglich aus der Ferne anschmachtete.
Als sich unsere Blicke dann irgendwann tatsächlich zufällig begegneten, senkte ich meinen schnell. Allein um ihn anzusehen, war ich zu schüchtern. Meinen Blick heftete ich auf den Inhalt meines Glas, welches halb leer war.
"Hallo", begrüßte mich eine tiefe Stimme. Ich sah auf und mein Herz setzte einen Herzschlag aus, als ich in das Gesicht des jungen Mannes sah. Vom Nahen sah er noch schöner aus. Seine Haut war so rein und sein Lächeln war bezaubernd, seine weißen Zähne bildeten einen leichten Kontrast zu seiner gebräunten Haut.
"Hallo", piepste ich eher als Antwort.
Sein Lächeln wurde breiter. "Ich bin Kai."

Was genau ihn damals dazu gebracht hatte, ausgerechnet mich anzusprechen, wusste ich nicht.
Aber dieser Abend veränderte buchstäblich mein Leben. Wenige Wochen später wurden wir offiziell ein Paar.
Meine Therapeutin hätte ich küssen können für den Vorschlag in diese Bar zu gehen.

Es störte Kai nicht, dass ich psychisch nicht ganz gesund war. Im Gegenteil, er versuchte mir zu helfen. Er war der Grund, warum ich wieder regelmäßig meine Medikamente einnahm. Ich wollte in seiner Anwesenheit keine Halluzinationen haben. Sie waren so schon schlimm genug, aber ich hatte schreckliche Angst, ihn zu verlieren. Bis heute war diese Angst present.
Kai versprach mir hoch und heilig, dass er mich nie verlassen würde und schwörte, dass er mir auch niemals fremdgehen würde.
Diese Bestätigung brauchte ich häufig, mittlerweile täglich.
Sie war immer Thema in meiner Therapie.
Dank Kai ging es mir gut und ich wusste, dass ich ein ganzes Stück zurückfallen würde, wenn er mich verlassen würde.

Mit der Zeit ergaben sich Nebenwirkungen meiner Medikamente. Erst fiel mir nichts auf und es fing sehr harmlos an, doch es wurde schlimmer.
Ich verlegte Sachen und erinnerte mich nicht mehr, wohin ich sie gelegt hatte. Anfangs zog Kai mich damit auf, doch ich machte mir Sorgen.
Was, wenn ich nun zwar nicht mehr halluzinierte, aber mein Gedächtnis verlor?
Kai meinte, ich würde übertreiben, doch meine Sorgen blieben bestehen.
Als ich meiner Therapeutin davon berichtete antwortete sie, dass es solange es nicht schlimmer wurde, sie nicht die Notwendigkeit sah, die Medikamente zu ändern.
Doch es wurde schlimmer.

Kai war arbeiten. Das wusste ich.
Ich vermisste ihn und sah alle 5 Minuten auf die Uhr. Das Fernsehprogramm verfolgte ich schon lange nicht mehr.
Mittlerweile beobachtete ich nur noch den Sekundenzeiger und wandte meinen Blick nicht mehr davon ab. Wann hatte er Feierabend?
Mir fiel auf, dass ich die Uhrzeit vergessen hatte. Leichte Panik erfasste mich.
Vielleicht hatte er schon seit einer Stunde frei und ihm war etwas auf dem Weg passiert.
Oder er ging mir fremd. Der Gedanke schoss kurz durch meinen Kopf, doch ich schob ihn schnell beiseite, bevor ich noch nervöser wurde.
Krampfhaft versuchte ich mich abzulenken und zwang mich dazu, wieder auf den Bildschirm zu sehen. Schnell schaltete ich mich durch die Programme, doch nichts fing meine Aufmerksamkeit ein. Meine Gedanken kreisten um Kai.

Als ich endlich das Geräusch des Schlüssels in der Tür hörte, sprang ich mit einem Schwung auf und kam ihm entgegen.
"Wo warst du?", fragte ich sofort und umarmte ihn. Kurz darauf erwiderte er meine Umarmung. "Arbeiten", antwortete er etwas verwundert.
"So lange?" Ich löste mich wieder von ihm und sah ihn an.
Kurz warf er einen Blick auf die Uhr bevor er mich wieder verwirrt ansah. "Ich bin doch immer gegen diese Uhrzeit Zuhause..."
Also hatte ich es wirklich vergessen. Beschämt senkte ich den Blick und biss mir auf die Unterlippe.
"Hey, alles okay?", fragte er sanft.
Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich schüttelte langsam den Kopf.
"Wieso? Was ist los? Erzähl es mir."
Er griff nach meiner Hand und zog mich ins Wohnzimmer, wo wir uns auf die Couch setzten.
Stockend berichtete ich ihm davon, dass meine Vergesslichkeit schlimmer wurde durch die Medikamente. Offen erzählte ich ihm von meinen Ängsten, dass ich wirklich wichtige Dinge vergessen könnte und ihn verlieren würde.
"Kyungsoo, ich habe es dir schon oft gesagt: ich werde dich nie verlassen. Das verspreche ich dir. Deine Krankheit ist kein Grund, dich zu verlassen. Wir finden auch andere Medikamente, die dir helfen. Ich werde dich damit nicht allein lassen. Wir stehen das zusammen durch, okay?"
Leicht nickte ich und sah ihm wieder in die Augen. Seine warmen braunen Augen strahlten eine herzliche Wärme aus. Liebevoll strich er mir über die Wange und zog mich dann an sich, schlang seine Arme um mich und ich seufzte zufrieden.
Ich würde für ihn sterben. Wenn er wirklich so empfand wie ich, waren wir wahrlich füreinander geschaffen.

Wie besprochen änderte ich meine Medikamente nach Rücksprache mit meinem Arzt und meiner Therapeutin, doch während der Medikamentenumstellung musste ich ein paar Tage beobachtet werden, da sie starke Nebenwirkungen zeigen konnten.
Der Gedanke gefiel mir nicht, getrennt zu sein von Kai. Doch ich tat es für meine innere Verwirrtheit und der beginnenden Amnesie.

"Es sind nur 3 Tage. Ich besuche dich schon gleich morgen früh", hatte Kai mir versichert, nachdem er mich zum Krankenhaus gebracht hatte. Zum Abschied küsste er mich und schon jetzt vermisste ich seine warmen Lippen auf meinen.
"Wird schon schiefgehen", erwiderte ich halb lächelnd.

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𝑨𝑴𝑵𝑬𝑺𝑰𝑨 || 𝑲𝒂𝒊𝑺𝒐𝒐 (ABGESCHLOSSEN)Where stories live. Discover now