4. Kapitel

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Mit der Zeit bekam ich immer mehr das Gefühl mein Leben zu verschlafen. Normalerweise unternahmen Kai und ich immer was an den Wochenenden. Doch das war kaum noch möglich, da ich mich oft sehr schwach und ausgelaugt fühlte.
Es tat mir vor allem Leid, weil Kai nichts alleine ohne mich unternahm und darum den ganzen Tag lang rumsaß und Filme mit mir schaute. Das er unglücklich war spürte ich, auch wenn er es nicht zeigte.
Der Grund sollte ich nicht sein, das war widersprüchlich und falsch. Neben meinen notwendigen Medikamenten nahm ich Vitamine ein, die mich wacher machen sollten. Und ich aß sehr gesund um fitter zu werden, doch die Medikamente waren zu stark. Die ganzen Vitamine kamen einfach nicht gegen sie an. Die Erfolge waren nur minimal und es frustrierte mich ungemein.
Ein paar Wochen sah ich mir mein eigenes Trauerspiel an, bis ich mich dazu entschied etwas dagegen zu unternehmen.

Morgens und Abends nahm ich jeweils eine Tablette und Mittags eine Halbe. Jetzt hatte ich mich dazu entschlossen täglich nur noch eine zu nehmen. Diese brach ich morgens in zwei Hälften und nahm die erste am Morgen und die zweite am Abend.
Die Wirkung spürte ich noch am selben Tag. Abends ging ich immer zwischen 19 und 20 Uhr ins Bett und heute fragte ich Kai gegen 20 Uhr, ob er noch einen Film mit mir sehen wollte. Irritiert sah er mich an und nickte, nachdem er meine Worte verarbeitet hatte. "Bist du noch nicht müde?"
Lächelnd schüttelte ich den Kopf. "Anscheinend wirken die ganzen Vitamine endlich", log ich. Er sollte nicht wissen, dass ich selbstständig meine Dosis verringert hatte, er wäre da sicherlich gegen. Erst recht, wenn er den Grund erfuhr.
Auch er lächelte und es war nach langer Zeit wieder ein strahlendes, welches ich so liebte.
Den ganzen Film blieb ich wach und folgte der Handlung. Nur danach war ich todmüde, aber es war ein eindeutiger Erfolg, der mich freute.

Auch morgens schlief ich mittlerweile bis 10 oder 11 Uhr, doch am darauffolgenden Morgen war ich bereits um 9 Uhr wach, was mich selber überraschte. Kai wartete mit dem Frühstück auf mich und sah mich überrascht an, als ich um kurz nach 9 vor ihm in der Küche stand.
"Unternehmen wir heute was?", fragte ich gut gelaunt.
Noch immer irritiert nickte er langsam und ich lachte kurz auf. "Guck nicht so schockiert."
"Nicht schockiert... aber es ist ungewöhnlich, dich so wach zu sehen - aber es freut mich unglaublich, das kann ich dir sagen!"

Wie am Tag zuvor durchbrach ich die Tablette und nahm nur die Hälfte ein.
Ein schlechtes Gewissen hatte ich nicht, bis jetzt kam meine eigentliche Krankheit auch noch nicht zum Vorschein, was ich als einen riesigen Erfolg ansah. Es freute mich auch, endlich wieder bewusster Zeit mit Kai zu verbringen. Gerade heute war das Wetter wunderschön. Und da es auch noch Sonntag war, beschlossen wir einen Spaziergang zu machen.
Die letzten Wochen hatte ich eigentlich nur geschlafen, mein Körper war schwach und schnell aus der Puste. Daher wollten wir ihn erstmal nicht überfordern und gingen eine gemütliche Runde durch den naheliegenden Park. Fast schon war es befremdlich hier herumzulaufen. Aber ich fühlte mich nicht mehr wie ein Zombie.
Hand in Hand liefen wir durch die Natur und das glückliche Lächeln wollte gar nicht mehr aus meinem Gesicht verschwinden. Auch Kai war glücklich, dass wiederholte er oft und ich wusste, dass er es ernst meinte.
Allein deshalb war es schon eine grandiose Idee gewesen, die Medikamentendosis zu verringern.

Am Nachmittag wollte Kai zu seinen Eltern fahren und fragte mich, ob ich mit wolle. Ich mochte seine Eltern wirklich, doch ich war nun doch etwas erschöpft. Also ging er alleine und ich legte mich auf die Couch und machte einen Film an, der sich als eher uninteressant entpuppte, aber ausschalten wollte ich ihn auch nicht. Gemütlich positionierte ich mich und sah mit halbgeschlossenen Augen auf den Fernseher. Ohne es bewusst mitzubekommen schlief ich ein.

Von einem seltsamen Geräusch wurde ich geweckt. Als ich meine Augen öffnete war es dunkel. Müde tastete ich nach meinem Handy; es waren gerade mal 21:46 Uhr. Vielleicht war Kai Zuhause und wollte mich nicht wecken und ist über irgendwas gestolpert?
Leise stöhnend setzte ich mich auf und legte eine Hand an meinen Nacken. Naja, eine Couch blieb eine Couch und war kein Bett.
"Kai?! Bist du wieder da?"
Stille. Es war rein gar nichts zu hören.
Aber ich hatte ganz sicher was gehört. Also stand ich auf und suchte im Dunklen nach dem Lichtschalter.
Sobald das Licht an war sah ich die offene Balkontür. Vor Schreck setzte mein Herz kurz aus bevor es anfing zu rasen. Leise schlich ich zu einem Schrank, auf dem eine nicht besonders große, aber dafür schwere Vase stand. Sie war so handlich, dass ich sie in eine Hand nehmen konnte.
Damit schlich ich leise weiter durch die Wohnung. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich war mir sicher, dass der Einbrecher es hören konnte. Während ich ihn suchte sah ich wie Schränke und Schubladen geöffnet waren und deren Inhalte herausgenommen wurden.
Ich musste die Polizei rufen! Mein Handy war noch im Wohnzimmer und ich hasste mich in dem Moment dafür, dass ich es einfach dort liegen gelassen hatte. Aber erst hatte ich schließlich gedacht, es sei Kai.
Immer wieder hörte ich was aus der Wohnung und ich hatte verdammt Schiss, aber ich musste mich zusammenreißen und irgendwie wieder ins Wohnzimmer gelangen.
Fest umklammerte ich die Vase, doch meine Hände fingen an zu schwitzen und ich hatte Angst, sie würde mir aus den Händen gleiten.

Schritt für Schritt näherte ich mich langsam dem Wohnzimmer. Als ich die Türschwelle erreichte sah ich mich kurz um und atmete dann kurz durch. Mein Handy lag noch auf dem kleinen Couchtisch, es waren noch 2 bis 3 Schritte.
Plötzlich vernahm ich ein Geräusch hinter mir und bevor ich mich ganz umdrehen konnte spürte ich etwas Hartes auf meinem Hinterkopf. Die Vase ließ ich fallen und sie zersprang in viele kleine Stücke, als sie auf dem Boden aufkam. Kurz darauf fiel auch ich hin. Schwach griff ich mit meiner Hand an meinen Hinterkopf. Es schmerzte sehr und meine Finger stießen auf eine warme Flüssigkeit; mein Blut.
Der Einbrecher beugte sich über mich und legte seine Hände um meinen Hals und drückte zu. Er trug eine schwarze Maske und ich konnte nur seine Augen sehen. Nach Luft ringend versuchte ich seine Hände von meinem Hals zu lösen.
"Nimm was du willst, aber lass mich leben", presste ich krächzend raus. "Ich erkenne dich eh nicht, ich seh dein Gesicht nicht!"
Das schien ihn nicht zu interessieren, er drückte mir weiterhin die Luft ab. Der Rand meines Blickfeldes fing an zu flimmern und die Verletzung an meinem Hinterkopf pochte stark. Mein Herz raste und meine Lunge schrie nach Sauerstoff.
Lange hielt ich das nicht mehr aus. Würde ich so sterben?

Dann wurde mir schwarz vor Augen und die Schmerzen verschwanden.

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𝑨𝑴𝑵𝑬𝑺𝑰𝑨 || 𝑲𝒂𝒊𝑺𝒐𝒐 (ABGESCHLOSSEN)Where stories live. Discover now