Kapitel 14

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Der Fae legte seine Werkzeuge mit einem Seufzen zurück an ihren Platz und wischte sich über die verschwitzte, rußige Stirn. Außer den beiden Öllampen war es in seiner Schmiede beinahe dunkel, die glimmende Glut war schon fast erloschen. Er freute sich bereits auf seine wunderschöne Frau und die beiden Kinder, die ihn wie jeden Abend zuhause begrüßen würden.

Ein letztes Mal überprüfte er, ob er alles ordentlich zurücklassen würde, dann löschte er eine Lampe, nahm die andere in die Hand und schloss die Tür hinter sich ab. Die kühle Abendluft schlug ihm entgegen und ließ ihn in seinem dünnen Leinenhemd frösteln.

Mit großen Schritten eilte er durch die düsteren Straßen der Stadt und versuchte, alle sich bewegenden Schatten in den dunklen Ecken der Häuser zu ignorieren. Ihm war die Finsternis nie geheuer gewesen - sie war gefährlich und unberechenbar, denn egal wie stark oder schnell man auch war, im Dunkeln war man wehrlos gegen überraschende Angriffe. Und hier im ärmeren Viertel der Stadt musste man immer auf Überfälle gefasst sein.

Endlich sah er die Lichter in den Fenstern seines Hauses und atmete erleichtert auf. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, während er die Haustür öffnete und in die Küche eintrat. Doch seine Miene entglitt ihm, als er sah, was ihn erwartete.

Seine Frau und die beiden Kinder kauerten mit völlig verängstigten Mienen in der Ecke des Raumes. Im nächsten Moment erloschen alle Kerzen mit einem ruckartigen Flackern und hüllten den Raum in Dunkelheit. Panisch hastete der Fae zur Feuerstelle und griff sich den Schürhaken, bevor er zu seiner Familie stürmte.

"Nicht! Bitte", schluchzte seine Frau und riss die Hand in die Luft. Er spürte das vertraute Gefühl ihrer Magie. Im nächsten Moment streifte ihn etwas samtiges, federweiches an der Wange und aus dem Augenwinkel sah er einen noch dunkleren Schatten an ihm vorbei huschen. Das Grauen setzte sich eiskalt in seine Glieder und hielt ihn bewegungslos an Ort und Stelle.

Dann war außer dem Schluchzen der Kinder nichts mehr zu hören. Zittrig stieß er den Atem aus. Mit einem leisen Scheppern fiel der Schürhaken zu Boden, als er sich vor seine Familie kniete und in die verängstigten Augen seiner Frau blickte. Er spürte die Dornen, die sich durch den Holzboden unter seinen Knien gebohrt hatten - es war das erste Mal, dass er gesehen hatte, dass seine Frau bereit gewesen war, ihre Magie mit der Absicht zu schaden zu verwenden.

"Was ist passiert?", flüsterte er und umfasste sanft ihr tränenverschmiertes Gesicht. Sie schmiegte ihre Wange in seine Handflächen, während sich die Kinder an ihren Vater klammerten. "Ich weiß es nicht. Dieser Schatten ist plötzlich aufgetaucht. Ich verstehe nicht, wie er hier reingekommen ist - die Tür und die Fenster waren ganz sicher verschlossen. Es wurde von einem Moment auf den anderen eiskalt und ich hatte unglaubliche Angst. Die Kinder haben es auch sofort gespürt. Es hat uns nichts getan, aber dich hätte es eben beinahe angegriffen!" Sie begann erneut zu weinen und er zog sie schockiert in seine Arme.

Welche Kreatur war einfach so in sein Haus eingedrungen? Es konnte kein anderer Fae gewesen sein, diese bösartige Kälte war fremdartig. Ein kalter Schauder rieselte über seinen Rücken. Er hatte Angst um seine Familie. Würde es wiederkommen?

...

Aamon erhob sich aus seinem Stuhl, als jemand an die Tür seines Arbeitszimmers klopfte. "Herein", seufzte er und strich sich über die schmerzenden Augen. Seit mehreren Wochen nun schickte er seine Männer schon in die Stadt der Fae.

Sie sollten nachts Schrecken unter ihnen verbreiten, die natürliche Abneigung gegen die Dunkelheit und die Nacht schüren und in eine panische Angst verwandeln. Diese Angst der Fae würde schon bald zu fruchtbarer Erde für sein Vorhaben werden und es wachsen und gedeihen lassen. Bald wären sie der Befreiung ihrs Volkes einen großen Schritt näher. Doch nicht nur seine Männer kostete dieses Vorhaben enorm viel Kraft, auch er konnte sich manchmal kaum noch aufrecht halten.

Die schwere Tür öffnete sich geräuschlos und Luc, einer seiner Männer, trat ebenso leise ein. Der junge Dämon rückte seine Flügel zurecht und dem Dämonenfürsten entgingen weder die schmerzverzerrte Miene noch die kleinen blutigen Kratzer, die sich über Lucs linke Gesichtshälfte zogen.

Der junge Mann verbeugte sich respektvoll und wartete darauf, dass Aamon ihm gestattete zu sprechen. "Wie ist es gelaufen und was ist mit deinem Gesicht passiert?", begann Aamon also.

"Eine Fae hat mich mit ihrer Magie erwischt, aber es ist nichts schlimmes. Sie wollte nur ihre Familie beschützen. Bei uns allen waren die letzten Nächte sehr erfolgreich - sie trauen sich kaum noch im Dunkeln nach draußen und lassen im Haus immer Licht brennen."

Aamon nickte dankend und entließ den Dämon mit einer kurzen Handbewegung. Es hat also funktioniert, schloss er mit einem zufriedenen Lächeln und ließ sich zurück in seinen Stuhl sinken. Einen Moment lang dachte er an seinen jüngeren Neffen. Raven schien seit einer Weile ihr Ziel aus den Augen verloren zu haben.

Aamon hatte ihn ausgebildet, er kannte Raven wie niemand sonst und wusste, dass sein Gesichtsausdruck, wenn er die Mondprinzessin verteidigte, besorgniserregend für sie sein sollte. Xander würde seinen jüngeren Bruder immer beschützen und sich auf seine Seite stellen. Aamon fürchtete, dass sich die beiden Prinzen vielleicht auf die Seite der Fae-Prinzessinnen stellen würden.

Auch wenn er den Anflug eines schlechten Gewissens hatte, Xander und Raven nicht eingeweiht zu haben, sagte ihm seine Vernunft, dass es das Richtige gewesen war. Seufzend legte er die Stirn in die Handflächen.

Bruder, ich vermisse dich so sehr! Ich tue alles, um deine Söhne zu starken Männern zu machen und einen Weg zu finden, dich und die anderen zurückzuholen, aber ich weiß nicht mehr weiter... Was soll ich tun? Es fühlt sich alles so ausweglos an...

Verzweifelt legte er den Kopf in den Nacken und atmete tief durch. Wenn er Xander und Raven ansah, erkannte er sich und seinen Bruder wieder. Doch es hatte sich so viel geändert. Er wollte nicht, dass den beiden etwas ähnliches zustieß - er konnte das einfach nicht zulassen. Der Gedanke, dass Raven sich in die Prinzessin verlieben und sie sich wie ihre Tante Vespa zwischen die Brüder stellen könnte, machte ihn rasend.

Nein, das würde er nicht zulassen! Was er tat war notwenig, da war er sich sicher. Eines Tages würde Raven das verstehen.

The Moon PrincessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt