Kapitel 43

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Zacharius hörte die vereinzelten Rufe der Wachen, lange bevor er den Schlosshof erreicht hatte. Seine Hufe krachten auf den sandigen Untergrund der Gartenwege und hämmerten mit seinem Herzen um die Wette. 

Er hatte also recht behalten - die Dämonen waren gekommen. Sie hatten sich die Chance, die die Sonnenfinsternis geboten hatte, nicht entgehen lassen und obwohl er sich dafür schalt, konnte der alte Zentaur verstehen, dass sie ihr Volk aus der Verbannung befreien wollten. Er wusste nur zu gut, wie es war, ein Leben ohne Seinesgleichen zu führen.

Schließlich erreichte er die Ostseite des Schlossgebäudes und wurde ein wenig langsamer. Im Schein der Fackeln erkannte er die Männer der Schlosswache, die entweder mit Fackeln oder mit Pfeil und Bogen bewaffnet dastanden und angespannt auf etwas warteten. Dann schwang sein Blick zu Helenas Balkon und dem Grund für die Aufregung. 

Eine Gruppe von etwa fünfzehn maskierten Dämonen hatten sich um etwas gescharrt. Als einer von ihnen ein wenig zur Seite trat, blitzte Helenas goldenes Haar kurz zwischen den schwarzen Schwingen auf. 

Beunruhigt sog Zacharius den Atem ein. Wie hatten sie es nur so leicht ins Schloss geschafft, ohne bemerkt zu werden? Doch er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn plötzlich machte einer der Dämonen einen geschmeidigen Schritt beiseite und im nächsten Moment hielt er Helena vor seinen Körper, eine schmale Klinge blitzte deutlich sichtbar an ihrer Kehle. Dann rief er mit fester Stimme:

"Wenn ihr nicht wollt, dass eure Königin hier und jetzt stirbt, dann senkt eure Waffen und greift uns nicht an. Wir werden sie nicht töten, wenn ihr uns keinen Grund dazu gebt."

Die Wachen beäugten ihn misstrauisch, wussten nicht, was sie jetzt tun sollten. Zacharius konnte in ihren angespannten Mienen lesen, dass sie sich dagegen sträubten, ihre Pflicht zu missachten. Kurzentschlossen straffte der Zentaur die Schultern und schritt mit bedachten Bewegungen in den offenen Hof. Sobald er sich der Aufmerksamkeit der Dämonen sicher war, räusperte er sich, während er nach den richtigen Worten suchte. 

Schließlich war er sich einigermaßen sicher, sie gefunden zu haben und rief zu den Eindringlingen empor: "Es besteht kein Grund, irgendjemanden umzubringen. Dennoch müsst ihr verstehen, dass wir euch nicht einfach so gehen lassen können, wenn ihr in das Schloss eindringt, Königin Helena entführt und ein Portal öffnen wollt, aus dem eine rachsüchtig Armee befreit werden soll, die unser Land niederrennen wird. Was also schlagt ihr vor, sollen wir tun?"

Seine Hoffnung, dass diese Worte vielleicht doch Wirkung zeigen würde, blühte auf, als er sah, wie der Dämon, der Helena umklammert hielt, kurz zögerte. Auch im Blick der Königin, der fest auf ihren Lehrer und Freund gerichtet war, blitzte Erleichterung auf. Doch im nächsten Moment trat ein anderer Dämon aus der Gruppe hervor und zerschmetterte diese Hoffnung. 

Trotz der Maskierung erkannte der Zentaur Aamon, den Bruder des Dämonenkönigs Rhaul. Es überraschte Zacharius nicht, ihn als Anführer dieser Gruppe zu sehen. 

"Wir werden jetzt von hier verschwinden und ihr könnt nichts dagegen tun", verkündete er, den Kopf stolz erhoben. Doch bevor irgendwer auch nur etwas entgegnen konnte, brach auf dem Balkon über ihren Köpfen ein kleiner Tumult aus. 

Zacharius sah noch, wie Helena ihm einen kurzen Blick zuwarf, herumwirbelte und dem Dämon, der sie immer noch mit dem Dolch festhielt, den Ellbogen gegen den Oberarm rammte. Kurz taumelte er und ließ die Waffe sinken, und in dieser Zeit griff sie an ihren Hals. Dann im nächsten Moment hatte er sich wieder gefangen und packte ihren Nacken, sodass die Fae bewusstlos in seine Arme sackte. 

Empörtes und erschrockenes Murmeln ging durch die Reihen der Wachen, die ihre Waffen mit neuer Entschlossenheit - und blanker Abneigung in den Gesichtern - erhoben und spannten. All das geschah so schnell, dass Zacharius kaum wusste, wie er handeln sollte. Gerade dachte er, dass die Situation völlig aus dem Ruder laufen würde, als er etwas kleines, glitzerndes aus Helenas Hand gleiten und vom Balkon fallen sah. 

Da wurde es ihm klar. Er erinnerte sich an ein Gespräch, das sie einige Wochen vor der Sonnenfinsternis geführt hatten. Und er wusste nun, wie er vielleicht sogar den Krieg verhindern konnte, ohne Leben zu gefährden. 

Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck stieg der Zentaur kurz auf die Hinterbeine, in dem Wissen, dass der erhabene Anblick seines starken Pferdekörpers die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen würde. Dann richtete er sich an die Fae. 

"Senkt eure Bögen!" 

Einige starrten ihn ungläubig an, doch als er die Blicke einem nach den anderen fest erwiderte, taten schließlich doch alle, was er verlangte. Was als nächstes geschah ließ ihn darauf hoffen, dass er keinen Fehler gemacht hatte. 

Der Dämonenfürst sah ihm für ein paar Herzschläge ernst aus stechend grünen Augen an, bevor er den Kopf kurz senkte. Dann gab er seinen Männern ein Zeichen und die Gruppe stieß sich mit der bewusstlosen Faekönigin in die Luft. Schweigend standen die Fae und der Zentaur da und beobachteten, wie sie am Himmel immer kleiner wurden, während die Sonne bereits wieder fast vollständig sichtbar war und ihr Licht zu ihnen hinunterschickte. 

Sorge und Zweifel nagten an Zacharius, während er einem der Wachmänner winkte. "Sattel mir ein Pferd." Der junge Fae starrte ihn verwirrt an und entlockte ihm dadurch ein Schmunzeln. "Es ist nicht für mich gedacht", erklärte er also. Verstehend senkte der Junge den Kopf und verschwand in Richtung der Stallungen. 

Währenddessen trat Zacharius an die Stelle unter Helenas Balkon, auf die er das glänzende Ding hatte fallen sehen. Als er sich bückte, schlossen sich seine Finger tatsächlich um kühles Metall und offenbarten ihm schließlich die filigrane Goldkette, an der ein Anhänger in Form einer Sonne hing. 

Sie will es also tatsächlich versuchen, dachte er, bevor er die Kette in seine Westentasche gleiten ließ, das gesattelte Pferd am Zügel nahm und in flottem Tempo durch das Schlosstor trabte. Er würde sich beeilen müssen, denn er würde eine Weile unterwegs sein und die Abenddämmerung zeichnete bereits orangene Linien am Himmel. 


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