In Trance

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~3 Jahre zuvor~

"Zoé? Hey, hörst du mir überhaupt zu?" Orientierungslos schaue ich hoch und brauche einen Moment, um Max zu fokussieren, der vor mir steht und mich fragend ansieht. "Was?" "In welcher Welt warst du denn jetzt gerade wieder? Ich wollte fragen, ob wir was essen gehen wollen?"

Allein beim Gedanken daran wird mir schlecht und ich schüttle sofort entschlossen den Kopf. "Ne, ich hab gar keinen Hunger." Ein wenig skeptisch sieht mein bester Freund mich an. "Du wolltest auch gestern und vorgestern schon nichts essen. Geht's dir gut?" "Klar, ich hab nur einfach keinen Hunger. Außerdem hab ich total zugenommen in letzter Zeit und wenn das so weitergeht, bin ich bald fett und hässlich."

Ich sage es zwar mit einem leichten Schmunzeln, aber leider stimmt es. Wenn ich in den letzten Tagen vor dem Spiegel gestanden habe, hab ich mich jedes Mal erschreckt, wie viel mehr ich wieder auf den Rippen habe. Max sieht mich entsetzt an.

"Bist du bescheuert? Das ist Blödsinn! Du siehst super aus und bist alles andere, als fett." "Beruhig dich, so dramatisch ist es jetzt auch nicht. Wieso gehst du nicht eine Kleinigkeit essen, ich mache noch was für die Uni und wir treffen uns in eineinhalb Stunden auf eine Runde joggen?" "Klingt nach einem guten Plan", sagt Max nickend und küsst mich kurz auf die Wange, "Dann bis später, ja?" "Jap. Guten Appetit." "Danke."

~~~

Ich fühle mich leer. Mit leicht schiefgelegtem Kopf starre ich auf die mir gegenüberliegende Wand, ohne wirklich zu fokussieren. Meine Gedanken wirbeln in meinem Kopf herum, ohne dass ich auch nur einen einzigen davon greifen kann, während ich unbewusst auf meinem Stift herum kaue.

Ein energisches Klopfen reißt mich aus meiner Trance und ich zucke erschrocken zusammen. Es dauert einen Moment, bis ich wieder weiß, wo ich bin. Dann stelle ich fest, dass es noch immer klopft und dass es von der Verbindungstür des Hotelzimmers nebenan kommt.

Schnell stehe ich auf, kralle mich allerdings sofort in die Sofalehne, weil ein heftiger Schwindel mir gefühlt den Boden unter den Füßen wegreißt. Ich versuche bewusst aus- und einzuatmen, dann geht es irgendwann und ich laufe zur Tür, um zu öffnen. Davor steht mein bester Freund und sieht mich fragend an.

"Hey, wo bleibst du denn? Wir wollten doch joggen gehen." "Was?" "Wir wollten joggen gehen. Das hast du vorhin vorgeschlagen und wir haben ausgemacht, dass wir uns in eineinhalb Stunden treffen." "Oh. Oh, ähm, ich, also- ja, gib mir zwei Minuten, okay?" "Klar, kein Stress", entgegnet Max lächelnd und ich drehe mich, noch immer nicht ganz bei Sinnen, einmal im Kreis, bevor ich ins Innere des Zimmer zurückgehe und mich fertig mache.

Aber während des Joggens habe ich nicht das Gefühl, wirklich anwesend zu sein. Alles ist irgendwie dumpf und unendlich weit weg, als wäre ich in einer anderen Welt und würde von außen auf mich selbst schauen.

Verwirrt schüttle ich den Kopf, dann beschleunige ich mein Tempo, um Max einzuholen, der mir bereits etwas voraus ist. Das verwirrende Chaos in meinem Kopf versuche ich erstmal zu verdrängen.





~Gegenwart~

Ich wusste nicht, wie viel Zeit verging, dann strich Max mir eine meiner nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Du bist ganz kalt. Wie lange hast du bloß hier gesessen, hm? Wir wärmen dich mal auf, okay?"

Ich hörte und spürte, wie er seine Position änderte, dann hievte er mich plötzlich hoch. Beinahe sofort rutschte ich wieder zurück auf den Boden, weil meine Beine mich nicht trugen, aber Max fing ich rechtzeitig auf. Kurz harrte er aus und schien nachzudenken, dann spürte ich, wie er die Schultern zuckte. "Dann halt so."

Er schaltete das Wasser wieder ein und stellte es warm, was mir ein kurzes Wimmern entlockte, weil es sich auf meiner unterkühlten Haut wie Messerstiche anfühlte. "Sorry, gleich wird's besser", murmelte mein bester Freund entschuldigend, dann begann er mir vorsichtig meine durchnässten Klamotten auszuziehen. Immer mehr Haut wurde frei und vom warmen Wasser getroffen und tatsächlich konnte ich langsam spüren, wie ich auftaute.

Schweigend ließ ich Max mich waschen und schloss instinktiv die Augen, als er mir beim Einshampoonieren den Kopf zu massieren begann. Wie lang es brauchte, bis Max mich schließlich aus der Dusche trug und in ein kuscheliges Handtuch einwickelte, wusste ich nicht.

Ich spürte, wie er mich zum Bett trug und darauflegte, dann zog er sich sein durchnässtes T-Shirt aus und schmiss es in die Dusche zu meinen Sachen. Während er mich sanft abtrocknete, lächelte er mich besorgt an, aber ich musterte ihn nur stumm, während sich die Leere in meinem Inneren immer mehr auszubreiten schien.

"Was hältst du davon, wenn ich dir einen kuscheligen Pulli von mir gebe?", fragte Max lächelnd, bevor er aufstand und ich hörte, wie er seinen Koffer öffnete. Dann erklang das Geräusch der Schranktür und schließlich kam er zurück, zog mir Slip, Socken, einen Pulli und eine Jogginghose von sich an.

"Ich bin sofort wieder bei dir, okay?" Mit diesen Worten legte er mich wieder aufs Bett, sodass ich in Richtung des Badezimmers gucken und ihn beobachten konnte. Er zog sich auch noch seine nasse Hose und die Socken aus, dann rubbelte er sich mit einem Handtuch trocken und zog sich eine Jogginghose und ein T-Shirt an.

Ich sah, wie er sein Handy hervorholte, etwas eintippte und es sich dann ans Ohr hielt. "John? Hey, hier ist Max. Ich weiß du bist Physiotherapeut, aber hast du vielleicht auch irgendwelche Cremes gegen Schürfwunden oder so? Nein, ich hab mich nicht verletzt, aber Zoé. Super, könntest du mir die vielleicht zum Zimmer bringen? Ich will Zoé nicht allein lassen. Alles klar, bis gleich."

Er legte auf, dann kam er zurück zum Bett, setzte sich auf die Kante und stich mir sanft über die Wange. "Was ist bloß mit dir passiert?", murmelte er leise und mehr zu sich selbst, als zu mir. Ich sah ihn nur stumm an, dann klopfte es an der Tür und ich zuckte heftig zusammen, weil ich mich erschreckte. "Hey, es ist alles okay, das ist nur John. Beruhige dich, Zoé."

Angestrengt versuchte ich meine Atmung wieder in den Griff zu kriegen und erst als ich das halbwegs geschafft hatte, stand Max auf und öffnete die Tür. "Hey, danke, dass du da bist." "Keine Ursache. Was ist denn mit Zoé?" "Keine Ahnung. Ich hab sie mit Sportklamotten und den Schürfwunden unter der eiskalten Dusche gefunden, als ich von der Rennstrecke gekommen bin." "Denkst du, sie braucht einen Arzt?"

Ich hörte Max tief seufzen. "Nein. Ich glaube nicht, dass es etwas physisches ist. Erstmal werde ich versuchen sie zum Schlafen zu bringen und wenn sie aufwacht, sehen wir weiter." "Alles klar. Falls du irgendwas brauchst, melde dich." "Mach ich, danke John." Die Tür wurde geschlossen, dann kam Max wieder zurück.

In seiner Hand hielt er eine kleine Dose, die er jetzt öffnete und hineingriff. "Das brennt jetzt vielleicht ein bisschen, wenn ich das auf die Wunden mache, okay?" Sanft verteilte er die Creme auf meiner Wange und ich zuckte leicht zusammen, weil es ein wenig brannte, aber es war nur ganz dumpf und als Max die Wunden an meinen Knien eincremte, spürte ich es schon gar nicht mehr richtig.

Erschöpft blinzelte ich, meine Augenlider fühlten sich tonnenschwer an. Max stellte die Creme auf seinen Nachttisch, dann legte er sich neben mich ins Bett und deckte uns beide zu. Sanft legte er seine Arme um mich und zog mich zu sich, dann küsste er mich liebevoll auf den Scheitel.

"Versuch zu schlafen, ich bin die ganze Zeit hier bei dir." Dankbar schloss ich die Augen und während mein bester Freund mir leicht über den Rücken strich, schlief ich ein.

Wahrheit oder Pflicht (Max Verstappen FF)Where stories live. Discover now