Mit dir jederzeit

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~2 Jahre zuvor~

Angestrengt bemühe ich mich, nicht allzu genervt auszusehen, während der Typ, der mir gegenüber sitzt, immer noch von seinem ach so tollen Job in der Firma seines Vaters erzählt. Während er irgendwas von seinem neuen Apartment erzählt, stelle ich mir vor, wie ich Nora erwürge, weil sie auf die Idee gekommen ist, mich bei einem Dating-Portal anzumelden und mir ein Blind Date zu organisieren.

Egal wie oft ich meiner kleinen Schwester sage, dass ich mich erstmal auf mein Studium konzentrieren möchte, sie ignoriert mich jedes Mal und haut dann solche Aktionen raus. Und leider ist das nicht das erste Date, sondern das vierte in drei Wochen.

„Wenn du möchtest, kannst du gerne mal mitkommen, wenn ich mit meinem Vater und seinen Geschäftsfreunden Golf spiele. Meine Mutter trifft sich dann häufig mit den anderen Frauen auch dort und sie unterhalten sich bei einer Tasse Tee über die neuste Mode oder sowas." „Mhm."

Sein offensichtliches Männer- und Frauenbild ist so klischeegetränkt, dass ich ihm am liebsten seine Garnelen ins Gesicht werfen möchte, aber ich entscheide mich für die deutlich amüsantere Variante. Ohne dass Emil, mein Date, etwas merkt, ziehe ich mein Handy raus und schreibe Max eine Nachricht mit der Zahl 5. Nachdem schon die letzten Dates katastrophal waren, haben wir uns eine Methode überlegt, um mich so schnell wie möglich aus der Situation zu befreien. Mein bester Freund geht fast sofort online und ich stecke mein Handy unauffällig in die Hosentasche, nachdem ich es auf laut gestellt habe.

Es dauert nur wenige Sekunden, dann klingelt es. Gespielt überrascht ziehe ich es hervor und werde kreidebleich, was Emil sogar auffällt. Besorgt schaut er mich an. "Was ist los?" "Ähm, also- na ja, den Anruf ignoriere ich vielleicht besser", murmle ich, aber mein Handy klingelt weiter und Emil sieht mich auffordernd und leicht genervt an. "Es scheint wichtig zu sein, also geh doch bitte ran, damit nicht noch mehr Leute auf uns aufmerksam werden. Eigentlich schaltet man sein Handy auf lautlos, wenn man ins Restaurant geht." "Natürlich, sorry."

Ich muss mir stark ein Grinsen verkneifen, als ich den Anruf entgegennehme und dabei "aus Versehen" die Lautstärke steigere, sodass Emil und die Leute am Nachbartisch auch ohne Lautsprecher verstehen können, was Max sagt. "Sag mal Zoé, willst du mich eigentlich verarschen?", schreit er mich an, "Ich sitze hier mit unserem Sohn, weil du gesagt hast, du hättest einen wichtigen Termin und dann steckt mir ein Kumpel, dass du ein verficktes Date hast? Hast du sie noch alle? Willst du das arme Schwein etwa genauso abschleppen wie mich damals und ihn dann durch ein Kind an dich binden?"

Ich explodiere beinahe vor unterdrücktem Lachen, denn Emil ist auf einmal sehr, sehr blass geworden. "Du- du hast ein Kind?" Gespielt überrascht sehe ich ihn an. "Ja, das stand doch auch auf meinem Profil. Ich suche einen geeigneten Vater für meinen Sohn, der auch finanziell gut für ihn sorgen kann. Und du warst du auf deinem Profilbild in einem Privatjet zu sehen und hast in deine Profilbeschreibung geschrieben, dass du viel Geld verdienst, weil du in der Firma von deinem Vater arbeitest und das, obwohl du keinen Schulabschluss hast", gebe ich wie selbstverständlich von mir und Emil scheint im Boden versinken zu wollen. Er wird jetzt abwechselnd rot und blass im Gesicht und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie Max gerade grinsend am anderen Ende der Welt sitzt und gespannt zuhört, während unser Plan aufgeht. "Ich- ähm- ich- vielleicht sollten wir das hier beenden." Traurig sehe ich Emil an. "Oh nein, bitte nicht. Vergiss diesen Anruf einfach, mein Ex ist ein Arschloch. Der glaubt ernsthaft, er könnte sich um den Unterhalt für mich und meinen Sohn drücken."

Damit habe ich das Fass zum Überlaufen gebracht. Mit einem heftigen Ruck rutscht Emil mit seinem Stuhl zurück und steht auf. "Ich werde jetzt gehen." Hm okay, aber dann bezahl doch bitte wenigstens noch. Ich hab kein Geld dabei und hab das Restaurant hier eigentlich nur vorgeschlagen, weil ich mir sicher war, dass du bezahlst." Hastig zieht Emil sein Portemonnaie hervor, knallt einige Scheine auf den Tisch, greift nach seiner Jacke und verlässt beinahe rennend das Restaurant.

Ich schaue ihm grinsend hinterher und halte mir dann wieder mein Handy ans Ohr. "Max? Es hat geklappt, ich bin ihn losgeworden und es war so unglaublich lustig. Danke für deine Hilfe." "Jederzeit wieder. Was machst du jetzt mit dem angebrochenen Abend?" Kurz überlege ich, dann kommt mir eine Idee.

„Der gute Emil hat zu viel Geld auf den Tisch geworfen. Ich denke, ich werd mir davon was nehmen, mir in irgendeinem Fastfoodrestaurant was zum Mitnehmen holen und es mir dann zu Hause gemütlich machen. Hast du Lust auf ein virtuelles Date?" "Mit dir jederzeit. Wir sehen uns in einer Stunde bei Facetime."



~Gegenwart~

Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete ich, wie Max über den Bildschirm fegte. Er kämpfte verbissen mit Valtteri um Platz 2 hinter Lewis und das bereits seit mehreren Runden, doch der Finne wehrte sich stark und konnte meinen besten Freund bis jetzt hinter sich halten. Angespannt beobachtete ich, wie sich jetzt von hinten Carlos und Charles näherten und hielt den Atem an, während der Ferrari am McLaren vorbeizog.

Charles war jetzt auf P4 und man hatte schon während des gesamten Rennens gemerkt, dass er heute unbedingt aufs Podium fahren wollte. Bereits in der vierten Runde war er beinahe mit seinem eigenen Teamkollegen zusammengekracht, weil er viel zu aggressiv attackiert hatte, aber da sollten sich die Jungs von Ferrari drum kümmern.

Ich konzentrierte mich ausschließlich auf Max, der jetzt endlich eine Lücke gefunden hatte und an Valtteri vorbeizog. Die Red Bull Jungs, die vor dem Fernseher saßen klatschten begeistert, dann sah ich, wie Charles ebenfalls versuchte, an Valtteri vorbeizuziehen. "Ist der wahnsinnig? Die Lücke ist viel zu klein", entfuhr es mir und ich musste entgeistert mitansehen, wie Charles bei seinem Überholversuch in den Mercedes krachte, wodurch dieser einen heftigen Satz nach vorne machte und Max' Auto ebenfalls erwischte.

Mit angehaltenem Atem beobachtete ich, wie Max enorme Schwierigkeiten hatte, das aus dem Gleichgewicht gebrachte Auto wieder unter seine Kontrolle zu bringen, während Charles und Valtteri beide in die Bande rauschten und damit das Rennen beendet hatten. Max fluchte ohne Pause am Funk, dann sah ich, wie er das Auto wieder einfing und stieß erleichtert die angehaltene Luft aus.

„Hab ich irgendwo einen Schaden am Auto?", erkundigte er sich sofort. "Wir checken das, Max. Es sieht aus, als hättest du hinten tatsächlich einen Schaden und ich glaube du hast da auch ein Teil verloren." Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen, dann hörte ich wieder GPs Stimme. "Max, du musst in die Box, wir müssen hinten an deinem Auto etwas reparieren." "Ah fuck, okay."

Um mich herum entstand ein Getümmel wie in einem Ameisenhaufen, als das Team sich für den Boxenstop bereit machte, dann sah ich auf dem Bildschirm vor mir, wie Max in die Boxengasse fuhr. Mein Blick glitt auf die Sekundenanzeige, die rechts unten mitlief, während das Team Max' Auto reparierte. Carlos, Checo und Lando zogen in der Zwischenzeit vorbei, dann konnte Max endlich wieder losfahren.

Die Jungs klatschten miteinander ab, weil sie wirklich unheimlich schnell gewesen waren mit der Reparatur und der Einsatz wurde belohnt, weil Max sich bis zum Ende des Rennens zumindest den vierten Platz zurückgeholt hatte. Während er die Cool Down Runde fuhr, zog ich mir die Kopfhörer ab, stand auf und lief zur Garage von Ferrari, denn ich hatte ein Hühnchen mit Charles zu rupfen.

Er stand außen davor und unterhielt sich mit einem der Mechaniker, als ich ihm auf die Schulter tippte und er sich überrascht zu mir umdrehte. "Bist du eigentlich noch ganz dicht?", fuhr ich ihn auf Französisch an, "Da war keine Lücke für dich, du Blindfisch! Mach nächstes Mal gefälligst die Augen auf, bevor du kläglich versuchst, mit deiner Metallkiste jemanden zu überholen."

Ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten, drehte ich mich auf dem Absatz um und lief zurück zur Red Bull Garage, wo Max sich gerade den Helm vom Kopf zog. Fragend sah er mich an. "Wo kommst du denn jetzt her?" "Von Ferrari. Ich hab Charles mal meine Meinung gesagt." "Echt? Du bist hingegangen und hast ihn angeschnauzt?" "Jap. Und das würde ich wieder tun. Für dich jederzeit." Grinsend und leicht den Kopf schüttelnd zog Max mich in seine Arme. "Danke Babbel."

Wahrheit oder Pflicht (Max Verstappen FF)Where stories live. Discover now