87. Newt's zweite Chance

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Als es an der Tür zu meinem Rücken klopfte, schaute ich auf. Ich fühlte mich wie gerädert und fuhr mir erschöpft über das Gesicht.

„Joyce? Komm doch bitte raus." sagte die Stimme. Es war Brendas, welche flehend auf mich einredete. „Lass uns darüber reden." Seufzend schlug ich meinen Kopf nach hinten an die Tür und schaute Richtung Decke. „Das hat mit Sicherheit wehgetan." sagte sie, wobei ich mir vorstellen konnte, dass sie breit grinsten musste. Ich schnaubte nochmal auf und rutschte noch weiter an der Tür hinunter. „Joyyy. Bitte!" flehte sie weiter.

Genervt stieß ich die Luft aus, stemmte eine Hand auf mein Knie und stand auf. Mit Schwung öffnete ich die Tür, weshalb mir Brenda fast entgegen gefallen wäre. „Huch!" machte sie und guckte mich dann an.

Einen leichten Hauch von Erleichterung sah ich in ihren Augen auf blitzen. „Na endlich." murmelte sie und verdrehte die Augen. „Du hast ja auch lange genug geschmollt, hermana." schmunzelte Jorge. Dieses Mal war ich diejenige, die die Augen verdrehte.

Brenda und ich gingen gemeinsam von der Tür weg und gesellten uns wieder zu den anderen. Ich vermied Gallys Blick, schenkte Pfanne aber ein leichtes Lächeln, was er mit einem breiten Grinsen kommentierte. „Wo sind Thomas und Newt?" fragte ich nach, als mir auffiel, dass sie gar nicht vor Ort waren. „Dein Bruder und dein Freund sind draußen auf dem Dach. Du solltest vielleicht gleich mal hinterher. Hatte Thomas jedenfalls gesagt. Also, dass wir es dir ausrichten sollten." erzählte Jorge weiter, vollkommen in die Notizen vertieft. „Danke." murmelte ich.

Ich seufzte und schaute dann Brenda an. „Soll ich wirklich raus?" fragte ich nach. Brenda stöhnte genervt auf. Das hatte sie aber schon wirklich oft gemacht.

„Nicht so viel fragen, sondern mehr machen, Joy. Komm. Du liebst die beiden doch und sie lieben dich. Egal ob als Schwester oder feste Freundin." Brenda kam richtig in Fahrt und die Wörter sprudelten nur so aus ihr heraus. „Ist ja gut." kicherte ich. „Ich gehe schon raus." Ich lief schnurstracks auf die Tür nach draußen zu und öffnete sie mit Schwung. Das Licht der Sonne blendete mich, weshalb ich mir eine Hand vor die Augen halten musste.

Ich ging aus der kleinen Überdachung hervor und guckte auf meine liebsten Jungs. Sie hatten mich noch nicht bemerkt und schauten gerade auf die Mauern von W.C.K.D, die hoch hinauf in den Himmel reichten. Die Sonne stand kurz darüber, würde bald hinter den Mauern verschwinden und alles hinter ihr in Dunkelheit hüllen.

Wieder schaute ich auf die beiden Jungs. Newt saß am Rande des Daches und hatte die Beine in die Tiefe baumeln lassen. Thomas hockte, etwas näher an mir, auf dem Boden.

Ich räusperte mich leicht. Erschrocken drehten die beiden sich zu mir um. Beide mit dem selben verbissenem Ausdruck im Gesicht. „Komme ich gerade ungünstig?" fragte ich unsicher. „I-Ich kann auch wieder zurück zu den anderen gehen." murmelte ich nervös. Thomas schenkte mir ein Lächeln und richtete sich dann auf. Er kam auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung. „Thomas, was ist denn los?" murmelte ich besorgt an seine Brust. „Hör ihm einfach zu." erklärte er, gab mir einen Kuss auf den Kopf, löste sich dann von mir und ging zurück zu den anderen.

„Hey." sagte ich leise zu Newt, der mich irgendwie traurig anschaute. „Hey, Joy." sagte er dann doch leicht lächelnd. Ich lächelte auch leicht. „Ehm, darf ich mich zu dir setzen?" fragte ich. Newt nickte und deutete mir mit der Hand an mich zu setzen.

Ich überbrückte die paar Meter und setzte mich dann neben Newt. Er rutschte leicht von mir weg, damit er mich anschauen konnte. Seine Stirn war gerunzelt und er schaute auf seine ineinander verflochtenen Finger. Seine Fingerknöchel traten weiß heraus, als sei er sehr angespannt. Zögernd hob ich meine Hand und legte sie auf seine. Er zuckte leicht zusammen, entspannte dann aber und nahm meine Hand in seine.

Nochmal räusperte ich mich. „Thomas hat mir e-eben gesagt, dass du mir irgendwas erzählen wolltest." sagte ich stockend.

Er spürte meinen Blick auf sich und schaute von unseren Händen auf. „Ja. Wollte ich...." fing er an, sprach dann aber nicht weiter, als sei es ihm peinlich. „Newt. Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst. Das verstehe ich." sagte ich sanft und drückte seine Hand.

„Nein. Ich will es dir erzählen. Ich bin nur ein zu großer Feigling um es zu machen." Leicht überfordert guckte ich ihn an. Newt seufzte auf.

„Habe ich dir jemals davon erzählt, wie ich mir mein Bein gebrochen habe?" fragte er mich und tippte sich auf das Bein mit der freien Hand. Ich schüttelte meinen Kopf und sagte leise „Nein." Das war sein Startsignal und er begann zu erzählen. „Als wir noch im Labyrinth waren. Da kam ich mit der Box hoch, wie jeder andere Frischling. Ich hatte weder eine Ahnung wo ich war, noch wer ich war, verstehst du?"

Erneut nickte ich und hörte ihm weiter interessiert zu. „Obwohl meine Erinnerungen weg waren, alle, hatte ich das Gefühl, dass irgendwas fehlte." Er hielt inne und schaute mich lange an.

„Ich hab mich leer gefühlt." sagte er und drückte meine Hand fester, als würde jetzt das schlimmste kommen. „I-Ich konnte damit nicht leben. Konnte es so nicht aushalten." Leicht öffnete ich meinen Mund vor Erstaunen. „Und eines morgens, ich bin früh aufgestanden, bin ich ins Labyrinth raus geschlichen. Ich bin umhergeirrt um die höchste Wand zu finden, die es gab und fand sie. Ich bin hinauf geklettert... und gesprungen." Ich schnappte nach Luft bei seinen Worten. Er hatte während dem Erzählen aufgehört mich anzugucken und schaute jetzt nach vorne. In seinen Augen schimmerten Tränen. Und in meinen ebenfalls. Er wollte sich umzubringen, hatte damals den Lebenssinn verloren.

„Natürlich hab ich mich vollkommen im Efeu verheddert." erzählte er weiter und lachte leicht darüber. „Und mir das Bein an drei verschiedenen Stellen gebrochen." Wieder guckte er mich an. „Ich bin hart am Boden gelandet." fuhr er ernst fort. „und dachte das wärs gewesen. Doch Minho hat mich gefunden. Irgendwie." Ein leichtes Lächeln bahnte sich auf seine Lippen, als er an unseren Freund dachte. Auch ich musste leicht lächeln, hatte dennoch Tränen in den Augen. „Er hat mir geholfen und brachte mich zurück auf die Lichtung." Wieder guckte Newt mich ernst an. In seinen Augen lagen Furcht und Schmerz. Aber irgendwie auch Erleichterung.

„Wir haben nie die Wahrheit darüber erzählt." Gerade als ich ihn unterbrechen wollte, erzählte er weiter. „Minho hat mich gerettet und mir somit eine zweite Chance gegeben." „Und jetzt braucht er uns, ich verstehe." sagte ich nickend.

Ich rutschte noch ein Stück näher an Newt heran und legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Danke, dass du es mir erzählt hast, Newt. Danke, wirklich." sagte ich aufrichtig. „Ich bin froh, dass ich es getan hab. Aber Joy?" fragte er mich. „Ja?" murmelte ich.

„Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gibt, Minho zu retten, dann müssen wir es tun." sagte er ernst und drückte meine Hand. „Natürlich. Konntest du meinen sturen Bruder überzeugen?" fragte ich ihn.

„Mit eben genau der gleichen Geschichte." flüsterte Newt. Oh ja. Das kann ich mir sogar vorstellen.

𝐉𝐎𝐘 𝐢𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐌𝐀𝐙𝐄Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt