59. Marcus' Versteck

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Mit einem lauten Klirren, zersprang die Glasscheibe, auf der Brenda und der Cranks sich befanden. Doch während der Crank brüllend nach unten auf die Bruchstücke fiel, hatte ich Brenda mit beiden Händen fest im Griff.

Ich stemmte meine Beine links und rechts von der Öffnung hin, um Brenda hochziehen zu können. Mit angestrengten Gesichtsausdruck, packte sie mit der anderen Hand nach meinem Arm. Ihre Beine strampelten wild in der Luft herum. Mir stand der Schweiß auf der Stirn geschrieben und ran mir an der Seite herunter. Brenda atmete laut und geschockt auf. Auf ihrer Stirn bildete sich eine Falte als sie zu mir hinauf schaute.

In ihren Augen standen Tränen. Vermutlich mit hochrotem Kopf schaute ich sie an. „Bren! Ich hab dich." sagte ich erleichtert.

Gemeinsam kletterten wir wieder hoch und kamen dann auf ein Treppenhaus äußerlich vom Hochhaus. Ich ging an den Rand und schaute hinunter. Die Treppe ging sogar bis zum Boden. Nochmals schaute ich auf Brenda. Ihr ging es wieder gut, sah aber noch verängstigt aus.

„Na komm. Hier können wir runter." sagte ich und stieß mich von dem Geländer ab. Wir liefen still nebeneinander die Treppe herunter. Der Schock lag uns noch in den Knochen und durch schweigen konnte man ihn doch noch am besten verarbeiten. Ich drückte meinen schmerzenden Rücken durch, als wir durch eine Gasse zwischen noch ganzen Häusern liefen. Als ich plötzlich ein Geräusch hörte, hob ich meinen Kopf und richtete meine volle Aufmerksamkeit auf vorne.

Doch als ich einen Rums hörte, drehte ich mich abrupt um. Brenda hatte ihren Rucksack angelegt und saß fix und fertig auf dem Boden.

Sie hatte etwas Stoff in der Hand und riss ihn gerade entzwei. „Hey Bren. Gehts dir gut?" erkundigte ich mich nach ihrem ergehen. Als sie nicht antwortete, lief ich auf sie zu und kniete mich vor sie. Brenda würdigte mich keines Blickes und umfasste ihr linkes Hosenbein. Vorsichtig schob sie es hoch und zum Vorschein kamen zwei entzündete Wunden.

Ich zog scharf die Luft ein. Es handelte sich um einen Biss des Cranks. Man sah deutlich die Abdrücke der Zähne und das rausgerissene Fleisch. „Scheiße." sagten Brenda und ich gleichzeitig als wir drauf schauten. Diesmal atmete ich die Luft geräuschvoll aus. „Brenda." sagte ich warnend und schaute sie entsetzt an. „Jajajaja", sagte sie und schaute dann zu mir ein Stückchen hinauf. „Ich weiß." Sie wickelte die Stoffstreifen um die Wunde um sie zu schützen und schob dann vorsichtig die Hose hinauf.

Sie zog die Nase hoch und streckte sich dann nach ihrem Rucksack auf. Ich stand auf und hielt ihr die Hand hin, die sie dann ergriff und sich hochziehen ließ.

„Lass uns diesen Marcus suchen." schlug sie vor als sie stand. Hatte Brenda nicht erzählt, dass Marcus sowas wie ein Freund von Jorge war? Und, dass wir dort die anderen wieder sehen würden? Ach egal, ich würde es eh früher oder später aus eigener Hand in Erfahrung bringen.

Brenda und ich liefen den Weg weiter und kamen dann auf einer Art Hauptstraße an. Mehrere Zelte waren dort aufgebaut und ein paar Menschen waren hier und dort zu sehen. An sich herrschte reges Treiben, was mich trotz der Situation verwunderte. Wenn W.C.K.D tatsächlich hier umher geflogen war, hätten die sie da nicht gesehen? Denn so neu sah diese Art Siedlung nicht aus.

„Ok", wandte Brenda sich an mich. „Versuch einfach nicht aufzufallen." Ich schnaubte skeptisch auf. Ich und nicht auffallen? Das ich nicht lache.

Doch ich gab keinen dummen Kommentar von mir ab. Den hob ich mir für später auf. Stattdessen lief ich einfach Brenda hinterher und schaute mich um. Am Rand standen ein paar verlassene Autos oder Vans, vermutlich schliefen da einige drin. Wir kamen an Menschen vorbei die sich über einem Feuer irgendwas brieten oder an Leuten die einfach nur da saßen und mürrisch umher starrten. Ich bewegte meine Beine etwas und trabte somit neben Brenda.

„Ich fühl mich hier überhaupt nicht wohl." gestand ich leise. Sie schaute mich nur aus dem Augenwinkel an, lief aber weiter. „Geht mir auch so. Aber wir müssen zu Marcus. Dann finden wir auch Jorge und die anderen." flüsterte sie ebenso leise zu mir zurück.

Ich ließ meinen Blick wieder schweifen und sah, wie mir eine junge Frau mit einem kleinen Jungen entgegen kam. Er konnte nicht älter als 10 sein.

„Viele mussten ihr Zuhause verlassen. Hier, auf der Straße sind sie unter den anderen halbwegs sicher." erklärte Brenda mir. „Es ist trotzdem schlimm, dass ein Kind das mit ansehen muss." sagte ich mit zu geschnürter Kehle.

Schließlich kamen wir dann an einem Ort an, der eigentlich noch fast normal aussah. Die Menschen standen herum, lachten und redeten miteinander und verhielten sich normal. Das hier war ein Ort, wo man das Virus für eine Zeit vergessen konnte. Von irgendwoher stöhnte Musik an meine Ohren. Machten die hier sogar Party? Ok, das war wirklich unvernünftig. Ein Crank und dann ist's aus. Brenda und ich liefen unter einem Dach entlang. Vermutlich war das hier mal eine Verkaufsmeile gewesen.

„Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?" fragte ich das Mädchen mit den braunen Haaren. Sie drehte sich etwas verwirrt zu mir um.

Plötzlich hörte ich ein klackendes Geräusch und eine Frau stellte sich hinter uns. Sie hatte blonde hochtoupierte Haare und trug reichlich Klunker um den Hals. „Wollt ihr auch zu der Party?" fragte sie uns ziemlich benebelt. Wusste ich's doch, eine Party.

Die Frau war deutlich betrunken, da sie sich aufreizend vor uns posierte. Sie hatte die Hände in die Hüfte geschützt und schaute Brenda abwartend an. „Eh, nein", stammelte diese. „Wir suchen Marcus. Das hier ist doch sein Versteck oder nicht?" fragte Brenda ziemlich trocken. Plötzlich legte sich die Hand der Frau auf meine Schulter und drückte leicht zu. Die hatte aber definitiv zu tief in den Alkohol geschaut.

„Das hier ist mein Versteck." ertönte auf einmal eine Stimme hinter uns. Brenda und ich fuhren herum. Aus Stoffvorhängen, trat ein Mann, etwa 30 Jahre, auf uns zu. In der Hand hielt ein ein blaues Glas mit einem Inhalt drin, der grünlich aussah. So richtig nüchtern wirkte der aber auch nicht mehr. Brenda zog mich am Arm etwas zu ihm. Marcus, falls er es wirklich war, hatte gerade sein Glas abgestellt. „Bist du Marcus?" fragte ich ihn sofort. „Marcus", er hielt kurz inne. „Wohnt hier leider nicht mehr." gestand er.

Ich öffnete verwirrt meinen Mund und schaute dann Brenda an. „Weißt du wo wir ihn finden können?" stellte Brenda die zweite Frage.

„Na klar, klar. Er ist drüben in Zone B." was war denn Zone B?! „Ok, was ist Zone B?" fragte ich darauf verwirrt. Plötzlich spürte ich wieder, wie sich Hände über meinen Rücken zu meinen Schulter bewegten. „Da werden die Leichen verbrannt." hauchte mir die Frau ins Ohr, was mich erschaudern ließ. Angewidert fuhr ich mir über den rechten Arm.

Aber Moment, vielleicht waren die anderen ja hier. Ich trat wieder ein Stückchen nach vorne. „Ok- äh. Waren noch ein paar andere hier, die nach ihm gesucht haben?" Der Typ vor mir schaute mich leicht fragend an. „Ne Gruppe Jungs, im unserem Alter. Ein anderes Mädchen war auch noch dabei." erklärte ich weiter. Der Typ fasste sich an die Stirn und fuhr dann mit rasselnder Stimme fort. „Weißt du was, wär möglich, dass die da drin sind. Hier."

Er holte eine Flasche mit leicht grünlichen Zeug aus seinem Jackett. Der Kerl schraubte den Verschluss ab und reichte mir die Flasche. Irritiert starrte ich darauf. „Trink das." forderte er.

„Was ist das?" harkte ich nach. „Es ist der Eintrittspreis." sagte er trocken.

Doch ich reagierte nicht. Dafür war ich viel zu misstrauisch. Plötzlich schnellte Brendas Arm hervor und sie riss ihm die Flache aus der Hand. Sie nahm einen kräftigen Schluck, verzog dann das Gesicht und hielt mir die Flasche hin. Sie hustete. Anscheinend war es ganz schön starker Alkohol. Scheiße, doch ich musste die anderen finden. Koste es was es wolle.

„Jetzt du." sagte der Kerl und deutete mit dem Finger auf mich. Zögerlich nahm ich die Flasche in die Hand und schaute auf sie. Die Finger der Frau fühlte ich immer noch auf dem Arm.

Schließlich setzte ich sie mir an die Lippen, lehnte den Kopf nach hinten und goss mir ein paar Schlucke des Inhaltes in den Rachen hinein. Es brannte fürchterlich und hinterließ einen komischen Geschmack auf der Zunge. Der Kerl vor mir lachte schadenfroh auf, als ich nach Luft ringend die Flasche absetzte. Er lief einmal um uns rum und drückte auf unsere Schultern. „Das war guuut." lobte er uns und drückte uns einmal nach rechts.

„Und jetzt, viel Spaß bei der Party." war das letzte, ehe er uns durch einen Vorhang drückte.

𝐉𝐎𝐘 𝐢𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐌𝐀𝐙𝐄Where stories live. Discover now