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Kapitel 4

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Es war zweifelsohne Black, dessen Augen mich aus der Dunkelheit der Lichtung verfolgten. Seine lauernde Haltung ließ ihn mit den Schatten verschmelzen, doch seine Augen brannten Löcher in die Nacht. Nachdem ich den ersten Schreck verdaut hatte, wandte ich meinen Blick langsam ab, zurück zu Bernadette und der bunten Patchworkdecke unter uns. Das gemütliche Wohnzimmer hatte sich mit einem Mal in ein Gefängnis verwandelt; eine Sackgasse ohne Hintertür.

Ignorier ihn, sagte ich mir nachdrücklich, das Zittern meiner Hände verbergend, indem ich sie unter meine Oberschenkel klemmte. Dann wird er verschwinden.

Neal hatte recht, ich hatte in jener Nacht nicht mit Absicht gehandelt. Ich war nicht bei Sinnen gewesen. Und das Gleichgewicht war gewahrt worden: Das Leben eines Mörders für die Geburt eines anderen. Aber weshalb wurde ich ihn dann nicht los?

Black verfolgte mich seit diesem Abend wie ein Gespenst. Wenn ich die Augen schloss, sah ich ihn vor mir stehen, bereit zum Angriff; in seinen Augen die Kälte, die ich anfangs nicht wahrhaben hatte wollen. Manchmal war Ley bei ihm, manchmal die Zwillinge. Meine Halbgeschwister, die meinetwegen ohne ihren Vater aufwachsen würden.

Noch dazu wurden die Sichtungen immer häufiger, während meine Gewissheit darüber wuchs, dass niemand außer mir seine lauernden Umrisse wahrnahm – oder davon wissen sollte. Ich war gerade erst ein Teil des Rudels geworden. Nachdem ich solche Schwierigkeiten gehabt hatte, die Akzeptanz von Wölfen wie Levin oder Isabelle zu gewinnen, wollte ich mein Glück nicht auf die Probe stellen.

Mein Blick fiel auf mein Spiegelbild, das, mir aus dem Flur entgegenblickend, die Augenbrauen verkrampft zusammengezogen hatte. Du wirst damit fertig, sagte ich mir entschlossen, die Falte zwischen ihnen mit den Fingern lösend. Auch das wird vorübergehen.

„Wieso siehst du drein, als hättest du auf eine Zitrone gebissen? Woran denkst du?", fragte Freya, die den Raum mit einem Holztablett betreten hatte. Darauf waren die Brote arrangiert, die Elyas eben belegt hatte, und drei volle Gläser. Der Werwolf mit der Narbe, dessen Kopf auf einer Höhe mit Freyas war, trug ihr die Popcorn-Schüssel hinterher.

In böser Vorahnung verzog die 19-Jährige das Gesicht. „Sag nicht, ihre Windel ..."

„Nein", beeilte ich mich zu sagen, bevor Freya mit dem Kärcher auf Bernadette losgehen konnte. „Nein, sie ist sauber. Ich habe mich nur gerade an etwas Unschönes erinnert."

Die Bedeutung des Blicks, den Freya und Elyas auf meine Worte hin wechselten, war unschwer zu erraten. Sie dachten an Black.

Mit bemüht unbeschwertem Tonfall fügte ich daher hinzu: „Ich werde Sally morgen beibringen dürfen, dass ich bereits packe. Das, und dass ich ihr in Zukunft kein Katerfrühstück mehr machen kann – außer sie macht zuerst einen Waldspaziergang."

Wie beabsichtigt löste sich die Spannung im Raum durch meine Notlüge sofort in Luft auf. Bei der Erwähnung meiner Pflegeschwester sah ich sogar Elyas linken Mundwinkel zucken, den die Narbe nicht berührte.

„Das musstest du doch schon ewig nicht mehr tun", erwiderte Freya mit einem nachsichtigen Lächeln. „Sie schafft es jetzt auch allein, Cara. Außerdem lässt Mira sie kaum noch aus den Augen, wenn sie nicht gerade zur Schule oder arbeiten geht."

Der brünette Werwolf stieg vorsichtig über Bernadette, um sich mit klirrenden Ketten ins Sofa fallen zu lassen. „Also, sollen wir mit den Tierdokus anfangen oder hat jemand in der Zwischenzeit eine bessere Idee gehabt?"

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Das leise Schnarchen der Brünetten neben mir unterbrach in regelmäßigen Abständen die Ausführungen des Reporters, der auf dem Bildschirm durch den tiefsten Urwald kroch, auf der Suche nach der nächsten giftigen oder gefährdeten Tierart. Die Villa war ansonsten völlig still ohne ihre übliche Überbelegung. So still, dass man das statische Rauschen des Fernsehers hören konnte, wenn der Urwald schwieg.

Saving Cara - Band IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt