Ironstrange (Teil 2/2)

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Beinahe ein Jahr. Dreihundertvierundsechzig Tage lang, hatte der Zauber von Stephens Magie angehalten. Und dann, ohne Vorwarnung, war Tony eines schönen Morgens aufgewacht und hatte es gespürt. Die Veränderung. Etwas war anders. Zuerst hatte er nicht sagen können, was genau sich anders anfühlte, aber spätestens als er einen zufälligen Blick in den Spiegel geworfen hatte, war ihm klar geworden, was genau sich verändert hatte. Dunkle Linien wanden sich über seine Haut um den ARC – Reaktor. Panik ergriff ihn. Wie lange war das schon wieder da? Seit wann hatte die Wirkung der Magie bereits aufgehört? Hatte er schon vorher irgendetwas bemerkt? So schnell wie er konnte beeilte sich Tony, sich umzuziehen, ehe er sich in sein schnellstes Auto setzte und zu Stephen raste. Ihm war egal, ob er das Geschwindigkeitslimit überschritt, ob er geblitzt wurde oder ob ein Polizeiauto zwischendurch seine Verfolgung aufnahm, da er nicht angehalten hatte, als man ihn an den Straßenrand gewunken hatte. Er war einfach weiter gefahren, hatte das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt und alles, was möglich war, aus seinem Wagen herausgeholt. Und dann war er endlich da gewesen, weil die kurze Fahrt ihm wie eine mehrstündige Reise vorgekommen war. Er machte sich nicht einmal die Mühe, den Motor abzustellen, so eilig hatte er es, auszusteigen und den Zauberer aufzusuchen. Während Tony mit all seiner Panik bei Stephen den Klingelknopf überstrapazierte, begannen sich seine Gedanken wieder etwas aufzuklären. Seit wann hatte er so eine Angst, sein Leben zu verlieren? Er hatte es doch schon so oft riskiert, und das mit dem Palladium betriebenen ARC – Reaktor machte da eigentlich keinen Unterschied. Oder lag es an Stephen? Tony konnte nicht leugnen, dass er nach seiner ersten „Behandlung" von ihm geträumt hatte. In weniger lichten Momenten, wenn er einmal wieder zu viel getrunken hatte, hatte er sich vorgestellt, wie er den anderen in seiner Wohnung antraft, wie sie sich küssten und wie diese langen, vernarbten Ex – Chirurg Hände an Stellen seines Körpers wanderten, die mehr als privat waren. Wieso erinnerte er sich eigentlich daran? Er war so voll wie immer gewesen und für gewöhnlich versagte sein Gedächtnis dann – aber bis jetzt hatte er sich auch noch nie etwas so intensiv vorgestellt. Tony empfand seine Vorstellungen als eher ungewöhnlich – immerhin hatte er sich noch nie von einem Mann angezogen gefühlt. Er konnte leider nicht abstreiten, dass er Stephen auf eine Art und Weise begehrte, wie noch nie eine andere Person bevor. Das war seltsam, immerhin war nun fast ein Jahr vergangen, seitdem sie sich gesehen hatten. Keine zufälligen Begegnungen oder Ähnliches waren passiert. Ihm war nicht klar, wie er es geschafft hatte, so lange Abstand zu Stephen zu halten, ohne seinem offensichtlichen Verlangen nachzugehen. All das schoss Tony in Sekundenschnelle durch den Kopf, während er warte, dass Stephen die Tür öffnete. Er versuchte, seine sich nun neu erweckte Nervosität zu unterdrücken, und auch die Panik etwas mehr beiseite zu schieben – er war schließlich Tony Stark, Ironman, und er war nie nervös oder hatte Panik. In dem Moment öffnete Stephen die Tür. „Lange nicht gesehen, Stark. Was gibt's?", begrüßte er ihn kühl. Tony versuchte, sein typisches Pokerface aufzusetzen, aber es gelang ihm nur halb so gut wie üblich. „Du hast gesagt, ich soll wiederkommen, wenn es schlimmer wird." Für einen Moment sah Stephen Strange verwirrt aus, und seine Augenbrauen zogen sich nachdenklich zusammen. Aber dann huschte ein Schimmer der Erleuchtung über sein Gesicht und er schien sich zu erinnern. „Was ist passiert?" Er trat einen Schritt zurück und ließ Tony eintreten. „Ich bin heute aufgewacht und diese dunklen Linien waren wieder da.", erwiederte der kleinere und nahm den direkten Weg ins Wohnzimmer. Er war hier in seinen Träumen schon hunderte Male entlanggelaufen und war sich sicher, jeden Winkel zu kennen – was tatsächlich auch so war, denn nichts hatte sich wirklich an Stephens Einrichtung geändert. „Ich bin überrascht, dass die Magie so lange angehalten hat. Eigentlich müsste man für solche komplexen Sprüche selbst Magie beherrschen – was du sicherlich nicht tust. Oder habe ich etwas verpasst?" Tony schüttelte den Kopf und warf sich auf Stephens Sofa. Gott hatte er dieses Ding vermisst! Er hatte am Anfang lange mit dem Gedanken gespielt, sich das Gleiche zu kaufen, aber selbst wenn es dasselbe Modell wäre, wäre es nicht vergleichbar mit Stephens Sofa. Also hatte er das gelassen. „Das Zaubern überlass ich gern weiter dir. Ich bleib bei meiner logisch erklärbaren Technik.", sagte er und machte es sich so gut wie es ging bequem. Als ihn ein paar Gedanken über seine Fantasien aus betrunkenen Situationen in den Sinn kamen, schob er diese unwirsch beiseite. Dafür war im Moment wirklich nicht die Zeit. „Das ist gut.", antwortete Stephen. „Darf ich sehen?" Tony schluckte. Jetzt musste er sich zusammenreißen. Er wollte sich nicht ausmalen, was passierte, wenn er die Nerven verlor. Der ehemalige Arzt setzte sich wieder neben ihn. „Du musst das Shirt schon irgendwie wegmachen." Tony zögerte noch kurz, dann schob er sein T – Shirt so weit wie möglich nach oben und entblößte seinen Oberkörper. „Das sieht nicht gut aus.", kommentierte Stephen. „Die Vergiftung oder mein Oberkörper?", konnte Tony sich nicht verkneifen zu fragen. Oh, wie bescheuert war er denn? Stephen sah ihn seltsam an. „Die Vergiftung natürlich." War das ein rötlicher Schimmer auf seinen eher blassen Wangen oder täuschte Tony sich da? Vielleicht lag es ja am Licht . . . Stephens Fingerspitzen begannen wie beim letzten Mal hell zu leuchten. Fasziniert sah Tony dabei zu, wie das Licht jegliche dunkle Spur der Palladium Vergiftung auf seiner Brust vertrieb. Als die Prozedur wie bei ihrer letzten Begegnung vollzogen war, stand Stephen auf. Er hatte kein Wort mehr gesagt, und nun stand er mitten im Raum und wartete darauf, dass sein Gast wieder ging. Wie beim letzten Mal. Tony hatte aber nicht wirklich vor, zu gehen. Nicht jetzt. Nicht, wo er erst einmal wieder geheilt zu sein schien, und sich für ein paar Wochen und Monate keine Sorgen mehr darüber machen musste, wegen einer Palladiumvergiftung zu sterben. Er strich sein T – Shirt wieder glatt und richtete sich auf – aber trotzdem blieb er weiterhin auf dem Sofa sitzen. „Hat mein Anblick dir die Sprache verschlagen, Zauberer?" Stephen sah ihn, leicht amüsiert über diesen Satz, an. „Ein zweites Mal bleibe ich nicht ohne Bezahlung.", erklärte er. Tony zog eine Augenbraue in die Höhe. „Lenk nicht vom Thema –" „Tu ich nicht." Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er das tatsächlich ernst meinte. In Tonys Kopf ratterten für einen Moment die Zahnräder. Dann machte es „klick". „Warte mal . . .", sagte er. Dann schlich sich ein fettes Grinsen auf seine Lippen. Stephen hatte soeben mehr oder weniger zugegeben, dass er ihn tatsächlich aus dem Konzept gebracht hatte – und wie sollte er das im Begriff mit Anspielung auf die Bezahlung für seine Hilfe anders ansehen, als so, dass von Seiten des Zauberers ebenfalls Interesse bestand? „In welcher Form willst du deine Bezahlung denn?" Er betonte das Wort mit Absicht. Stephen zuckte leicht mit den Schultern, sah dabei aber sehr herausfordernd aus. „Kommt ganz auf dich an." Nun erhob sich Tony doch vom Sofa, in gewisser Weise sprachlos. Das Einzige, was jetzt in seinen Augen wichtig war, war den Abstand zwischen sich und Stephen auf das Minimum zu reduzieren. Nach zwei, drei Schritten von beiden trafen sie sich und ihre Lippen kollidierten. Vielleicht war die Situation mehr als grotesk, immer hin hatten beide bis jetzt nicht viel miteinander zu tun gehabt, aber beide Seiten hatten in dem Moment nur eines im Sinn – das Verlangen nach dem anderen zu befriedigen.

~ Ich hoffe, der OS war nicht so seltsam, wie ich denke, dass er war . . .

OneshotsWhere stories live. Discover now