Flintwood

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Du bist wie Gift in meinen Adern,

Gift in meinem Blut

Tötest mich, langsam, qualvoll, heimlich,

mein Herz schmerzt heiß, verbrennt zu Glut

Und doch, ich kann nicht gehen,

ich muss bleiben, wo ich bin

Hier, in deinen Armen,

ist das Sterben fast schon schön.

Marcus Flint schnaubte leise durch die Nase. Poesie war so ein Quatsch. Mit einem Knall schlug er das Buch zu, das kaum größer als seine Hand war, und warf es gefühllos auf die andere Seite des Tisches. Gedichte, dachte er verächtlich. Als ob er sich für so etwas interessieren würde! Er wusste ja nicht einmal, wie der kleine violett schimmernde Band überhaupt in seinem Bücherstapel gelandet war. Selbst hinein getan hatte er es sicher nicht. Für sowas war keine Zeit. Er hatte hier wichtigeres zu tun. Marcus blickte hinab auf das gelbliche Pergament vor ihm, auf dem gerade einmal knappe fünf Sätze geschrieben waren. Die Feder lag daneben, die Tinte am Kiel war bereits wieder eingetrocknet. Eigentlich musste er sich ranhalten und diesen furchtbaren Aufsatz beenden, aber es fiel ihm einfach schwer, sich zu konzentrieren. Verwandlung war langweilig. Genauso wie all die anderen Fächer, die Marcus belegt hatte. Was eigentlich auf jedes Fach zutraf, denn seine Noten waren beinahe überall miserabel. Deshalb hatte er sich vorgenommen, sich mehr dahinterzuklemmen, damit er das Schuljahr schaffte. Irgendwie wollte die Konzentration aber nicht bei ihm bleiben. Dieses Zeug interessierte ihn eben nicht. Er konnte sich ein leises Seufzen nicht verdrücken, als er zum Fenster hinüber blickte. Wie viel lieber wäre er jetzt draußen, unter dem freien Himmel! Obwohl das Wetter nicht das schönste war, denn seit Stunden platschten aus schweren grauen Regenwolken die Tropfen an die Scheibe. Dennoch, alles wäre besser als hier in der staubigen Bibliothek zu verrotten. Betont langsam griff er zur Feder und tauchte sie ins Tintenfass, ehe er gedankenverloren begann, ein Quidditchfeld auf sein Blatt zu skizzieren. Wenigstens das konnte er. 

Einige Wochen später hatte Marcus das Buch bereits vergessen. Er saß wieder in seiner Ecke, nah beim Fenster in der Bibliothek und wagte viel zu oft einen Blick nach draußen. Ablenken ließ er sich leider viel zu leicht. Die Motivation hatte ihn schon beim Betreten verlassen, weshalb er sich dieses Mal nicht die Mühe gemacht hatte, überhaupt viele Bücher zusammenzusuchen. Stattdessen hatte er abwechselnd auf das Leere Pergament und zum Fenster hinaus gestarrt. So konnte man seine Zeit natürlich auch verbringen. Gelangweilt blätterte er durch den Bücherstapel, den er sich lustlos zusammengesucht hatte. Dann stutze er. Der kleine Gedichtband blitzte ihm zwischen zwei dicken Wälzern entgegen. Verwirrt zog er das schmale Büchlein zwischen den anderen hervor und hielt es in den Händen. Wie hatte sich das schon wieder zwischen seine Bücher gemogelt? War es überhaupt möglich, dass dieses Poesie – Ding ein Eigenleben führte? Schließlich befanden sie sich hier an einer Schule für Zauberei, lebendige Bücher würden ihn an sich nicht überraschen. Dann wiederum stellte sich die Frage, was, wenn das Buch tatsächlich aus freien Stücken zu ihm gekommen war, es wohl von ihm wollte. Lesen gehörte zu den vielen Dingen an der Schule, die er hasste. Marcus behielt das Buch noch einige Momente lang in der Hand, dann legte er es beiseite und sah wieder aus dem Fenster. Es ist nur ein blödes Buch mit blöden Gedichten. Mehr nicht. 

Als Madame Hoochs Pfeife ertönte schrie alles in Marcus Gehirn Fokus. Auf den Ball, auf das Spiel, aufs Gewinnen. Und auch aufs Foulen. Ein ums andere Mal mussten sie das Spiel unterbrechen, weil er oder einer seiner Teamkameraden (aber dennoch größtenteils er) einen kleinen unsauberen Trick anwandten. Es war Marcus egal, was sie zu ihm sagte und es war ihm egal, dass die Gryffindors von der Tribüne aus laut buhten und sich beschwerten, während ihn die meisten seines eigenen Hauses mit Jubelrufen unterstützten. Stattdessen beantwortete er Oliver Woods finstere Blicke, indem er dem gegnerischen Mannschaftskapitän ein Grinsen schenkte, das all seine ungeraden Zähne entblößte. Woods Blick wurde daraufhin nur noch dunkler. Dann ging es wieder in die Luft. Einige Minuten später fing Potter den Schnatz – aber es hatte nicht gereicht. Slytherin gewann – zwar nur knapp mit zehn Punkten Vorsprung – dennoch, Sieg war Sieg. Und während Marcus sich mit seinem Team von den anderen aus ihrem Haus feiern ließ musste er plötzlich wieder an diesen Gedichtband denken. Gift in meinen Adern, hallten die Zeilen des ersten Gedichts vage in seinem Kopf wieder, während er sich aus der Team Umarmung freikämpfte. Dann fiel sein Blick auf Wood, welcher einige Meter abseits mit niedergeschlagenem Blick seinem Team erklärte, dass sie trotz Verlust ein verdammt gutes Spiel gespielt hatten. Gift in meinem Blut. Plötzlich fühlte er sich seltsam, als hätte sich eben etwas verändert. Etwas von größter Wichtigkeit. Aber dann wischte er den Gedanken beiseite und achtete nur noch auf die Jubelrufe der Slytherins.  

OneshotsWhere stories live. Discover now