Mad Queen

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 „Bogenschützen legt an!" Die laute Stimme von Prinz James, oder „Charming" hallte über den gepflasterten Hof. Oh, wie sehr er Regina anwiderte! Snow White hatte nichts von dem verdient, was sie hatte. Keine Freunde und Unterstützer, kein Königreich, keine wahre Liebe. Nur den Tod. Aber anstatt, dass dieses in den Augen aller so unschuldige Mädchen das bekam, was ihr gebührte, stand sie nun selbst hier, angekettet an diesen lächerlichen Holzpfahl und ihrer Kräfte beraubt. Regina ärgerte sich, dass sie in die Falle des von jedem geliebten Paares getappt war und der Feenstaub sie nun schwächlich machte. So würde sie also ihr Ende finden. Es war demütigend, das musste sie sich ungern eingestehen. Wenigstens würde sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sie hatte jedes einzelne Wort in ihrer kurzen Rede ernst gemeint. Oh, wie sehr sie sich wünschte, den Schrecken in den Gesichtern der Menschen zu sehen, die hier waren um bei ihrer Hinrichtung dabei zu sein! Aber natürlich hatte man ihr diesen letzten Anblick verwehrt. Regina wünschte auch, sie könnte sich diese verdammte Binde von ihrem Gesicht reißen und Snow White in die Augen sehen, wenn sie starb. Sie hätte sie wissen lassen, wie sehr sie sie hasste. Aus dem tiefsten Grund ihres Herzens. Sie hätte sie wissen lassen, dass all das ihre Schuld war und sie eben jene Schuld nie mehr in ihrem kümmerlichen Leben begleichen konnte. Das hätte sie ihr mitgeteilt, nur mit einem einzigen, letzten Blick, mit dem sie ihrer Stieftochter ein Leben lang Alpträume beschert hätte. Regina spürte das harte Holz des Balkens an ihrem Rücken und die Ketten um ihre Handgelenke. Sie spürte die unzähligen Blicke der Anwesenden, die auf ihr ruhten. Sollten sie nur glotzen, diese Narren. Sie hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Das einzige, worauf sie nun alle warteten, war Charmings Befehl, sie zu töten. Mit vier Bogenschützen. Einer hätte sicher gereicht, jetzt, wo sie sowieso keine Magie anwenden konnte. Aber natürlich mussten Snow White und ihr Geliebter übertreiben und allen zeigen, dass sie die böse Königin besiegt hatten. Regina hätte beinah hämisch gelacht, aber sie unterdrückte es. Das hatte ihr Vater nicht verdient. Für ihn tat es ihr wirklich leid, sie wusste, dass sie ihn enttäuscht hatte. Seine Hoffnung hatte darin gelegen, dass sie Reue zeigen würde, Reue für ihre Taten. Vielleicht hätte es sie retten können – aber sie wollte keinem die Genugtuung geben, dass sie ihre „Fehler" einsah. Regina horchte auf, als plötzlich ein erstauntes Raunen durch die Menge ging. Was war passiert? Sie hörte, wie manche ungeduldig mit den Füßen zu scharren begannen, wie ängstliche und verwirrte Worte geflüstert wurden und wie weiter entfernt ein paar Wachen mit klimpernden Rüstungen angelaufen kamen. Wenn sie doch nur sehen könnte, was vor sich ging! „Ich störe ja nur ungern diesen kleinen Anlass, aber ich fürchte Ihr habt etwas, das mit gehört. Nun ja, mehr oder weniger." Sie kannte diese Stimme. Regina war verwirrt. Was machte er hier? Oder täuschten sich ihrer Ohren etwa und die Person, die eben aufgetaucht zu sein schien, war nicht die, für die sie sie hielt? Sie hörte, wie der Prinz sich von seinem Stuhl erhob und sein Schwert zog. „Wer seid Ihr?", fragte er, die Stimme bedrohlich gesenkt. Wenn sich der Neuankömmling nicht vorsah, würde er schneller als nächstes Todesopfer enden, als es ihm lieb war. „Oh, verzeiht, ich hatte ganz vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Jefferson." Reginas Mundwinkel zuckten. Sie hatte sich also doch nicht getäuscht. Die Frage war, was genau der Hutmacher hier tat. Warum war er hier? „Und was wollt Ihr? Das ist ein recht ungünstiger Zeitpunkt, um aufzutauchen.", sprach Charming. Das Misstrauen war deutlich aus seiner Stimme heraus zu hören. „Wie gesagt, ich hole nur etwas . . . oder jemanden." Regina hatte eine gewisse Ahnung, dass das verschlagene Grinsen in Jeffersons Gesicht stand, das sie so gut kannte. Ihr für einige Zeit verschwundener Liebhaber war also wieder aufgetaucht und hier, um sie zu retten. Wie niedlich – und dazu überaus klischeehaft. Snow White war die Erste, die den Grund für Jeffersons Erscheinen erkannte. „Er will sie befreien!", rief sie aus. Im gleichen Moment zerschellte irgendetwas an dem Pfosten, an dem man Regina festgekettet hatte. Sie hörte, wie die Scherben klirrend zu Boden fielen und irgendetwas auf ihre Hände tropfte. Um sie herum brach Tumult aus, während es in ihren Händen leicht zu prickeln begann. Ihre Magie war wieder da. Regina reagierte sofort und sprengte ihre Fesseln, die rasselnd zu den Scherben auf den Boden fielen. Dann riss sie sich die Augenbinde ab und hob die Hände, um die Pfeile der Bogenschützen, die auf sie geschossen hatten, vor sich zu Staub zerfallen zu lassen. Sie nahm aus den Augenwinkel war, wie Jefferson angerannt kam und hinter sie trat. „Jetzt liegt es an Euch Majestät. Bring uns hier raus!" Er griff nach ihrem Arm. Regina warf einen letzten Blick hinüber zu Snow White, die wie erstarrt da stand. Jetzt hatte sie doch noch die Möglichkeit, ihre Rachepläne weiter auszuführen. Mit einer weiteren Handbewegung ließ sie Charming durch die Luft fliegen, der versucht hatte, sich ihr zu nähern. Dann vollführte sie eine letzte, winzige Bewegung mit ihren Fingerspitzen und sie und der Hutmacher lösten sich in violettem Rauch auf. 

OneshotsWhere stories live. Discover now