Flintwood

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Die Gedanken drehten sich einem Karussell mit blinkenden Lichtern und lauten Geräuschen gleich immer und immer wieder im Kreis. Ein Stehenbleiben, eine Pause, ein Stopp war einfach nicht möglich. Es ging rundherum, Runde für Runde, Stunde für Stunde und Tag für Tag. Es schien keinen Ausweg zu geben, so als würde sich alles in einem Strudel befinden, in einem Kreislauf, der die Unendlichkeit zu füllen vermochte. Marcus hatte das Gefühl, davon vollständig wahnsinnig zu werden. Wood war einfach überall. Wenn er Morgens die Augen aufschlug, in der großen Halle beim Essen saß, zum Unterricht, Quidditchtraining oder nach Hogsmeade ging, wenn er am Abend einzuschlafen versuchte und vor allem in seinen Träumen – seine Gedanken, seine Handlungen, alles drehte sich nur noch um den Gryffindor. Marcus war gar nicht mehr in der Lage, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Es machte ihm schlechte Laune, wie schon so oft seit dem vergangenen Schuljahr. Seine Freunde hatten das Wohl bemerkt und hielten sich – nach einer furchtbaren Schimpftirade seinerseits – nun seit einigen Tagen von ihm fern. Es war ihm nur recht so, obwohl das Alleinsein ihm nur noch mehr Zeit verschaffte, an Wood zu denken und zu denken und zu denken. Marcus spukte verächtlich aus, was ihm ein paar befremdete Blicke von vorbei eilenden Schülern einbrachte. Wie eine Krankheit, so kam es ihm vor, denn das war das, was man ihm von Kindheitsbeginn an beigebracht hatte. Fürsorge, Vertrauenswürdigkeit, Zärtlichkeit – all sowas waren Anzeichen dafür, dass etwas aus dem Ruder lief. Dieser Drag in ihm, Wood ständig aufzusuchen, mit ihm zu reden, ihn zu berühren ... all das war nicht richtig. Er verschwendete seine kostbare Zeit mit sinnlosen Schwärmereien und Gedanken, ohne sie jemals auch nur ansatzweise stoppen zu können. Sein Herz pochte, seine Lungen wollten keine Luft mehr atmen, wenn der Gryffindor in der Nähe war. Jeden verdammten Tag aufs Neue. Marcus war eine Last auferlegt worden, mit der er nicht umgehen konnte. Alles änderte sich. Und das machte ihm Angst. Sonst war da immer nur Enttäuschung in ihm gewesen und aus dieser war Wut entbrannt, immer so viel Wut, die sich in Aggression ausdrückte. Und nun? Jetzt war da etwas anderes, so stark und so präsent, dass ihm schlecht davon wurde. So etwas wie Liebe gab es für ihn nicht, hatte noch nie in seinem Leben existiert. Doch auf einmal war es da, und alles, was er dagegen unternommen hatte, war gescheitert. Marcus hatte keine Kraft mehr, um sich noch länger gegen das zu werden, was da in ihm gewachsen war. Er wünschte, er könnte sich diesen Gefühlen entledigen und er hasste sich selbst dafür, dass er es nicht schaffte. Und wieder war Wood da, in seinem Kopf und versprach ihm mit verheißungsvoller Stimme, dass er ihm helfen könne. Augenblicklich sah Marcus auf, fand aber nur einen sich leerenden Flur vor sich, an dessen kalter Steinwand er gelehnt stand. Es war zum Alltag geworden, dass er in Tagträume versank, wie ein verdammtes Mädchen, dass kichernd jedes Detail mit den anderen kichernden Mädels bequatschen musste. Was war nur aus ihm geworden, einem ehrbaren Slytherin? Ein Schwächling, der sich dem Erzfeind vor die Füße werfen würde, wenn dieser darum bat. Fuck. Fuck. Fuck. Gereizt stieß er sich von der Wand ab und marschierte davon, weg, bloß weg aus diesem Flur, indem er letzte Woche in Wood gerannt war und seitdem wieder und wieder aufgesucht hatte. Fort von all diesen Erinnerungen versuchte er zu gehen, wie ein Flüchtiger vor der Vergangenheit, aber auch wie ein Süchtiger, der wusste, dass er wiederkehren würde. Marcus eilte, rannte fast, stürmte trotz dass er bald Unterricht hatte in den grün und silber gestalteten Gemeinschaftsraum der Slytherins und knallte schlussendlich die Tür seines Zimmers hinter sich zu. Sein Herz schlug so heftig, dass er Sorge hatte, dass er es sich bald mit bloßen Händen aus der Brust reißen könne. Mit zitternden Knien durchschritt er sein Zimmer, suchte mit verklärtem Blick wie in einem Fieberwahn nach irgendetwas unbestimmten. Eine Krankheit. Ja. Wood hatte etwas mit ihm gemacht, ihn verändert und das ohne groß irgendetwas dazu getan zu haben. Und wieder zog er seine Kreise, setzte sich noch fester in seinen Gedanken fest und brachte alles durcheinander. Auch Marcus Finger zitterten, als er nach einem Glas griff, dass auf dem Nachttisch seines Zimmergenossen stand. Als er es anhob und das verbliebene Wasser sich darin bewegte, glaubte er für den Bruchteil einiger Sekunden, dort überraschend sanftmütige braune Augen zu sehen, die ihn direkt anblickten. Und in dem einen, flüchtigen Moment an der Schwelle eines Zwiespaltes gestand sich Marcus Flint endlich ein, was er schon lange gewusst und gefürchtet hatte. Er verstand, was mit ihm geschehen war. Scharfe Glassplitter schnitten in seine tauben Handflächen, das Brennen und das warme Blut, dass darauf hin auf den Boden tropfte, nahm er gar nicht war. Er sah ihn ganz klar vor sich, Wood, Oliver, wie eine Fata Morgana die einem dem Tode nahen Mann in der Wüste erscheint. Als ihm die Beine versagten und er auf den Boden sank, nahm er noch war, wie sein Rivale nach ihm griff, starke Arme die seinen schweren Körper zu halten versuchten und es nicht zu tun vermochten, da sie nur eine Illusion seines verdammten, dummen, verliebten Verstandes waren. Marcus blinzelte, während die Welt vor seinen Augen verschwamm und es auf einmal ganz still wurde. „For fucks sake", murmelte er so leise und so kraftlos, dass er sich nicht einmal mehr sicher war, dass er es wirklich sagte und nicht nur dachte, „geh endlich raus aus meinem Kopf Wood." Dann wurde er ohnmächtig. 

OneshotsWhere stories live. Discover now