Wiederaufbau mit Farben und Erkennen (Teil Zwei)

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Runa machte einen Schritt vorwärts und wäre fast gestolpert, weil irgendetwas oder irgendjemand vor ihren Beinen stand und die Hände in den Stoff ihres Wickelrockes krallte. Überrascht blinzelte das Thekenmädchen auf einen Kopf blonder Löckchen hinab. Woher war denn das Kind plötzlich gekommen?

Runa schaute auf und blickte sich um. Ilja stand in der Tür und lächelte sie auf diese bestimmte Weise an. Sein Eckzahn blitzte hervor und Runas Knie wurden weich. „Wer ist die Kleine?", gestikulierte sie und er ruckte nur den Kopf nach draußen, wo Kaleo stand und mit einer zierlichen Frau mit rotbraunem Haar in einem meerblauen Schürzenkleid pfiff. Sie schienen tief in ein Gepfeife verwickelt zu sein. Die Frau lächelte kurz, bevor sie etwas zurückpfiff, das Runa nicht verstand. Das war ja schön und gut, erklärte aber nicht, weshalb ein kleines Kind vor ihr stand, das nun den Stoff ihres Rockes streichelte und immer wieder daran zupfte. Seufzend ging sie in die Knie und hielt ihre Hände vor das Gesicht der Kleinen. Der Stoff glitt dabei aus den Kinderfingern. Große blaue Augen sahen sie aus einem pausbackigen Gesicht an, ohne sie zu fokussieren. Ein Nagra-Kind. Runa lächelte und senkte die Hand, um an die Schulter des Mädchens zu klopfen: „Hallo, wer bist denn du?"

Die Unterlippe des Mädchens begann zu zittern und die Augen wurden glasig, bis Tränen über die Wangen flossen. Panik stieg in Runa auf. Warum weinte die Kleine jetzt? Was hatte sie falsch gemacht?

Da das Mädchen auf den Boden plumpste und mit geschlossenen Augen auf diesen einschlug, setzte sich Runa hin und berührte erneut sanft die Schulter. „Weine nicht. Warum weinst du?" Das Thekenmädchen überlegte kurz, was sie falsch gemacht haben könnte und strich sich geistesabwesend über den Rock. Den Rock, den sie den Fingern des Nagra-Mädchens entzog, als sie sich hingehockt hatte. „Willst du weiter meinen Rock anfassen? Hat dir das gefallen?"

Das Mädchen hörte auf zu weinen und schniefte. Bevor Runa ihr allerdings einen Zipfel anbieten konnte, stürmten zwei Amóda herein, die von Kopf bis Fuß in die bunten Gewänder dieses Volkes gewandet waren. Der rechte von beiden hielt eine Kezrato, ein gebogenes Horn, seitlich von seinem Mund und blies hinein. Ein tiefer, inbrünstiger Ton erschütterte die leere Kneipe und alle sahen zu dem hoch aufgewachsenen Mann- Runa nahm aufgrund der breiten Schultern an, dass es ein Mann war – ganz in Grüntöne gehüllt. Die Frau mit dem rotbraunen Haaren, eine Niomfe erkannte Runa, weil sie ihre zugewachsenen Kiemen nicht versteckte, löste sich von Kaleo und trat an die Seite des anderen Amós, der sich einen violetten Schal über die Schulter warf und das blonde Mädchen, das aufgestanden war, mit einem Pfiff zu sich holte. Die Kleine watschelte zu ihm und gluckste dabei. Er kniete sich vor sie und zog ihr die Augenbinde über die Augen. Trug sie die schon die ganze Zeit um den Hals? Runa hatte es nicht bemerkt.

Er tippte etwas auf ihre Schulter und sie lachte. Der Amós, der die Kezrato geblasen hatte, senkte diese und starrte seine Gefährten böse an. Wenn auch das übrige Gesicht durch ein Tuch verhüllt war, stachen die dunklen Augen stark hervor. Er pfiff: „Ihr habt den großen Auftritt versaut, so machen wir keinen guten Eindruck."

Die Niomfe rollte die Augen. „Hättest du einfach angekündigt, wäre es kaum aufgefallen, dass all das ungeplant war. Nur das Balg hat es ruiniert", gestikulierte sie. Ilja, der sich von der Wand abgestoßen hatte und herangetreten war, schnappte nach Luft, aber die beiden achteten nicht auf ihn, sondern funkelten sich nur gegenseitig an. Runa kam sich mit einem Mal überflüssig vor, als würde sie die beiden bei etwas sehr Intimen beobachten.

Der Amós in den violetten Gewändern schlängelte sich zwischen den beiden durch, sie schienen es kaum wahrzunehmen, und verbeugte sich in einer dramatischen Geste vor ihr. „Wir sind ein Teil der ..." Er lachte, während er sich die Hand vors Gesicht hielt und wackelte anscheinend mit den Händen. Runa wusste nicht, was das bedeuten sollte, interpretierte es aber mal als Lachende Maskenhände. Vielleicht war das der Name der Schauspielertruppe. „Wir sind hier, um uns anzukündigen und unsere Hilfe anzubieten. Gegen Essen, Trinken und eine Möglichkeit, in dieser Straße eine Aufführung zu machen, versteht sich. Wir haben eine lange Reise hinter uns und dein Freund da hinten mit den schönen Haaren hat uns von der Kneipe vorgeschwärmt und gemeint, ihr wärt über jede Hilfe dankbar."

Der Klang der WorteWhere stories live. Discover now