Die Lachenden Maskenhände

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Es wurde still im Majestätsloch. Und dunkel, so dunkel bis nur mehr die behelfsmäßige Bühne von zwei großen Laternen, die die Nerai mit den zusammengebundenen Flügeln – Ayame- aufgebaut hatte, angestrahlt wurde. Jaron hatte seine Ankündigung nach Kanas Auftritt beendet, war hinter der Theke verschwunden und nun konnte die erwartungsvolle Stille fast greifen. Sie hielt den Atem an. Sie hatte die Lachenden Maskenhände bisher nur proben gesehen und selbst da nur Augenblicke, wenn sie zwischen dem Einräumen der Gläser und dem Aufstocken der Getränkeflaschen kurz Zeit zum Luftholen hatte. Die Schauspieler waren nicht schlecht, aber ob das auch ihre Gäste so sahen? Bisher war der Abend ein Erfolg gewesen, es wäre eine Schande, würde er in einem Reinfall enden.

Das Thekenmädchen krallte sich im Rock fest und nagte an ihrer Unterlippe. Nein, es wird alles gut. Sie wissen, was sie tun. Dem Publikum zu gefallen ist ihr täglich Brot, beruhigte sie sich selbst, doch es half nur wenig, die brodelnde Unruhe in sich zum Schweigen zu bringen. Runa zwang ihre Finger, sich zu entspannen und mit einem gezielten Ausatmen ließen ihre Zähne von der Unterlippe ab. Sie würde einfach die Menge nicht aus den Augen lassen, dann könnte sie eingreifen, sobald sich allgemeines Missfallen breitmachte.

Doch noch war davon nichts zu sehen und Runa überprüfte kurz, ob noch jeder der Gäste genug zum Trinken hatte. Während der Vorführung durfte sie nämlich nicht durch die Menge geistern oder hinter die Theke. Anweisung Jarons. Als er ihr das m ernster Miene gestikuliert hatte, hätte Runa ihm beinahe den Kopf abgerissen. Wer glaubte er, dass er war, ihr in ihrer eigenen Kneipe etwas zu verbieten? Aber nachdem Finola und Kaleo eingeschritten waren, um die Wogen zu glätten und die Angelegenheit ruhig durchzupfeifen, erkannte Runa, dass sie so oder so keinen Platz hätte, um Getränke herzurichten, wenn die Schauspieler auf ihren Auftritt warteten. Ganz zu schweigen, dass sie im Dunkel kaum sähe, wer von den Gästen etwas brauchte.

Da konnte Runa auch genauso gut sitzen bleiben, wo sie war- auf ihrem Platz an der Wand, zwischen Kaleo und Ilja. Wäre sie nicht so nervös, könnte sie die Wärme, die von beiden ausging und sie umhüllte, genießen, aber es hing zu viel von diesem Abend ab, als dass sie sich fallen lassen könnte. Später vielleicht, wenn alles vorbei war. Ilja lächelte ihr zu, sie spürte es mehr als sie es sah und verschränkte ihre Finger miteinander.

Kaleo klopfte: „Es beginnt." Ein so warmer, verständnisvoller Blick begleitete das Klopfen, dass Runas Herz flatterte. Sie hatte ihre Realisierung nicht vergessen, bei Fyhg, sie konnte sie kaum ignorieren, dennoch konzentrierte sie sich auf alles außer den Musiker neben ihr und den Worten Ich bin verliebt in Kaleo UND Ilja, die in ihrem Kopf Karussell fuhren.

Zum Glück lieferten Die Lachenden Maskenhände willkommene Ablenkung. Runa wandte ihre Aufmerksamkeit auf den leergeräumten, hell erleuchteten Platz. Ein Trommelschlag. Die Lichter gingen aus. Noch ein Trommelschlag. Die linke Laterne flackerte wieder an, tauchte zwei Gestalten in gespenstisches Licht, das lange Schatten warf. Der Schatten der ersten Gestalt, vollständig von weißen Tüchern verhüllt, bedeckte den Körper der zweiten, die in Orange gekleidet war. Sie standen goldlöckchenstill und rührten sich nicht. Noch ein Trommelschlag. Das linke Licht ging aus, dafür das rechte an. Es strahlte Jaron in seiner Mischung aus amódischen Tracht und rhuyasetzischen Abendgarderobe- Zylinder, Frack- an. Anstatt, wie die orange Figur von den Schatten verschluckt zu werden, schien er sie zu beherrschen, obwohl er nur dastand und die beiden Gestalten im Dunkeln anschaute. Aber irgendwie schaffte der Amós es, so zu stehen, dass das Licht ihn vollständig erhellte. Er hob nur ganz leicht das Kinn, der einzelne Trommelschlag wuchs zu einem stetigen Grollen an, das beinahe wie Gewitter klang.

Kontrollierten sie nun auch noch das Wetter oder wie machten sie das? Runas Augen huschten umher, auf der Suche nach der Quelle des Geräuschs, konnte aber nichts finden. Da brach das Donnergrollen abrupt ab und die Bühne erstrahlte im Licht beider Laternen. Jaron bewegte sich auf die zwei verhüllten Gestalten zu. Es war wirklich faszinierend, wie sehr sich sein Gang verändert hatte und was das für einen Unterschied machte. Plötzlich schritt da nicht mehr Jaron, leicht unsympathischer, herablassender Amós in kurzen abgehakten Bewegungen über die Bühne, sondern jemand anderer, den Runa noch nicht kannte. Beinahe wirkte es, als würde dieser Unbekannte von unsichtbaren Fäden, die ruckartig an ihm zogen, geführt. Was hatte es wohl damit auf sich?

Der Klang der WorteWhere stories live. Discover now