*33* Schock

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Hier stehen wir also, mitten in einem riesigen Trümmerhaufen. Zweieinhalb Stunden haben wir nach noch brauchbaren Dingen gesucht. Vergeblich.

Resigniert fährt sich Clayden durch die Haare. Er tut mir unfassbar leid. Auch wenn ich das Gefühl nicht kennen kann, dass der verspürt, da ich seit meinem vierzehnten Lebensjahr Nomadin bin, weiß ich, wie es sich anfühlt. Ich spüre seine Verzweiflung, Trauer und Wut. Unfassbar große Wut.

»Ich werde diese Bastarde umbringen! Ich werde ihnen die Eingeweide ausreißen und an die anderen, die ich noch nicht getötet habe verfüttern! Ich werde sie alle im Wald erhängen, alle bis auf den Alpha! Er wird dabei zusehen und sein ganzes Rudel sterben sehen! Dann werde ich ihn bei lebendigem Leib begraben und wenn er tot ist seinen Kopf als Trophäe an meine Wand hängen! Ich werde... «

»Halt verdammt nochmal deine Klappe Cole! Du hast sie doch nicht mehr alle!«

Fährt Clayden ihm über den Mund und stößt ihn heftig weg, woraufhin Cole das Gleichgewicht verliert und auf dem Boden landet.

Mit gesenktem Kopf bleibt Cole sitzen und auch die Zwillinge neigen ihren Kopf, um sich zu unterwerfen.

Blind vor Wut greift Clayden nach den Trümmern und schmeißt sie schreiend von sich. Er hat die Kontrolle verloren.

Immer größere Brocken fliegen durch die Gegend, immer lauter werden die Schreie. Ich könnte wahrscheinlich eingreifen aber ich kann mich nicht bewegen. Es ist besser wenn er seine Gefühle rauslässt als sie in sich hineinzufressen.

Ein stechendes Gefühl durchzuckt meine linke  Hand. Ich sehe zu Clayden. Seine linke Hand blutet.

Instinktiv gehe ich auf ihn zu und berühre ihn sachte am Arm. Hektisch dreht er sich um und springt dann einen Schritt zurück.

»Fass mich jetzt nicht an!«

Schreit er, seine Augen funkeln vor Wut und sein Brustkorb hebt und senkt sich rasend schnell.

Ein paar Sekunden sieht er mich einfach nur an, dann rennt er los, verwandelt sich und verschwindet im Wald.

Wie bestellt und nicht abgeholt stehe ich da und schaue ihm hinterher.

»Nimms nicht persönlich, er ist gerade nicht er selbst«

Meint Cole und legt mir aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Ich nicke und schlucke einmal hart. Cole hat ja recht. Niemand ist perfekt und wenn Clayden so mit seiner Verzweiflung umgeht dann kann ich daran nichts ändern.

»Komm, wir fahren zurück zum Landhaus, da kannst du dann auf Clayden warten«

Sagt Cole und schiebt mich sanft Richtung Auto.

Während der Fahrt herrscht betretenes Schweigen. Die Zwillinge und Cole denken wahrscheinlich an den alten Rudelsitz und ich denke an Clayden. Er geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Nach der Ankunft beim Landhaus mache ich mich sofort auf den Weg zu Dr. Clifford, da Clayden sowieso noch nicht hier zu sein scheint.

Ich klopfe kurz an und warte auf das freundliche  »Herein!«, dann mache ich die Tür auf und gehe hinein.

Dr. Clifford lächelt erfreut als er mich sieht und gibt mir höflich die Hand.

»Hallo Jesse, schön dich zu sehen! Na, was macht der Arm?«

»Hallo Dr. Clifford. Schmerzen habe ich keine, wie es unter dem Verband aussieht weiß ich nicht.«

»Das ist doch schonmal gut, aber du sollst mich doch Dave nennen.«

»Okay, sorry Dave«

Grinse ich und setze mich auf die Liege. Dave holt eine Nierenschale mit frischem Verbandszeug und beginnt dann den alten Verband abzuwickeln. Die Mullkompressen darunter sind schon etwas durchgenässt, aber nicht sonderlich blutig.

»Das sieht doch auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus«

Meint Dave mit einem zufriedenen Lächeln, woraufhin ich ihn entgeistert anstarre.

»Was ist? Komm schon, du bist doch ein  starkes Mädchen, du kannst so etwas aushalten.«

»Ernsthaft Dave? Du spielst die "kleines Prinzesschen muss stark sein"-Karte?«

Frage ich grinsend und ziehe eine Augenbraue nach oben.

»Also bezeichnest du dich selbst als Prinzesschen? Interessant, ich hatte dich anders eingeschätzt«

Erwidert Dave lächelnd während er sich daran macht die Wunde zu säubern.

»Ach ja? Wie denn?«

»Puhh, schwer zu sagen. Spontan würde ich behaupten, du bist ein sehr taffes Mädchen und wirkst auf den ersten Blick etwas verschlossen, wenn man dich ein bisschen besser kennenlernt denke ich, dass mehr in dir steckt. Viel mehr kann ich dazu auch nicht sagen, ich kenne dich ja selber kaum.«

Sagt er, völlig in seine Arbeit versunken. Seine Worte bringen mich dazu nachzudenken. Diese Art, die er da beschrieben hat, ist genau so, wie ich auf die Leute wirken wollte. Taff und verschlossen. Aber will ich das immernoch?

Fakt ist, ich weiß es nicht. Ohne es zu merken und ohne dass ich etwas dagegen tun konnte ist mir das ganze hier ans Herz gewachsen. Das Leben in einem Rudel, Cole, Tine und natürlich Clayden.

Ich verstehe nicht was er mit mir macht und wie er es macht, das mich alle Zweifel vergessen lässt. Anfangs hat mir das Angst gemacht, aber ich habe mich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass ich es schon fast genieße.

Ich habe zwar keine Ahnung, wie das ganze noch Enden wird, aber ich bin mir sicher, dass, was auch immer da ist, mich noch eine Weile beschäftigen wird.

»Jesse! Hallo?«

Dave wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum.

»Hm? Oh sorry, war in Gedanken«

Murmele ich entschuldigend und betrachte den frischen Verband.

»Kein Problem. So, das wärs von meiner Seite aus, komm einfach morgen wieder vorbei.«

»Danke Dave. Bis morgen«

Sage ich, rutsche von der Liege und verlasse das Krankenzimmer.

Und jetzt? Clayden scheint noch nicht wieder da zu sein, also entscheide ich mich dazu, Tine ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Auf dem Weg in die Küche muss ich durch die Eingangshalle, dort herrscht reger Betrieb. In der Stadt gab es anscheinend einen Unfall, woraufhin eine WG von Werwölfen zum Rudel zurückmusste und diese stehen jetzt mit ihrem Gepäck in der Halle herum und unterhalten sich mit Cole.

Ich werfe einen kurzen Blick auf die Gruppe und erstarre. Ich schaue geradewegs in Kyle's dunkelbraune Augen, die mich prüfend mustern, ein dreckiges und gefährliches Grinsen liegt auf seinen Lippen, das mich erschaudern lässt.

Mich trifft es wie einen Schlag ins Gesicht. Er wird hier einziehen. Derjenige, der mich vergewaltigen wollte. Übelkeit kommt in mir hoch und in High speed renne ich auf die Toilette um mich zu übergeben.

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I'm back bitches! Jap, ich hab es auch mal wieder geschafft ein Kapitel fertig zu schreiben...
Sorry für die langen Wartezeiten, ich kann aber nicht dafür garantieren, dass sie sich ändern werden 😬

Btw DANKEEEEEE für über 13k reads omg what's going on here???

Söööö jetzt hab ich keinen Plan mehr was ich noch schreiben soll also wünsch ich euch noch eine schöne Restwoche und hauts rein Leudis

Peace out, Neli :)

One and a half wolves [1]Where stories live. Discover now