*12* Aufbruch bei Nacht

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Jesley's P.o.V:

Clayden starrt mich an wie ein Alian, während ich mir eilig diese beschissenen Tränen aus dem Gesicht wische.

»...wie... Halbwolf?«

Stammelt er verwirrt ohne mich loszulassen.

»Ja, halb Mensch halb Werwolf, komm klar damit!«

Motze ich ihn an und drehe mich weg doch er hält mich immernoch fest.

»Jetzt warte! Also du bist ein... Halbwolf.«

»Wow, du hast Ohren! Und du kannst sogar mit ihnen hören was ich sage!«

Murmele ich sarkastisch und vermeide es ihm in die Augen zu sehen.

»Kannst du das vielleicht ein bisschen genauer erklären?«

Mit einem genervten Seufzen gebe ich mich geschlagen.

»Mein Vater ist ein Werwolf, meine Mutter war ein Mensch, sie ist bei meiner Geburt gestorben. Ich habe sowohl menschliche Gene von meiner Mutter als auch Werwolfsgene von meinem Vater. Ich kann mich zwar verwandeln aber das dauert bei mir etwas länger als bei Vollblütern. Ich habe auch keine innere Wölfin mit der ich über solche Kotzbrocken wie euch lästern könnte, deshalb brauche ich auch nicht so viel Auslauf. Ansonsten habe ich nur die halbe Werwolfskraft und auch mein Seh-, Hör- und Geruchssinn sind nicht ganz so gut wie bei euch aber immerhin stärker als bei Menschen. Reicht euch das?«

»Ja« »Nein«

Kommt es gleichzeitig von Cole und Clayden, dann sehen sich die beiden verwirrt an.

»Na wenn sie sowieso nicht so stark ist können wir sie ja auch wieder gehen lassen, sie kann nicht mit den Wölfen aus dem Rudel mithalten.«

Sagt Cole und grinst. Meine Augen verengen sich zu schlitzen, das ist einer der Gründe warum ich es normalerweise niemandem erzähle.

Ich werde nicht ernst genommen. Die meisten sehen dann nur noch die menschliche Hälfte in mir, vergessen dass ich die selben Instinkte habe wie sie, nur eben nicht so stark.

»Pff, trotzdem hat sie es geschafft Kyle Krankenhausreif zu prügeln. Sie ist zwar nicht so stark wie wir aber hat dafür eine viel bessere Technik und das macht sie dennoch gefährlich.«

Kurz schaut Clayden Cole eindringlich an, wahrscheinlich reden sie gerade wieder per Mind-Link, dann willigt Cole ein.

»Wenn du meinst.«

Endlich lässt Clayden mich los und ich kann ein Stück zurückweichen. Ihm so Nah zu sein ist nicht gut, ich spüre die Mate Verbindung immer mehr und kann nur hoffen dass er mich bald wieder gehen lässt damit ich endlich von hier abhauen kann.

Da keiner mehr ein Wort sagt und die beiden mich wie bekloppt anstarren drehe ich mich einfach um und gehe zum Haus zurück, glücklicherweise folgt mir niemand. Dachte ich zumindest.

An der Haustür steht plötzlich Clayden wieder neben mir und stellt sich vor die Tür, sodass ich gezwungen bin stehen zu bleiben.

»Maaaaaan, ich hab doch schon alles gesagt, was ist denn noch?«

Jammere ich nun wirklich genervt und er verschränkt die Arme.

»Warum machst du so ein riesiges Geheimnis daraus dass du ein... Halbwolf bist?«

Prüfend hebe ich eine Augenbraue. Ist diese Frage ernst gemeint? Anscheinend ja, jegliche Freundlichkeit ist aus seinem Gesicht gewichen, falls sie jemals dort existiert hat.

»Kannst du dich noch an die Frage mit den schwachen Kämpfern erinnern? Deswegen. Ich bin nicht so stark wie ihr, im Gegenteil. Warum sollte ich also in die Welt schreien: Hey, ich bin ein Halbwolf, ich bin Schwach!? Ich kann manchmal etwas... Ungemütlich werden und deshalb darf niemand wissen dass ich schwach bin. Das würde mich irgendwann das Leben kosten. Und Mal ehrlich, hättest du Lust die ganze Zeit zu hören ey, das ist die Kleine die nichtmal ein richtiger Wolf ist! Mich würde niemand mehr ernst nehmen, wie zum Beispiel Cole. Hast ja seine Reaktion bemerkt.«

Verständnisvoll nickt er und ich schüttle kurz den Kopf.

»Aber wieso erzähle ich dir das eigentlich, das geht dich schlichtweg nichts an«

Ich versuche mich an ihm vorbei zu drängeln, was so semi gut klappt. Als meine Hand seine im Vorbeigehen streift fängt es an zu Kribbeln und erschrocken zucke ich zurück.

Er scheint das Gleiche gespürt zu haben und schaut mir perplex in die Augen.

»Wie sieht es eigentlich mit deinem Mate aus? Kannst du ihn spüren?«

Fragt er plötzlich monoton ohne den Blick von mir zu nehmen. Meine Augen kleben gebannt an seinen, ich kann mich einfach nicht losreißen.

»Da ist nichts. Keine innere Wölfin, kein Mate. Dafür bin ich wahrscheinlich zu menschlich.«

Lüge ich hastig und renne die Treppe hoch, in mein Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu, dann atme ich aus. Das war knapp.

Zwei Sekunden später lasse ich mich auf mein Bett fallen, beiße mich an meinem Kissen fest und Schreie in den weichen Stoff hinein. Dann drehe ich mich wieder um und setze mich auf. Das kann so nicht weitergehen.

Ich bin ihm zu nah, viel zu nah und ich muss hier weg bevor er was ahnt. Hastig beginne ich mein Zeug in den Koffer zu werfen, höre aber sofort wieder damit auf.

Es macht keinen Sinn mein Zeug mitzunehmen, erstens wäre ich damit zu langsam, zweitens zu auffällig und drittens macht es nichts wenn sie es benutzen würden um mich zu finden, da ich wenn ich meine Wolfsgestalt annehme sowieso nur noch nach Wolf rieche und mein menschlicher Geruch vollständig verdrängt wird.

Ich packe lediglich mein Handy, ein Ladekabel, etwas Geld und meinen Ausweis ein, dann noch einen dicken Pulli und etwas zu trinken.

Ungeduldig warte ich bis es dunkel wird, ich habe extra viel zu Abend gegessen um eine Weile ohne Essen auszukommen.

Dann ist es endlich soweit. Es ist bereits dunkel und Cole und Clayden sind vor etwa einer Stunde in ihren Zimmern verschwunden.

Sicherheitshalber steige ich aus dem Fenster und springe aus dem ersten Stock ins weiche Gras, Dank meiner Wolfshälfte passiert mir nichts.

Die ersten paar hundert Meter Verdecke ich komplett meinen Geruch, auch den Menschlichen, was mich echt viel Kraft kostet.

Dann ziehe ich mich hinter einem Felsen aus, damit meine Klamotten nicht reißen und verwandle mich.

Wie sooft verfluche ich mein weißes Fell, das in der Dunkelheit so unauffällig ist wie ein rosa Glitzer Einhorn in der Hölle.

Den Rucksack klemme ich mir zwischen die Zähne und dann beginne ich auch schon zu rennen. Ich weiß zwar nicht genau wohin aber mein erster Gedanke dem ich folge lautet: Weg von hier.

One and a half wolves [1]Where stories live. Discover now