*34* Klippenwölfe

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Stöhnend wische ich mir mit etwas Klopapier die Kotze weg. Meine Hände zittern und nachdem ich gespült und einen Blick in den Spiegel geworfen habe, sehe ich, dass ich Käsebleich bin.

Das kann doch nicht wahr sein. Als ob mein Leben nicht schon verkorkst genug wäre. Tja, ein zertrümmerter Rudelsitz, ein Vater im Knast und eine feindliche Wölfin, die aus mir unklaren Gründen aggressiv mir gegenüber und auch noch die Schwester meines Mates ist sind wohl nicht genug. Nein, es muss auch noch mein beinahe-Vergewaltiger in das Haus einziehen, in dem ich wohne.

Die Tür schwingt auf und ich drehe mich so ruckartig um, dass ich mit dem Kopf gegen die Wand knalle.

Das Mädchen das hereinkommt schaut mich belustigt und etwas Mitleidig an. Sie kommt mir irgendwie bekannt vor.

»Hast du dir was getan? Hab ich dich so sehr erschreckt, Jesse?«

Fragt sie grinsend und schließt die Tür.

»Nee, alles gut... Ähm...?«

»Em. Ich habe dir den Weg zu Raum 047 gezeigt, weißt du noch?«

»Achso, ja stimmt, sorry. Hab dich nur nicht gleich zuordnen können.«

»Kein Problem, ich habe eben ein Allerweltsgesicht.«

Lächelt Em und richtet sich Mithilfe des Spiegels ihre Haare.

»Ich wusste gar nicht, dass du hier wohnst. Nach der Tragödie mit dem Rudelsitz habe ich dich bei keiner Versammlung gesehen und deshalb gedacht, dass du Rudel gewechselt hast, wegen der Umstände. Und ganz ehrlich, als Neuzugang hätte ich dir das nichtmal verübeln können. Ist doch scheiße, in ein Rudel zu kommen in dem ein paar Tage später alles drunter und drüber geht, oder?«

»Naja, ich kriege noch nicht so viel von dem Versammlungs Dings und so mit. Ich bin ja wie gesagt noch neu, aber irgendwie hänge ich zu tief in der Materie um Rudel zu wechseln.«

Em wirft mir einen fragenden Blick zu.

»Ist kompliziert«

Winke ich ab und widme mich ebenfalls dem Spiegel.

»Seit wann bist du eigentlich hier? Ich habe dich bis jetzt hier noch nicht gesehen«

Frage ich beiläufig.

»Ich bin nur heute hier, hab den Jungs beim Gepäck tragen geholfen, die wegen dem Vorfall in der Stadt jetzt hier einziehen. Ich habe eine kleine Wohnung in der Stadt und wohne jetzt eben dort.«

Verstehend nicke ich.

»Ich hab da mal eine Frage an dich, aber wenn du sie nicht beantworten willst musst du nicht okay?«

Sagt Em vorsichtig und spielt nervös mit ihren Fingern herum.

»Kein Problem, schieß los«

»Im Rudel gehen Gerüchte um, weswegen du hier bist. Einige sagen, dass du eine Gefangene Klippen Wölfin bist, die die Gemeinschaft der Klippenwölfe verlassen hat und jetzt auf Probezeit hier ist. Andere sagen, dass du etwas mit dem neuen Gefangenen zu tun hast, der aus unerklärlichen Gründen in unserem Hochsicherheitsknast sitzt. Und ein paar vermuten, dass du die Mate vom Beta bist, weil du so oft bei ihm und dem Alpha rumhängst.«

Kurz schweige ich. Mir war von Anfang an klar, dass meine Anwesenheit im Rudel auffallen würde.

»Und welchem der Gerüchte glaubst du?«

»Stimmt denn eines davon?«

Fragt mich Em zurück. Mist, das Mädel hat Köpfchen. Eins zu Null für sie.

Stumm zucke ich mit den Schultern. Em zieht lächelnd eine Augenbraue hoch.

»Sehr aussagekräftig«

Etwas verunsichert lächle ich zurück.

»Ist schon okay Jesse, ich hab ja gesagt es ist völlig okay wenn du nicht antworten willst.«

»Danke Em. Ich habe aber auch eine Frage an dich. Wer sind die Klippen Wölfe?«

Em's Gesicht wird ernst und sie lehnt sich gegen die Wand, ich tue es ihr gleich.

»Die Klippen Wölfe sind eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft aus verstoßenen Wölfen. Der Ursprung von ihnen geht so weit zurück, wie kein anderes Rudel in der Gegend. Früher war es Tradition, dass alle Wölfe, die im Rudel etwas verbrochen hatten, zu Klippenwölfen ernannt wurden. Es war eine Schande ein Klippen Wolf zu sein, die Höchststrafe. Aber wie alles andere haben natürlich auch sie sich weiterentwickelt. Heute ist es so, dass manche Wölfe sich mit ihnen verbunden fühlen und deswegen freiwillig zu den Klippenwölfen gehen. Der Name entstammt dem Rudelsitz und dem Wohnort von ihnen, sie leben auf und in den Klippen. Also mir wäre das viel zu gefährlich, stell dir mal vor du rutscht aus und stürzt da runter!«

Beendet Em ihren Vortrag und ich muss lächeln. Trotzdem macht die Geschichte mich nachdenklich. Fühlt sich Mary etwa auch mit den Wölfen verbunden?

»Und warum haben die Klippenwölfe uns angegriffen?«

»Weil früher ja die Wölfe aus den höher Angesehenen Rudeln zu den Klippenwölfen verbannt worden sind ist irgendwann bei ihnen ein großer Hass gegen alle anderen Rudel entstanden. Ist ziemlich kompliziert aber dieser Hass wurde eben weitergegeben und deshalb denke ich, dass es etwas damit zu tun hat. Genau weiß ich es aber nicht, Politik ist nicht so meins«

Erklärt sie weiter, ich nicke.

»Danke Em, auch dass du dir die Zeit genommen hast.«

»Kein Problem, ich helfe doch gerne.«

Plötzlich wird die Tür aufgerissen, erschrocken zucken wir zusammen. Cole kommt mit hochroter Birne hereingestürmt.

»Cole spinnst du?!? Das ist das Mädchen Klo!!!«

Motze ich ihn an, dich ihn interessiert das herzlich wenig.

»Jesse bitte ich brauch ganz dringend deine Hilfe!!!«

Fleht er und rüttelt an meinen Schultern.

»Ist ja gut, jetzt beruhig dich mal und raus hier, ich komm ja schon!«

Stammele ich verwirrt, was soll denn der Gefühlsausbruch jetzt?

»Ähm... Ich... Ich geh mal lieber mit ihm mit, sonst kriegt der hier noch einen Anfall... Also war schön dich mal wieder getroffen zu haben!«

Rufe ich Em noch zu, dann werde ich von Cole am Arm nach draußen gezogen.

Irgendwann bleibt er endlich stehen, dreht sich zu mir um und beginnt auf seinen Fingernägeln herum zu kauen.

»Sagst du mir vielleicht warum du so bist oder willst du lieber weiter deine Fingernägel auffressen?«

Frage ich abwartend und verschränke die Arme.

Cole schaut mich nervös an, nimmt dann aber doch seine Hände runter und spielt an seinen Fingern herum.

Verzweifelt holt er Luft, hält sie an... Und lässt sie wieder entweichen. Das wiederholt er nochmal und nochmal, dann stöhne ich genervt auf.

»Cole! Komm zum Punkt, oder ich werde...«

»Ich habe meine Mate gefunden!«

Rattert er piepsig und mit zusammengekniffenen Augen herunter.

One and a half wolves [1]Where stories live. Discover now