Kapitel 2

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Zum Glück scheint Felix eine recht lockere Person zu sein, da er die Situation nicht so merkwürdig findet wie ich und mir gleich eine Frage stellt: „Woher kennst du Erica denn?" „Wir haben uns bei einer Party kennengelernt, auf die ich kurz nachdem ich hierhergezogen bin, eingeladen wurde – sie war also eigentlich meine erste richtige Bezugsperson." „Du bist gar nicht von hier?" „Nein, ich komme aus Wien. Ich weiß nicht, ob du das kennst. Das ist in..." „Österreich!", unterbricht er mich überrascht. Hä? Ja, ich mag Wien auch, aber ich hätte jetzt nicht mit der Reaktion gerechnet, wenn ich einem Amerikaner von Wien erzähle. „Ich komme auch von dort", sagt er schnell, als er merkt, dass ich seine Reaktion ziemlich merkwürdig fand. „Echt? Das ist ja cool. Was machst du hier in Amerika?" „Ich wollte schon immer lernen, perfekt Englisch zu sprechen und außerdem wollte ich sehen, wie Ärzte in anderen Ländern der Welt arbeiten." „Original dasselbe sage ich auch immer, wenn ich gefragt werde, warum ich hier bin." „Wirklich? Bist du etwa auch Ärztin?" „Naja, ich wechsle Ärztearbeit durch Hebammenarbeit aus, aber die Intention ist dieselbe." „Hebamme – ein sehr schöner Beruf." „Ja, ich könnte mir nicht vorstellen, irgendwas anderes zu machen und hier zu arbeiten, ist auch wirklich toll, aber ich finde, zuhause ist es am schönsten." „Ja, ich vermisse Wien auch schön langsam richtig. Es könnte sein, dass ich bald wieder zurückziehe – mal schauen. Was sind deine Pläne?" „Ich hatte von Anfang an vor, nur ein Jahr hierzubleiben und dann wieder zurückzuziehen. Da ich schon 10 Monate hier bin, werde ich also in zwei Monaten wieder nach Wien gehen. Deshalb wollte ich die Party auch nicht verpassen, weil ich jede Sekunde genießen will." „Das kann ich gut verstehen. Die Zeit geht echt schnell vorbei hier in Amerika." „Oh ja – viel zu schnell."

Und viel zu schnell vorbei ging auch dieser Abend. Felix und ich haben uns nach einer Weile, als das Dach immer voller wurde, in eine ruhigere Ecke zurückgezogen und den ganzen Abend geredet, bis nur noch wenige Leute da waren und wir gemerkt haben, dass es an der Zeit ist zu gehen. Er hat darauf bestanden, mich zu meiner Wohnung zu begleiten, da er meinte, dass er sich wohler fühlen würde, wenn er wüsste, dass ich nicht alleine in der Dunkelheit nach Hause gehen würde. Ich hätte heute in der Früh nicht damit gerechnet, um Mitternacht mit einem Typen anzustoßen, den ich erst ein paar Stunden lang kenne, aber so spielt das Leben manchmal und ich muss sagen: Ich kann mich nicht darüber beschweren. 

Da er mir  natürlich seine Nummer gegeben hat, habe ich ihn am nächsten Tag kontaktiert und mich für den schönen Abend bedankt. So sind wir wieder ins Gespräch gekommen und haben uns nach einer Zeit ein erneutes Treffen ausgemacht. Treffen wurden zu Dates und eine Bekanntschaft wurde zu Liebe. Ich dachte immer, dass eine Regel besagt, dass heiße Männer Arschlöcher sind. Felix hat mich in dieser Ansicht aber sehr schnell vom Gegenteil überzeugt – schon zu Silvester hat er mir ein Stück weit bewiesen, dass er ein echter Gentleman und innerlich sowie äußerlich ein toller Mann ist. Seitdem ich ihn kennengelernt habe, vergeht die Zeit noch schneller und schön langsam fürchte ich mich vor dem Tag, an dem wir entscheiden müssen, wie unsere Zukunft aussehen soll.

Zwei Monate später:

Heute war wohl einer der peinlichsten Abende meines Lebens. Ich hoffe, dass ich diesen Tag möglichst schnell aus meiner Erinnerung streichen kann, da es nicht gerade auf meiner To-do-Liste steht, von meinem zukünftigen Schwager untersucht zu werden und das auch noch bei unserem ersten Treffen. Da ich blöderweise vorher in seiner Küche fast zusammengebrochen wäre, fanden die beiden es wichtig, meine Schmerzen abzuklären. Ja, ich weiß auch, dass es notwendig war, aber trotzdem war es total unangenehm. Trotz meiner schlechten Erfahrung habe ich die Untersuchung selbst nicht als sonderlich schmerzhaft wahrgenommen, was daran lag, dass Michi ultravorsichtig war und sicher auch daran, dass Felix mich die ganze Zeit unterstützt hat. Mir ist außerdem ein Stein vom Herzen gefallen, als ich Felix endlich von meiner gynäkologischen Vorgeschichte erzählen konnte, da ich sowieso schon lange überlegt habe, ob und wie ich es ihm sagen soll. Die ganze Prozedur hat mich echt müde gemacht und es fällt mir auf dem Weg zurück wirklich schwer, die Augen offenzuhalten. Warum sollte ich aber auch? Ich habe es verdient, ein bisschen zu schlafen und es würde mir sicher guttun. „Weckst du mich auf, wenn wir zuhause sind?" „Ja klar Schatz, ruh dich aus." Als ich schon die Augen geschlossen habe und am Wegdösen bin, höre ich ihn noch „Ich liebe dich" sagen. „Ich dich auch", antworte ich und lasse los – endlich kann ich schlafen.

Warum ausgerechnet dominant? (Teil 2)Where stories live. Discover now