Kapitel 13

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„Und dann habe ich dich mit Google Maps ausfindig gemacht.", erzählt die Kleine, die wie sich herausgestellt hat, Lilly heißt, zu Ende, wie sie mich gefunden hat. Sie ist völlig verschreckt auf dem Sofa gesessen, als wir nach unten gekommen sind und hat sich nur durch sehr viel gutes Zureden von Felix dazu überreden lassen, uns zu erzählen, was passiert ist und wie sie uns gefunden hat. Ich habe es bis jetzt nicht geschafft, etwas zu sagen, da ich mit der Situation einfach komplett überfordert und deswegen unendlich froh bin, dass Felix das Reden übernimmt. Immer wieder wischt er ihr sanft mit einem Taschentuch die Tränen weg, die ihr anfangs andauernd über ihr Gesicht geronnen sind – zum Glück hat sie mittlerweile schon fast aufgehört zu weinen. Immer wieder schluchzt sie noch ein bisschen, aber sie ist echt gefasst dafür, dass sie noch so klein ist. „Wie alt bist du denn?" „6" Felix zieht scharf die Luft ein. Ich merke, dass er immer wütender auf meine Eltern wird. Am liebsten hätte ich einen schriftlichen Beweis dafür, dass sie meine Schwester ist, da ich es einfach nicht glauben kann, aber sowas kann ich ihr doch nicht antun. „Ich kann nicht zurück. Ich will nicht mehr gehauen werden.", sagt sie und rutscht noch etwas näher zu Felix, welcher neben ihr sitzt. „Nein, das lassen wir auch nicht zu.", sage ich plötzlich und bin selbst überrascht davon, etwas von mir gegeben zu haben, aber irgendwie weckt dieses kleine Kind in mir einen Beschützerinstinkt, den ich nicht beschreiben kann.

„Ok, Mäuschen. Die Tür ist ganz fest verschlossen – hier kann also niemand rein. Schau mal, ich mache dir hier den Fernseher an und du kannst dir was Schönes ansehen, während deine Schwester und ich nach oben gehen und besprechen, wie es weitergeht, ok? Wenn du was brauchst, dann rufst du uns bitte sofort, ja?" Sie nickt, noch immer sehr ängstlich und schaltet zwischen den Sendern hin und her. Als wir alleine sind, nimmt mich Felix nochmal fest in den Arm und streichelt mir über den Kopf. „Ich will dir nur sagen, dass ich dich bei jeder Entscheidung, die wir treffen werden, unterstütze." „Ich kann sie nicht wieder gehen lassen, noch kann ich sie zu einer Pflegefamilie schicken. Ich will, dass sie zumindest ab jetzt ein schönes Leben führen darf. Sie soll geliebt werden und ein zuhause haben, in dem sie sich wohlfühlt. Ich weiß nicht..." „Redest du davon, ob wir sie adoptieren sollen?" „Ich weiß nicht..." „Hey, sie wirkt wie eine ganz Süße und natürlich habe ich mir mein Leben vielleicht anders vorgestellt, aber ich denke, dass sie durchaus eine Bereicherung für unser Leben sein kann." „Ja, aber du bist Arzt und ich Hebamme. Wie sollen wir das mit den Schichten vereinbaren?" „Hey, dafür würden wir eine Lösung finden. Ich bin mir sicher, dass wir unsere Schichten gut einteilen können und dass sicher auch mal mein Papa oder Jackie und Michi auf sie aufpassen könnten." „Oh mein Gott, Felix. Reden wir gerade wirklich darüber, sie zu adoptieren?" „Ja, ich denke schon." Ich weiß nicht, woher das Gefühl kommt, doch plötzlich spüre ich ein Gefühl von purem Glück in mir. Natürlich dürfen wir nichts überstürzen, aber schon alleine der Gedanke, dass wir bald ein Kind bei uns haben würden, ist überwältigend.


6 Monate später

„Komm Lilly, wir müssen los." „Aber was, wenn die anderen Kinder mich nicht mögen?" „Schatz, sie werden dich lieben.", sagt Felix und gibt Lilly einen Kuss auf die Wange. Auch wenn Lilly meine Schwester ist, fühlt es sich für uns beide manchmal so an, als ob wir ihre Eltern wären. Leider kann ich nicht mit zu ihrem ersten Schultag kommen, da ich gleich zur Praxis fahren muss. Manchmal fühlt es sich so an, als ob wir Lilly schon unser ganzes Leben lang bei uns haben und nicht erst seit 2 Monaten. Obwohl die Gerichtsprozesse mich schon extrem belastet haben, war es das auf jeden Fall wert, da wir jetzt endlich das alleinige Sorgerecht für Lilly haben und wir unsere Eltern nie wieder sehen müssen. Ich hoffe, sie sehen zumindest jetzt im Gefängnis ein, dass sie etwas falsch gemacht haben. Dass sie die nächsten 6 Jahre dort verbringen werden, lässt mich um ehrlich zu sein, recht kalt. Anfangs ist es Lilly ziemlich schwergefallen, wieder jemandem zu vertrauen, aber Felix und ich waren immer geduldig und haben versucht, ihr so viel Liebe wie nur möglich zu vermitteln. Wir sind außerdem in ein größeres Haus gezogen und haben unsere eigene Gemeinschaftspraxis eröffnet, was es uns leichter macht, unsere Zeit gut einzuteilen. Natürlich ist es anstrengend, so organisiert zu sein, aber es zahlt sich auf jeden Fall aus – wir würden Lilly für nichts in der Welt wieder hergeben. Es war ein aufregendes halbes Jahr und wirklich schön zu sehen, wie Lilly uns immer mehr Vertrauen und Liebe schenkt. Ich liebe meine kleine Familie und würde sie für nichts in der Welt tauschen wollen.

Warum ausgerechnet dominant? (Teil 2)Where stories live. Discover now