Prolog

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Freitag, 06. Juli 2018 

Die Kirchturmglocken läuteten genau 12 mal. 

Es war also so weit. Ich trat einen Schritt aus der Tür und wurde eins mit der Dunkelheit. 

Jedes andere Mädchen würde im Bett liegen, schlafen, sich schminken, auf einer Party sein oder sonst irgendetwas machen. Doch ich war nicht wie andere Mädchen. Ich war ich und ich würde auch niemals so ein Mädchen sein. Viele Mädchen fürchten sich auch vor der Dunkelheit, doch ich nicht. Ich genoss die Stille und die um mich herum langsam löschenden Lichter. 

Die Dunkelheit zeigte mir wieder einmal, dass ich noch am Leben bin, obwohl ich mir genau das Gegenteil wünschte. Erst, wenn es dunkler wird, bekommt man das wahre Gesicht eines Menschen zu Gesicht. 

Es ist unbedeutend, ob diese Person unter Alkoholeinfluss steht oder nicht. Im Endeffekt sind doch alle Menschen gleich. Am Tag vergisst man, in der Nacht vermisst man. 

Ich seufzte und bog in die kleine Gasse ein. Diesen Weg kannte ich in- und auswendig, so oft, wie ich ihn in den vergangenen Jahren schon gegangen war. Die Stimmung war selbst in der Nacht nicht besser, doch am Tag traute ich mich nicht hier hin. 

Ein Windhauch ließ mich vor Kälte zusammen zucken. Fröstelnd zog ich meine Jacke enger, so gut, wie es ging. 

Eine Hand steckte ich wieder in meine Jackentasche, doch dort wurde sie auch nicht warm. Die Andere hielt starr zwei Rosen fest. 

Ich sah mich nicht um, als ich durch das Tor trat. Mit jedem Schritt merkte ich, wie mein Herz pochte. Nicht vor Angst, sondern vor Sehnsucht. Ich schluckte, um den Kloß wegzubekommen. Vergebens, doch das war nichts neues. 

Ich kniete mich hin und legte vorsichtig die beiden Rosen neben mir hin. Viele Blätter trieben ihr Unwesen auf der Erde und ich versuchte, so gut, wie möglich, diese zu entfernen. 

Ein Blick auf die Grabsteine ließ mich aufseufzen. Ich sollte Dad Bescheid sagen, dass der Gärtner mal wieder die Grabsteine sauber machen sollte, da sie von Efeu überzogen waren. Doch ich verwarf sofort diesen Gedanken wieder. Es hatte schon einen triften Grund, dass wir einen Gärtner dafür hatten. 

Wir waren alle nicht stark genug dafür. 

„Es tut mir leid", flüsterte ich und machte mir keine Mühe, die Tränen zu unterdrücken. [...]

Just hold on /Niall Horan/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt