Kapitel 3

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Ich rannte die Hallen entlang. Meine Atemzüge wurden kürzer je schneller ich lief.
Ich blickte hinter mich, in der Hoffnung, dass mich niemand sah.
Ich steuerte in Richtung Ausgang zu und hielt mich keuchend an einem Pfahl fest.
Mein Blick wich auf das mittlerweile zerknitterte Blatt Papier vor mir. Ich hielt mich daran fest, so als wäre es alles, was mir den letzten Halt gab.

Rannte ich gerade ernsthaft davon?
Vor ihm?

»Frau Karlberg?«, ertönte hinter mir eine Stimme.

Ich drehte mich um.

»Herr Thomsen, Sie sind es«, sagte ich schon fast ertappt. Vor mir stand der oberste Vorgesetzte und zugleich auch Leiter des Praktikums. Ich kannte ihn flüchtig.

»Sie sind ja schon fertig, die Deadline heute ist aber erst in knapp einer Stunde. Ist irgendetwas passiert?«

Ich versuchte meine Gedanken bei mir zu behalten. »Natürlich«, sagte ich. »Es ist alles bestens. Ich habe nur festgestellt, dass die Spieler sehr beschäftigt sind. Ich komme morgen wieder«, winkte ich ab und ging vorran.

Er rief mir noch irgendwas hinterher und aus Höflichkeit lächelte ich, wobei ich nicht mehr die geringste Ahnung hatte, was er eigentlich sagte.

Verdammt, was hatte ich denn?

Ein Mann verunsicherte mich normalerweise nie, da ich im Gegenzug meistens nie das Interesse zeigte. Und bei Kai Havertz wollte ich mir erst Recht kein Ultimatum setzten, da ich genau wusste, dass es ein Fehler wäre.

Aus genau dem Grund verließ ich das Gelände und fuhr so schnell es ging nach Hause. Ich wollte nicht mehr nachdenken, ich fühlte mich schrecklich ...

***

Am nächsten Tag begab ich mich zum letzten Mal in dieser Woche in die Allianz Arena.
Mein Pferdeschwanz sitzte perfekt und meine Klamotten waren frisch gebügelt. Es roch ein wenig nach Gewitterluft und der Himmel zog sich langsam zu. Einige dunkle Wolken waren zu sehen und der Wind frischte auf. Er fuhr durch meine Haare, doch mich störte es herzlich wenig.

Als ich den Platz betrat, konnte ich Kai sehen. Er joggte ein paar Runden im Kreis und gelang schließlich in meine in Richtung. Ich machte mich ein wenig bemerkbar, doch sein Blick blieb scharf gerade aus.
Hatte er mich tatsächlich übersehen?

Ich wartete die nächste Runde ab, diesmal traute ich mich sogar 'Hallo' zu rufen. Aber Kai ignorierte es wieder. Anstatt dessen kam er zum Halt und schüttete sich seine komplette Wasserflasche über den Kopf, bevor er zu seinen Teamkollegen ging. Ich stand verwirrt auf der Stelle und lehnte mich gegen das Podest. Ich warf einen Blick auf meinen Zettel:

»War es schon immer Ihr Traum Fußballer zu werden?, Was motiviert Sie an diesem Sport am Meisten?, Was sind Ihre letzten Gedanken vor einem wichtigen Spiel?«

Ich glaubte ich laß die Fragen schon zum dritten Mal. Schlauer wurde ich dadurch auch nicht. Ich schüttelte leicht den Kopf, eigentlich war es ja meine Schuld. Ich hätte ihn nicht wie einen Vollidioten stehen lassen dürfen. Wie unprofessionell von mir ...

Das Training war zu Ende und ich konnte gerade ein paar Fragen an Rüdiger stellen, die er mir netterweise beantwortete.

Ich war hier also fertig. Entschlossen ging ich zurück, aber diesmal durch eine andere der Innenhallen. Ich meinte, dass es hier kürzer war.

Plötzlich ertönte eine Stimme.

»Ey, warte mal!«

Ich sah mich zögernd um und konnte nicht fassen, wen ich breitbeinig im Türrahmen stehen sah.

Kai hielt sich mit einer Hand fest und ging dann schnellen Schrittes auf mich zu.

Ich wies ihn ab und ging rückwärts ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung.

»Bleib doch stehen«, kam es erneut.

Also tat ich was er sagte und sah ihn von unten aus an. Ich bekam keinen Satz heraus, kein einziges Wort.

»Du hast mir vorhin 'Hallo' gesagt stimmt's?«, fing er an.

»Du hast darauf gewartet, dass ich zu dir komme, du wolltest mich eigentlich interviewn, du bist nur wegen mir hier«

Mein Kiefer klappte ein wenig nach unten, ich sah ihn mit großen Augen an.

»Nein«, log ich. »Ich habe dich aus Nettigkeit begrüßt, so wie ich das bei jedem anderen auch tue. Meine Aufgabe ist schon erledigt, ich habe mein Interview bereits geführt. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause«, rechtfertigte ich mich.

Kai fing an zu lachen. »Du lügst«

»Nein, gar nicht. Ich weiß nur, dass ich Berufliches mit Privatem trennen kann« Ich lächelte gekünzelt.

Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging.

Erneut ließ ich Kai Havertz stehen. Er machte mich verrückt.

»Gut zu wissen«

Draußen setzte ich mich auf eine Bank. Der Himmel war mittlerweile pechschwarz und es fing leicht an zu regnen. Eine Gänsehaut überzog mich und ich verschränkte die Arme vor der Brust.

Mit einem Mal blitzte es und ein grauenhafter Donner war zu hören. Ich schrie ein wenig auf und lief unter den überdachten Eingang. Es schüttete mittlerweile wie aus Eimern kerzengerade herunter.
So konnte ich unmöglich nach Hause fahren.

Also wartete ich, mit der Hoffnung, das Gewitter würde verziehen.
Aber anstatt, dass sich der Himmel aufklarte, wurde es immer schlimmer. Innerlich schob ich Panik und ging auf und ab. Es war mittlerweile einundzwanzig Uhr und ein paar Betrunkene torkelten durch den Regen. Sie schrieen sich untereinander an, die Flasche in der einen Hand und gingen auf mich zu.

»Süße, bist du heute Abend frei?«, lallte der eine und er hatte eine ziemliche Fahne.

Ich versuchte die dreckige Anmache zu ignorieren und drehte mich postwendend um.

»Du bist echt heiß«, rief der andere.

»Verpisst euch!«, schrie ich dumm zurück.

Mit einem Mal ertönte ein Hupen. Ich erschrak und wirbelte herum.

»Ey, lasst sie in Ruhe!«

Ein dunkler Mercedes steuerte auf uns zu und der Fahrer öffnete gebeugt seine Beifahrertür.

»Komm, steig ein«

IT'S A CHELSEA THING | Kai HavertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt