Anaïs schenkt Professor Albus Dumbledore einen Stein

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Sie nahmen den Bus nach London und Anaïs fand das furchtbar aufregend.

Mr und Mrs Rigby hatten ihr nie wirklich erlaubt, weit weg zu gehen und selten hatte sie die bekannten Umgebungen verlassen dürfen. Natürlich hatte sie davor schon bei einigen anderen Familien in anderen Häusern, Wohnungen, Umgebungen gelebt, aber jede Familie bedeutete doch immer ein Neuanfang, also konnte man wohl sagen, dass Anaïs im-Moment-noch-Rigby-aber-eigentlich-war-sie-gar-keine-Rigby-mehr noch nie Woking verlassen hatte.

Anaïs schaute die ganze Fahrt über aus dem Fenster und Professor Albus Dumbledore saß schweigend neben ihr und versuchte nicht, ein Gespräch zu beginnen. Anaïs vermutete, dass er selbst tief in Gedanken versunken war und ein Gespräch die vielen, vielen interessanten Gedanken, die er hatte, einfach nur unterbrochen hätte.

Draußen wurden die kleinen Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten und gepflegten Familien bald zu größeren Backsteinbauten und der Verkehr wurde lauter und mehr Autos begleiteten nun den Bus auf seiner Reise.

Anaïs verzog das Gesicht. Verkehr, Autos und Städte hatten ihr noch nie wirklich bekommen und sie hatte sich immer wie eine empfindliche Orchidee gefühlt, wenn sie bei einer Familie in der Stadt gelebt hatte und sie hatte regelrecht gespürt, wie sie langsam einging. Ein anderes Mädchen im Kinderheim, mit dem sie sich gut verstanden hatte – Cindy Toe – hatte ihr einmal gesagt, dass man wie Löwenzahn sein musste, um in der Welt zu überleben. Wie Unkraut, das einfach nicht sterben wollte, sondern immer wieder zurückkehrte.

Es war damals auch Cindy Toe gewesen, die sie auf die Idee gebracht hatte, Steine von ihren Familien mitzunehmen. Cindy hatte auch immer etwas von den Familien mitgenommen, die nicht zu ihr gepasst hatten, aber bei ihr war es meist Geld, das sie für Drogen und Zigaretten ausgegeben hatte. Anaïs meinte, dass ihre Methode da etwas besser war – sie baute sich ein Haus; Cindy Toe hatte sich ihre eigene tödliche Überdosis gebaut.

Anaïs holte Mr Frog aus ihrem Rucksack und hielt ihn ans Fenster.

„Schau mal, Mr Frog", wisperte Anaïs leise, damit nur der Frosch sie hörte, aber Professor Albus Dumbledore blickte auch zu ihnen, also hatte er sie vermutlich gehört, „das ist London."

„Bist du schon einmal in London gewesen?", fragte Professor Albus Dumbledore sie.

„Ja." Anaïs stopfte Mr Frog wieder in den Rucksack. „Aber Mr Frog noch nicht."

„Glaubst du? Vielleicht ist er ein Frosch, der schon weit gekommen ist", schlug Professor Albus Dumbledore vor.

„Ich glaube nicht, dass Mr Frog schon einmal Woking verlassen hat", bestimmte Anaïs bestimmt, „Frösche sind so klein, London ist für sie gaaaaaanz weit weg und Mr Frog hat keinen Reisekoffer dabei gehabt, also glaube ich, er muss aus Woking sein."

„Das klingt tatsächlich einleuchtend", bestätigte Professor Albus Dumbledore mit einem Nicken, „Glaubst du, er hat dort Familie gehabt?"

„Nein." Die Sicherheit, mit der Anaïs das sagte, ließ einen beinahe vermuten, dass sie diese Informationen aus erster Hand hatte, „Mr Frog ist eher ein Einzelgänger. Ganz allein in der Welt."

„Jetzt hat er ja dich", erinnerte Professor Albus Dumbledore sie.

Anaïs lächelte zufrieden. „Da haben Sie wohl recht..."

„Hier müssen wir aussteigen", warnte Professor Albus Dumbledore sie, „Hast du alle deine Sachen?"

Anaïs nickte stolz und umklammerte ihren Kissenbezug, schulterte ihren Rucksack und drückte die Schuhschachtel mit ihren Steinen an sich, „Ich denke schon."

Pomegranate | Harry PotterWhere stories live. Discover now