Anaïs lernt die Kunst des Köpfens

510 75 28
                                    

Die Geister waren nach diesem Tag immer in Anaïs' Nähe, sodass es ihr beinahe gar nicht mehr auffiel, aber Patricia Hopkins sprach sie regelmäßig darauf an und gewöhnte sich scheinbar überhaupt nicht an den Gedanken, dass die Geister von Hogwarts gerne in Anaïs' Nähe waren und sie manchmal einfach nur gerne am Arm streiften, als würde diese kleine Berührung ihnen schon zeigen, dass sie noch existierten.

Anaïs hatte nicht gegen Berührungen – ganz im Gegenteil. Die Kälte, die die Geister immer begleitete, riss sie selbst manchmal aus Trancen und Träumereien und schickte sie zurück in die reale Welt.

Patricia Hopkins konnte das überhaupt nicht verstehen. Sie war kein großer Fan von Berührungen – schon gar nicht spontanen – und verstand deswegen auch nicht, wie eine Berührung tröstend sein konnte. Anaïs fand das ein wenig schade, immerhin umarmte sie gerne Leute – auch spontan, einfach so, mitten auf dem Gang – aber natürlich akzeptierte sie, dass Patricia Hopkins das nicht mochte.

Patrick (der Junge aus dem Waisenhaus, den Anaïs gekannt hatte und nach dem Patrick die Topfpflanze benannt war – nicht die Topfpflanze) hatte auch nie Umarmungen gemocht.

Cindy Toe hingegen hatte Anaïs immer wieder umarmt – besonders, wenn sie high oder betrunken gewesen war. Oder traurig.

Cindy Toe hatte immer gesagt, dass Anaïs einfach nur warm war und ihre Umarmungen tröstend.

Wenn die Geister Anaïs berührten, erinnerte sie sich an ihre letzte Umarmung mit Cindy Toe zurück – Anaïs hatte immer gehofft, dass ihre Umarmung für Cindy Toe noch immer tröstend gewesen ist, als sie schon kalt und tot gewesen war, aber nachdem die Geister ihre Berührung wohl als angenehm empfanden, hatte Cindy Toe sie bestimmt auch spüren können.

Der Blutige Baron sprach Anaïs nicht noch einmal an, was daran liegen könnte, dass Helena immer in der Nähe war, wenn er sich Anaïs nähern wollte. Er sah ein wenig so aus, als würde er sehr gerne mit Anaïs sprechen wollen, aber die Graue Dame ließ es nicht zu. Bisher konnte Anaïs noch nicht einschätzen, ob sie überhaupt mit dem Blutigen Baron sprechen wollte. Er war bestimmt kein guter Mensch gewesen, aber Anaïs glaubte grundsätzlich nicht an Groll und Rache und fand, dass jeder eine zweite Chance verdiente. Auf der anderen Seite war Helena wohl eine Freundin geworden – sie sprachen nicht viel miteinander, aber Anaïs genoss ihre Nähe, also war das wohl auch etwas wert, wie Anaïs fand. Und Helena hatten einen sehr guten Grund, warum sie den Blutigen Baron nicht leiden konnte, immerhin hatte dieser sie umgebracht... die Argumente waren erdrückend.

Deswegen startete Anaïs bisher noch keine eigenen Versuche, um mit dem Baron zu sprechen, bis sie wirklich einschätzen konnte, ob sie überhaupt mit ihm sprechen wollte.

Es gab aber auch noch den Fetten Mönch und natürlich Sir Nicholas de Mimsy-Porpington. Alle anderen nannten ihn wohl den „Fast-Kopflosen-Nick", aber Anaïs bevorzugte diesen anderen Namen eindeutig. Er klang so edel.

Die beiden waren ebenfalls begeistert davon, dass Anaïs sie berühren konnte und auch sie fand man häufig in der Nähe von Anaïs, was Patricia Hopkins dazu brachte, sich von Anaïs zu entfernen, aber Anaïs würde ihre neuen Geister-Freunde bestimmt nicht wegschicken. Natürlich fand sie es trotzdem schade, dass Patricia Hopkins sich nicht mit ihren anderen Freunden verstand, aber sie konnte sie auch nicht zwingen, die Geister zu mögen oder zumindest zu akzeptieren.

Scheinbar fanden es auch die anderen Schüler seltsam, wenn Anaïs mit Geister-Begleitung zu ihren Klassen ging, selbst die älteren Schüler, die eigentlich schon an die Geister gewöhnt sein sollten.

Der September verging und der Oktober wurde so kalt und regnerisch, dass Anaïs sich immer wieder reute, aus dem Schloss zu gehen, aber trotzdem versuchte sie, zumindest einmal in der Woche auf die Ländereien zu gehen, um näher an der Natur zu sein.

Pomegranate | Harry PotterWhere stories live. Discover now