Professor Albus Dumbledore besucht Sirius Black

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Dumbledore fühlte, wie die Macht der Dementoren direkt außerhalb der schützenden Linie seines starkes Patronus' wartete, aber er versuchte das auszublenden.

Ein Wärter hatte ihn in einen düsteren, kalten Raum geführt und dort zum Warten zurückgelassen. In Askaban verging die Zeit immer viel langsamer, kam es Dumbledore vor. Selbst, wenn man nicht selbst dort gefangen war, sondern nur jemanden besuchen wollte.

Es gab nicht viel, das Dumbledore fürchtete, aber in Askaban dachte er immer an seinen Vater.

Er war in Askaban gestorben.

Seinen eigenen Vater würde Dumbledore in Askaban nicht mehr finden, aber vielleicht den eines kleinen Mädchens.

Zwei Wärter stießen den Gefangenen grob in den Raum, in dem Dumbledore wartete. Magische Fesseln verhinderten, dass der Gefangene etwas tun konnte – selbst, als er in Dumbledores sicheren Schutzkreis trat und vermutlich zum ersten Mal seit Jahren außerhalb der Wirkkraft der Dementoren war.

Sofort reagierte der Mann auf diese Veränderung. Er blinzelte überrascht, als wäre er gerade erst aufgewacht und richtete sich ein wenig gerader auf.

Der Mann sah ziemlich mitgenommen aus. Schon seit über zehn Jahren schon war er selbst ein Gefangener von Askaban. Das Haar lang und verfilzt, so wie auch der struppige Bart. Man konnte kaum noch unterscheiden, so die Haut begann und wo der Dreck aufhörte. Nur die grauen Augen blitzten noch immer so wachsam und intelligent wie eh und je.

„Professor Dumbledore", erkannte der Mann Dumbledore. Seine Stimme war kratzig, als hätte er sie schon sehr lange nicht mehr benutzt. „Ich muss zugeben, ich bin überrascht."

„Mir fehlt die Zeit und die Geduld für Höflichkeiten, Sirius", sagte Dumbledore zurückhaltend und kühl. Sirius Black saß zurecht in Askaban – als Verräter hätte er es beinahe geschafft, dieses Lebenswerk von Dumbledore eigenhändig zu vernichten.

Sirius schnaubte amüsiert, trat aber doch mit wenigen, großen Schritten an den Tisch heran, an dem Dumbledore auf einem der zwei Stühle Platz genommen hatte. Er schob den anderen Stuhl heraus und setzte sich. Einen Moment lang wirkte er überrascht davon, wie es sich anfühlte, auf einem Stuhl zu sitzen.

„Sie sind also nicht hier, um mich hier raus zu holen", erkannte Sirius nachdenklich, „und Sie sind auch nicht hier, um einen alten Freund zu besuchen. Was aber könnte ich haben, das Sie brauchen? Welche Informationen... Wenn Sie hoffen, ich hätte Informationen zu Voldemort –"

„Zunächst habe ich eine Frage an dich", unterbrach Dumbledore ihn.

„Ich bin schon so lange eingesperrt, ich glaube nicht, dass ich noch Persönlichkeit habe", sagte Sirius mit ernsten Blick, aber einem schelmischen Funkeln in den Augen, „der Innenarchitekt hier verdient jedenfalls keine Gehaltserhöhung!"

„Es ist wichtig, Sirius", tadelte Dumbledore ihn streng.

„Hier drin ist absolut nichts wichtig", korrigierte Sirius ihn, „Was können Sie mir also für diese Information geben, die Sie von mir haben wollen?"

„Ich habe gehofft, du würdest mir einfach so die Wahrheit sagen", gestand Dumbledore, „Was willst du dafür?"

„Hier drin hat nichts einen Wert...", murmelte Sirius, „Sie können mir keinen Straferlass oder eine Minderung versprechen – die lassen mich niemals laufen... Sie können mir auch nichts Materialistisches geben... das würden sie mir nur wegnehmen... Ich hätte also für diese Informationen gerne selbst eine Information."

„Das hängt dann wohl von der Information ab, die du verlangst", gestand Dumbledore, „Ich kann dir nicht alle Geheimnisse versprechen."

„Der Junge von Krone... James...", einen Moment lang wirkte Sirius so, als wäre er in einer anderen Welt (vielleicht einer besseren), „Harry... Er hat wirklich überlebt?"

Dumbledore zögerte einen Moment. Etwas an der Art und Weise, wie Sirius das gefragt hatte, passte nicht zusammen mit den Informationen, die Dumbledore zu kennen glaubte. Aber andererseits war er nicht deshalb gekommen.

„Er lebt", bestätigte Dumbledore, „Voldemort hat versagt. Harry Potter hat überlebt. Er ist gesund und wohlauf."

Sirius nickte und öffnete kurz den Mund, um noch etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber doch anders, schüttelte seinen Kopf, wie um seine Gedanken zu ordnen und erinnerte Dumbledore: „Sie wollten etwas von mir wissen?"

„Hast du eine Tochter?", fragte Dumbledore ihn direkt.

Sirius zögerte und blickte sich verwirrt um, als wäre dieser Gedanke so abwegig, dass er es für einen Scherz hielt. „Nein? Soweit ich weiß... warum?"

Dumbledore antwortete ihm nicht darauf. „Sag mir, ist es möglich, dass... Peter Pettigrew eine Tochter gehabt haben könnte?"

Sofort schien die Temperatur im Raum zu sinken, so sehr kippte die Stimmung.

Sirius' Gesichtszüge entgleisten und wo er zuvor noch relativ normal und sogar gut gelaunt gewirkt hatte, so zeigte sein Gesichtsausdruck nun, dass in ihm doch ein wahnsinniger Mörder und Verräter steckte.

„Diese Ratte soll Kinder haben? Wie kommen Sie darauf?"

„Es würde passen", erklärte Dumbledore ruhig, „Ich bin auf der Suche nach den Eltern eines kleinen Mädchens."

„Wenn Peter wirklich ihr Dad ist, wäre es wohl besser, wenn sie es nicht erfährt", schnaubte Sirius verächtlich, „Da hätte ich lieber überhaupt keinen Vater!"

„Denk nach, Sirius", bat Dumbledore ihn eindringlich.

Sirius sah ihn noch immer zweifelnd an, nickte dann aber. „Ich weiß nicht, ob er Kinder gehabt hat. Er hat mir jedenfalls nie davon erzählt – aber er hat ja überhaupt nicht viel erzählt, hu? Aber ich erinnerte mich an etwas, das ich in seiner Wohnung gesehen habe, kurz nach dem Angriff auf die Potters. Da waren einige Decken, wie für ein Nest zusammengeballt. Auf der Couch. Und ich weiß noch, wie ich mir gedacht habe, dass es in der Wohnung nach Baby gerochen hat – so wie Harry gerochen hat eben... als er noch ein Baby gewesen ist, selbstredend. Und jetzt, wo Sie mir sagen, dass er vielleicht tatsächlich ein Kind gehabt hat..."

Dumbledore nickte. „Es ist also nicht komplett unmöglich."

„Ich denke nicht...", stimmte Sirius ihm zu, „Und wenn ich mich richtig erinnere, ist er zum Schluss hin häufig nicht bei Treffen dabei gewesen oder Missionen... trotzdem... er hat nie ein Baby dabei gehabt. Das Mädchen muss allein zu Hause gewesen sein, eine Babysitterin hätte er sich nicht leisten können... hat seine Mum von dem Kind gewusst?"

„Nein."

„Wie hat er das dann gemacht?", fragte Sirius, „Ein Baby muss ziemlich häufig gefüttert werden und dann erst die ganzen Windeln... Entweder Wurmschwanz hat sich zweiteilen können oder –" Sirius blickte erschrocken zu Dumbledore. „Natürlich... er hat sich nicht um sie gekümmert, oder? Sie ist absolut vernachlässigt worden, hab ich recht?"

Dumbledore sagte nichts dazu. „Danke für deine Hilfe, Sirius", sagte er und stand auf, „Ich werde nun gehen."

„Warten Sie!", rief Sirius ihm hinterher, aber Dumbledore hatte schnell die Tür erreicht und diese schloss sich krachend hinter ihm.

Aber auf dem Weg nach draußen konnte er noch das Gebrüll von Sirius hören, wie er immer wieder wiederholte: „Er ist nicht ihr Vater? Er hat sie nicht verdient? Er kann nicht ihr Vater sein!"

Mrs Pettigrew hatte die meisten Sachen ihres Sohnes wie Reliquien aufbewahrt und obwohl die Frau schon vor ein paar Jahren gestorben war, mussten diese Dinge noch irgendwo sein. Und wenn Dumbledore sie fand, würde er auch die wahre Geschichte von Anaïs herausfinden und genau wissen, was passiert war bis zu dem Moment, in dem Anaïs in die Arme der armen Melissa Osborn gedrückt worden war.

Er musste es einfach wissen, obwohl er wage sich schon vorstellen konnte, wo seine Suche enden würde und welche Antworten ihn erwarten würden...

Pomegranate | Harry PotterWhere stories live. Discover now