14 I Über im Flow schreiben, poetische Hassliebe und Mut für neue Projekte

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Vor jedem Wort, das meine Finger von nun an verlassen wird, werde ich einen tiefen Atemzug nehmen. Dabei genüsslich meine herumstreunenden Gedanken sammeln, mein müder Geist im warmen Licht der Sonnenstrahlen erwärmen und mich in der Kunst des geduldigen Wartens üben. Erst wenn ich all meine Sinne beisammen habe und mein Herz vom Fluss der Kreativität umspült wird, lasse ich mein Schreiben fliessen.
Willkommen zu einem neuen Schreibupdate. Wie ihr vielleicht bereits in der ersten Ausgabe des Federjournals gelesen habt, bin ich zurück von meiner Pause. Ganz langsam und unscheinbar hat sie sich angeschlichen, ehe sie mich mit einer Kraft aus Reflektieren, neuen Erkenntnissen und Vorstellungen zum Innehalten bewegt hat. Es fällt mir noch schwer in Worte zu fassen, was für Prozesse, Ideen und Visionen in mir gerade wachsen. Was passiert ist und was alles noch passieren wird. Wohin die Reise genau geht, wohin ich überhaupt will. Ich vertraue alleine auf dieses warme, leichte Gefühl, welches ich wieder neu entdeckt habe. Was ich dabei empfinde, fühlt sich an wie Regen an einem Sommertag. Wie das Lächeln, wenn man eine heisse Tasse Glühwein entgegennimmt. Oder wenn man sich nach einem aufregenden Tag zufrieden ins Bett kuschelt. Dieser Vision habe ich folgenden Namen gegeben:
Freie und grenzenlose Kreativität.
Intuitives Schreiben im Flow.
Gestalten eines bewussten, kreativen Lebens.

Was es aber genau für mich bedeutet, was für ein Leben ich mir darunter vorstelle und wohin die Reise geht, ist alles noch offen. Aber wisst ihr was? Es fühlt sich super stimmig und passend an. Freiheit, Grenzenlosigkeit, Kreativität – für mich alles Begriffe, die ich im Bezug auf mein Schreiben neu definieren möchte. Ohne Ziel und ohne Hast. Ohne zu hohen Erwartungen, aufgesetzten Grenzen und Druck von aussen. Ich will das Schreiben und meine Kreativität wieder zu einer Reise machen. Wo ich den Prozess, das Schaffen geniesse, anstatt mich zwinge, Dinge zu tun, die überhaupt nicht mit mir und meiner aktuellen Situationen harmonieren.
Dies hat auch zur Folge, dass ich keine Ahnung habe, wo das Schreiben in meinem Leben steht und stehen wird. Unbestritten ein sehr wichtiger Teil, mit dem ich mit Freude und Leidenschaft meinen Tag fülle. Doch wie bereits gesagt – wohin die Reise geht, ist noch offen. Natürlich ist und bleibt es ein Traum, meine Werke zu veröffentlichen. Aber ob das im nächsten Jahr oder in einem Jahrzehnt ist – dies lasse ich mir bewusst offen. Auch ob mein Ziel es ist, irgendwann vom Schreiben leben zu können oder ob ich es, nebenbei als meine grösste Leidenschaft praktiziere.
Mein einziges Ziel in diesem Moment ist es, mein Leben mit viel mehr Kreativität und Leichtigkeit zu füllen. Es zu entschleunigen und bewusst zu geniessen und wahrzunehmen. Für manchen mag es wie leeres Geschwätz klingen. Und ich gebe zu, am Anfang habe ich es auch gedacht. Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass ich von diesen Themen spreche. Schon seit langer Zeit habe ich mich nach mehr Leichtigkeit gesehnt, losgelöst von Erwartungen und negativen Denkmustern. Doch dieses Mal fühlt es sich wirklich anders an. Nicht nur innerlich, sondern auch äusserlich. Alleine wie leicht und frei ich gerade diesen Zeilen schreibe, welches Gefühl ich dabei empfinde – eine deutliche Veränderung findet statt.
Im Flow zu sein - dieser mystische Zustand der Leichtigkeit, wenn man seine Umgebung vollkommen vergisst und die Wörter nur so fliessen. Und dazu gehört das Schreiben. Ich habe gemerkt, dass ich es liebe, meinen Alltag, meine Umwelt und mein Sein auf dieser Erde durchs Schreiben wahrzunehmen, auszudrücken und festzuhalten. Das Schreiben ist mein Ausdruck der kreativen Verarbeitung. Und dieser fragile Zustand will ich beschützen.
Das bringt mich zu einer weiteren Erkenntnis, die ich hier gerne mit euch teilen mag. Ich hasste Poesie. Na gut, vielleicht ist Hass ein zu starkes Wort. Aber ich verabscheute Lyrik. Ihre Aufgedunsenheit, Unechtheit und Eigenliebe. Ich kann nichts damit anfangen. An manchen Tagen geht es sogar so weit, dass ich puren Neid verspüre, wenn ich ein schönes Gedicht oder ein poetischer Text lese. Ich bin ehrlich mit euch - es fällt mir schwer, es nun offen zu gestehen. Aber Einsicht ist der erste Schritt zur Heilung. Poetische Texte wertete ich immer als schwammig ab. Als dramatische, egozentrische Selbstdarstellung. Sich brüsten mit neu erfundenen Wörtern und Satzstrukturen, die keinen Sinn machen. Dazu habe ich einmal Folgendes geschrieben:
Wie lange muss ich mit Wörtern jonglieren, bis man die Sinnlosigkeit hinter den Phrasen übersieht? Wie viele Potpourris muss ich kochen? Und wie viele erfundene Wörter quetsche ich in die Lücken meines Puzzles aus Vergissmeinnichtküssen und Asphalttränen, bis man es als bedeutungsvoll erachtet? Ad acta, ad hoc, ad infinitum – wie viel muss ich bezahlen? Wie viel muss ich euch geben, um die gleiche Luft zu atmen, wie in euren elitären Lebenskreisen? Ich lausche euren Stimmen, doch höre nur das erste Wort dieses Satzes. Ich. Ich. Ich. Welche Sprache sprecht ihr? Ihr wundervollen Wesen der Individualität und Einzigartigkeit. Die erscheinen im goldenen Licht der Klarheit des Weltenwandlers. Ihr blendet mich, in eurer Grossartigkeit. Mich, der kleine Erdenwurm.
Vielleicht oder vielleicht auch nicht spürt ihr, in welcher Frustration ich diesen Text geschrieben habt. Und wahrscheinlich könnt ihr auch denken, dass hier mehr dahinter steckt, als nur ein Unverständnis gegenüber der Lyrik. Aber so sehr dieser Text auch auf Frustration aufgrund einer Ablehnung und dem Gefühl „nicht gut genug zu sein" basiert, bin ich stolz auf ihn. Nicht unbedingt auf den Inhalt oder wie er geschrieben ist – sondern wieso ich ihn verfasst habe.
Es ist einer der wenigen Texte, in denen ich meine Gefühle in Wörter zum Ausdruck gebracht habe. Unverfälscht, kurz und ohne grosse Vorgeschichte. Denn dies ist der wahre Grund, wieso ich mit Poesie nichts anfangen kann. Ich lasse sie nicht an mich heran und beneide jeden, der es kann. Ich verstecke mich noch gerne hinter Plottwist, Spannungskurven, Prologen und Dialogen. Wo ich mich selbst zurücknehmen kann und immer wieder ein wenig von meinen Vorstellungen einstreuen kann. In meinen Werken stecke ich in jedem kleinsten Detail und doch nirgendwo.
Und das ist mit Poesie anders. Zumindest denke ich das. Lyrik ist für mich ein Sinnbild einer Essenz seines unverfälschten Seins. Deswegen verstand ich die wundervollen Texte auch nie oder schüttelte den Kopf. Weil ich Angst davor hatte, sie an mich heranzulassen. Oder es selbst nicht versuchen wollte. Und dies möchte ich von nun an versuchen. Ich finde, Lyrik ist so ein wundervoller Weg, seine Gefühle in Worte auszudrücken. Und dies in einer Weise, die einem filigranen Schwert gleicht. Messerscharf und wendig, zielstrebig und dennoch leicht führbar in der Hand. Kurz gesagt – ich möchte Poesie lieben lernen und sie mehr in mein Leben integrieren.
Generell möchte ich endlich all die Projekte, vor denen ich mich gedrückt habe, widmen. Ich spreche hier nicht von weiteren, grossen Romanprojekten. Da habe ich für mich beschlossen, dass ich mich nur auf die Nachtigall Trilogie konzentriere. Wenn ich ein Buch veröffentliche, dann jenes! Stattdessen meine ich Kurzgeschichten und Momentschnipsel. Wie lange träume ich schon davon, mich irgendwo in eine Allee zu setzen und Kurzgeschichten über die vorbei laufenden Menschen zu verfassen. Porträts zu schreiben oder endlich all die berührenden Momenten von besonderen Menschen und ihre Lebensgeschichten aufs Blatt zu bringen. Ein Notizbuch mit Schnipsel zu füllen, die über das Rascheln von Herbstblättern unter meinen nackten Füssen, dunklen Pinienwäldern oder die tanzenden Vorhänge aus einer Altbauwohnung, erzählen. Das Suchen nach Perfektion umgehen, durch das Akzeptieren seiner individuellen Wahrnehmung.
Und währenddem ich diesen Beitrag nun schreibe, fallen mir immer weitere Puzzlestücke in den Schoss. Weitere Stücke des grossen Ganzen und wohin mich diese Reise führen wird. Einerseits habe ich erkannt, wie sehr ich dieses freie, unverfälschte Schreiben vermisst habe, anderseits auch, wozu es alles möglich ist. Wie gross und grenzenlos es eigentlich ist. Wie viel Potenzial und Möglichkeiten es bereit hält, wenn man sich dafür öffnet. Anderseits hat es mir auch gezeigt, dass solche Beiträge direkt aus meinem chaotischen Schreiberlingsleben, für mich superwertvoll sind. Als Logbuch, als Reflexion und Zeichen meines Wachstums.
Und als Abschluss dieses doch sehr chaotischen Schreibupdates, bleibt mir nur eines zu sagen:
Schreiben ist so viel mehr! So viel mehr als verkaufte Bücher, Schreibdisziplin oder „gut" zu schreiben (was das auch immer bedeutet). Schreiben ist so viel mehr als alles, was wir uns in diesem Moment darunter vorstellen. Lasst es uns entdecken!

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