50~Flasche

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Von einem unfassbar unerträglichen Schreien wachte ich auf. Im ersten Moment konnte ich überhaupt nicht einordnen, wo es her kam, bis ich dieses kleine Wesen neben mir weinen sah. Ich nahm sie behutsam auf meinen Schoß und versuchte, sie zu beruhigen. Doch sie schrie immer noch, was deutlich machte, dass sie wahrscheinlich hungrig war. Also ging ich in die Küche und sah dort eine vorbereitete Flasche mit Milch. Etwas verwirrt, wo sie her kam, gab ich ihr die Flasche und sie wurde ganz still. Lediglich die glasigen Augen sah man noch, sonst sah sie ziemlich zufrieden aus.
Als sie ihre Augen wieder schloss, legte ich sie wieder hin und platzierte um sie herum unzählige Kissen, damit sie nicht herunterfallen würde.
Ich erhob mich langsam, um niemanden zu wecken und lief leise in das Badezimmer. Das Bild im Spiegel ließ mich kurz zusammenzucken. Dunkle, fast schwarze Ringe zierten meine Augen, welche total angeschwollen waren. Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser ab und legte mich wieder zwischen Mia und Louis.

Die restliche Nacht verging zum Glück ohne weitere Zwischenfälle.
Von einem sanften Kuss auf meine Lippen wurde ich wach.

„Zeit zum aufstehen. Es ist schon 12 Uhr." So spät schon?! Es fühlte sich an, als hätte ich keine Sekunde geschlafen.
Durch meine Nase fuhr ein angenehmer Geruch, der mich wacher werden ließ.

„Du hast Frühstück gemacht?" fragte ich und beantwortete mir selbst die Frage, als ich das Buffet auf dem Tisch sah. Louis war wirklich der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Wir setzten uns also an den Tisch und aßen gemütlich, während Mia noch vor sich hin schlummerte.
„Woher kommen die ganzen Sachen für die Milch?" fragte ich, während ich in eine Scheibe Brot biss.

„Ich war gestern noch einkaufen, als du geschlafen hast." antwortete er. Wow. Dieser Mann war wirklich unfassbar.

„Danke Lou." Ich zwang mir ein leichtes Lächeln auf und versuchte, den Verlust zu verdrängen. Mein Appetit war irgendwie vergangen und ich stocherte nur so in dem Salat herum. Ich hatte es satt, dass Louis und ich nie von langer Dauer glücklich sein konnten. Immer wieder wurde unsere Liebe unter Beweis gestellt und immer wieder zeigte es mir, dass Louis selbst in den schlimmsten Zeiten immer für mich da war.

„Schatz?" Ich blickte auf und sah in diese blauen Augen, die mir jedes Mal aufs Neue den Kopf verdrehten.

„Hm?" murmelte ich und sah wieder auf mein Essen.

„Wie machen wir das jetzt mit Mia? Wenn wir sie adoptieren wollen, müssen wir das alles doch beantragen und sowas. Und mit Antoine's Eltern müssen wir auch noch sprechen." Das Gespräch mit seinen Eltern hatte ich total vergessen.

„Was, wenn sie Mia haben wollen? Wir planen schon unsere Zukunft mit ihr aber wissen doch überhaupt noch nicht, ob wir sie überhaupt behalten dürfen." sprach ich mir die Sorgen von der Seele.

„Das können wir erst heraus finden, wenn wir mit ihnen gesprochen haben." antwortete er ruhig.

„Aber die wissen alle doch noch gar nicht, dass ich mit einem Mann zusammen bin." seufzte ich. Es kamen immer mehr Gründe, welche gegen eine Adoption sprachen. Ich wollte sie. Wirklich. Aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob Louis und ich überhaupt eine Chance haben, sie als unsere Tochter annehmen zu dürfen.
Unsere Tochter... Diese Vorstellung ließ es mir sofort warm ums Herz werden. Mit Louis eine Familie gründen. Das ist mein größter Traum.

„Dann wird es wohl höchste Zeit. Du kannst sie ja mal anrufen und fragen, ob sie die Tage Mia haben wollen, sie sind ja schließlich ihre Großeltern." Ich folgte seinem Rat und rief sofort Emily's Schwiegermutter an.

„Isabelle." hauchte ich. Sofort kam mir mein Essen wieder hoch, als ich ihre zerbrochene Stimme hörte. Sie musste am Boden zerstört sein.
Wir sprachen ein wenig über die geschehenen Tage und ich versuchte, sie ein wenig aufzumuntern, bis ich all meinen Mut zusammen kramte und sie auf Mia ansprach.
„Mia ist momentan bei mir. Ich kann die nächsten Tage auf sie aufpassen und ihr könnt euch in Ruhe auf diesen ganzen Papierkram konzentrieren. Wenn ihr sie haben wollt, kann ich sie euch aber auch gleich vorbei bringen."

„Du würdest uns wirklich helfen, wenn du auf sie aufpassen könntest. Alain und ich haben gerade wirklich viel um die Ohren." sagte sie und wurde von einer männlichen Stimme unterbrochen. „Ich muss jetzt leider auflegen, der Bestatter ist da. Danke für deine Hilfe Harry." Wir verabschiedeten uns und ich wandte mich wieder meinem Freund zu.

„Also wir behalten sie die nächsten Tage. Wir haben aber weder ein Bett, wo sie schlafen kann, noch irgendwelche andere Utensilien die ein Kind benötigt." In meiner Wohnung befand sich wirklich überhaupt nichts, was für Kinder nötig war.

„Dann besorgen wir eben alles. Ich kann zu meinen Eltern fahren und noch ein paar Sachen besorgen, die für die nächsten Tage ausreichen müssten. Wir brauchen das ganze Zeug ja nicht mehr. Die restlichen Sachen können wir ja dann bestellen. Ich denke sowieso, dass du in Zukunft immer wieder Mia hier haben würdest, selbst wenn wir sie nicht adoptieren können." Er hatte recht. Also machte er sich zugleich auf den Weg zu seinem Elternhaus, während ich mit Mia zu Hause blieb.

Für etwas Ablenkung schaltete ich den Fernseher an und sah irgendwelche banalen Comedy Shows. Diese wurden mir allerdings nach einer Weile zu langweilig, weshalb ich den Fernseher ausschaltete und mich stattdessen über eine Adoption informierte. Was man beachten sollte, wie es funktioniert und sowas in der Art.
„Wer ein Kind adoptieren will, muss nicht verheiratet sein. Bei unverheirateten Paaren darf zuerst nur eine Person das Kind adoptieren, dann erst kann der Partner nachziehen." kam dabei bei meinen Recherchen heraus. Darüber musste ich mit Louis also auch erst sprechen. Zu aller erst musste ich allerdings noch mit Isabelle und Alain reden. Vielleicht sollte ich sie in den nächsten Wochen mal einladen, um in Ruhe darüber reden zu können. Jetzt wäre es aber, denke ich, viel zu früh, um mit diesem Thema zu kommen, während die beiden eben erst ihren Sohn verloren haben und dazu noch ihre Schwiegertochter. Das klang doch alles nach einem schlechten Film.

Ich legte sofort mein Handy auf die Seite, als es klingelte. Louis brauchte wirklich langsam mal einen Schlüssel. Die Arme meines Freundes waren vollgepackt. Schnell nahm ich ihm einige Taschen ab, während er weitere Kartons aus dem Auto holte. Mit so vielem hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Als wir alles hinein getragen haben und grob ausgeräumt hatten, durchquerte ein unangenehmer Gestank das Wohnzimmer.

„Puh Louis hast du gepupst?" fragte ich, wobei ich mir meine Nase zuhielt.

„Nein aber vielleicht dein kleiner Sonnenschein." lachte er und packte ein paar Windeln aus dem Karton.

„Wo hast du die denn jetzt her?" fragte ich verwundert. Wenn er einkaufen gewesen wäre und er erkannt wurde, während er Baby Utensilien kaufte, würden wieder unzählige Gerüchte entstehen. Wobei diese bestimmt schon explodierten nach den Bildern von gestern.

„Charlotte war für mich einkaufen. Sie hat uns das nötigste besorgt." Er und seine Familie waren wirklich unglaublich. Ich schüttelte lächelnd meinen Kopf und legte Mia auf den provisorischen Wickeltisch ab. Als ich gerade ihren Strampler auszog, musste ich allerdings würgen und mein Essen kam mir beinahe hoch. Louis lachte laut auf und kam auf mich zu.

„Ich mach das schon." lächelte er und wechselte gekonnt ihre Windel. Man sah ihm sofort an, dass er Erfahrungen mit so etwas hatte.

„Was würde ich nur ohne dich machen?" schüttelte ich meinen Kopf, während ich aus dem geöffneten Fenster nach Luft rang.

„Selbst die Windel wechseln." sprach er ironisch und zog ihr gerade einen frischen Strampler über, welcher wahrscheinlich vorher Ernest oder Doris gehörte. Auf dem Bauch war ein süßer bunter Schmetterling abgebildet. 

𝚂𝚞𝚗𝚏𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛 ~ Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt