74~Kontrolle

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Die Fahrt verlief in einer unangenehmen Stille. Zwar lief das Radio, aber dieses blendete ich komplett aus. Es war einfach zu viel, was in meinem Kopf schwirrte und ich hatte das Gefühl, es würde gleich explodieren.

„Wir sind da." sprach mein Freund leise und holte mich so zurück in die Realität. Ich schnallte mich ab und wollte gerade die Tür öffnen, als Louis mich an der Hand griff und mich daran hinderte.
„Egal, was da drin passieren wird. Wir stehen das gemeinsam durch, okay?" Ich nickte und stieg aus dem Auto. Dieser Blick dieses riesigen Gebäudes ließ einen kalten Schauer meinen Rücken hinab laufen und tausende Deja vus bildeten sich in meinem Kopf. In diesem Gebäude sind einfach so viele Dinge passiert.
Hier hatte ich Liam verloren. Hier habe ich die Diagnose 'Akute myeloische Leukämie' erhalten. Hier musste ich Monate verbringen und hier hatte das mit Louis geendet. Hier hatte ich diese einfallsreiche Idee, Louis aus meinem Leben zu verbannen. Gott, wie dumm ich war, dass ich diesen Mann gehen lassen wollte.
Ich schüttelte meinen Kopf, um meine negativen Gedanken zu verdrängen und machte den ersten Schritt Richtung Eingang. Direkt danach stoppte ich jedoch, da sich meine Beine anfühlten, wie Wackelpudding. Ich spürte die warme Hand von Louis an meiner, welche er miteinander umschloss und mich liebevoll anlächelte.

„Aber die Paparazzi." murmelte ich und wollte meine Hand zurück ziehen, doch er hielt sie weiterhin fest und schüttelte kaum merklich mit seinem Kopf. Auf meinen Lippen bildete sich ein leichtes Lächeln und wir betraten gemeinsam das Krankenhaus, wobei mir sofort der unerträgliche Geruch in die Nase stieg. Meine Übelkeit versuchte ich, zu verdrängen. Ich wollte das einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen und ging noch einmal die Worte der älteren Dame durch.
Ich meldete mich am Empfang an und eine Krankenschwester leitete uns sofort in ein Stockwerk höher. Das Stockwerk, welches Krebs behandelte...

„Nehmen Sie bitte platz. Der Arzt wird jeden Moment kommen." Wir setzten uns und sofort nahm Louis wieder meine Hand in seine. Diese Nähe hatte ich wirklich nötig, denn mein Herz drohte, herauszuspringen, so schnell wie es schlug.

„Beruhig dich, Haz. Du schwitzt schon." Ich spürte tatsächlich, wie eine Schweißperle meine Stirn hinab kullerte und meine Hand auch spürbar feucht wurden. Ich nahm einen tiefen Atemzug und hoffte so, dass ich mich beruhigte. Doch es besserte sich nicht. Ganz im Gegenteil. Nun begannen auch meine Hände an zu zittern und meine Atmung wurde total ungleichmäßig.
„Schatz." Ich löste meinen Blick von der kahlen Wand und sah zu Louis, welcher nun auch meine andere Hand in seine nahm.
„Warten wir doch einfach, was der Arzt sagt. Wenn du jetzt noch nervöser wirst, kollabierst du mir hier noch." Ich nickte zögerlich und versuchte wirklich mit aller Kraft, mich zu beruhigen. Louis legte seine Lippen sanft auf meine und tatsächlich. Allmählich verlangsamte sich mein Herzschlag und das Zittern hörte ebenfalls auf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete sich die Tür und ein Mann mit einem langen, weißen Kittel betrat das Zimmer.

„Guten Tag, mein Name ist Doktor James." sprach er, reichte uns beiden die Hand und setzte sich anschließend auf den Stuhl gegenüber von uns.
„Was kann ich für Sie tun?"

„Naja, ich habe so einen komischen Hubbel an meiner Brust und..." weiter konnte ich nicht, meine Stimme war total zittrig und meine Knie wurden wieder weich.

„Wir würden das gerne untersuchen." sprach mein Freund meinen Satz zu Ende, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Der Arzt nickte, murmelte ein 'mhm' und wandte sich dem Computer vor ihm zu.

„Wie ich sehe, war bei der letzten Untersuchung alles unauffällig. Ich würde mir das gerne mal anschauen. Legen Sie sich bitte auf die Liege und ziehen Sie ihr Oberteil aus." Ich tat, was er verlangte und zog mir zögerlich meinen Pullover aus. Ich merkte, dass es schon wieder etwas gewachsen ist und langsam spürte ich auch den Druck in meiner Brust. Das tat meiner momentanen Fassung auch nicht gerade gut.
Der Arzt tastete meinen gesamten Oberkörper ab und machte die üblichen Tests. Am Schluss nahm er mir noch etwas Blut ab und schickte dieses direkt in das Labor.
„Alles klar. Sie können sich wieder anziehen. Wir werden ein MRT machen und anschließend folgt eine Biopsie, um ein paar Proben zu entnehmen." Er leitete uns in eine andere Station weiter, wo ich sofort in einen Untersuchungsraum geschickt wurde.

„Während der Untersuchung müssen Sie draußen warten." sagte eine Krankenschwester und sah dabei zu Louis. Ich nickte, um ihm zu signalisieren, dass es okay war und er verließ den Raum.
„Das ist eine normale Magnetresonanztomographie, also nichts Schlimmes. Haben Sie irgendwelche metallischen Gegenstände bei sich?" Ich nickte, denn ich hatte ein paar Ringe an.
„Die müssen Sie bitte ablegen." Sie hielt mir eine Schale entgegen und ich zog meine geliebten Ringe aus, welche ich anschließend in das vorgesehene Gefäß legte.
„Bitte bewegen Sie sich während der Untersuchung nicht. Das kann etwas unangenehm durch den Platzmangel werden. Es wird circa eine halbe Stunde dauern." Ich nickte und sie wies mich drauf hin, mich auf die Liege zu legen. Daraufhin verließ auch sie den Raum und ich war alleine hier, in diesem unfassbar kalten Raum. Plötzlich bewegte es sich und ich wurde umhüllt von einer weißen Höhle. Sofort stieg Panik in mir auf und ich wurde extrem kurzatmig. Ich wusste, dass ich etwas unter Platzangst litt, aber das übersprang alle meine Erfahrungen damit und dieses laute Brummen machte es auch nicht gerade besser. Ich kniff meine Augen zusammen und stellte mir vor, am Strand zu liegen, während ich mich sonnte. Dabei sprangen wieder die Worte der alten Dame durch meinen Kopf. Vielleicht war es nur ein gutartiger Tumor. Nichts weiter.
Tatsächlich half es, meine Angst unter Kontrolle zu bekommen und mein Herzschlag wurde etwas ruhiger. Angenehm war es nicht, keine Frage, aber es war auszuhalten. Meine Gedanken schweiften immer mehr ab und landeten schließlich bei Louis. Bei der Liebe meines Lebens. Wie wohl mein Leben aussehen würde, wenn ich ihn nie kennengelernt hätte? Wäre ich jemals so erfüllt gewesen, wie ich es heute bin? Oder wäre ich noch immer der einsame Harry, welcher nur seinen Blumenladen im Kopf hatte? Ich wollte gar nicht daran denken, wie es ohne ihn wäre. Ja, uns wurden viele Steine in den Weg gelegt, aber umso stärker war die Bindung zwischen uns.

„Das war's schon." unterbrach die Krankenschwester, wessen Namen ich nicht wusste, meinen Gedankengang. Erleichtert atmete ich aus, als ich wieder diese hohen Wände vor meinen Augen hatte. Sie gab mir meine Ringe wieder und leitete uns weiter. Zur Biopsie, wie sie uns mitteilte.
Dort wurde ich, mal wieder, darauf hingewiesen, mich hinzulegen, was ich daraufhin auch tat.

„Tut das weh?" fragte ich nervös, als wäre ich ein kleines Kind. Aber Nadeln waren wirklich meine größte Angst. Okay, wovor hatte ich denn keine Angst? Ich benahm mich hier wirklich wie ein kleines Kind.

„Nein. Sie werden höchstens etwas Druck spüren, aber die Nadel ist so fein, die wird nicht weh tun. Sie können auch gerne die Hand von ihrer Begleitung halten, wenn es Ihnen hilft." Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und streckte sofort meine Hand Louis entgegen, welcher diese liebevoll annahm und beruhigend über meinen Handrücken strich. Ich kniff wieder meine Augen zusammen, denn ich wollte nicht sehen, wie mir eine zentimeterlange Nadel in die Brust gerammt wurde. Gut. Vielleicht waren es keine Zentimeter, aber klein war sie auch nicht.
Der Arzt fuhr mit etwas Kaltem über die Stelle, an welcher sich dieser Hubbel befand und desinfizierte es wahrscheinlich. Dann spürte ich einen unangenehmen Stich, welcher allerdings nur ein paar Sekunden andauerte. Ich spürte ein wenig Druck in meiner Haut, jedoch nicht so, dass es schmerzhaft war.

„So. Das war's." Ich öffnete meine Augen wieder und war mehr als glücklich, dass ich es endlich hinter mir hatte. Wir wurden wieder in die Etage geleitet, in welcher die erste Untersuchung stattgefunden hat. Allerdings mussten wir uns diesmal in das Wartezimmer setzen und uns 'etwas gedulden', wie uns eine Mitarbeiterin mitteilte.

𝚂𝚞𝚗𝚏𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛 ~ Larry Stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt