3 - Kennenlernen - Teil 1

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Sie nickte nur und fragte: „Ok, dann bin ich deine Lehrerin, oder?"

Ein Strahlen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als er gebärdete: „Ja."

Also machten sie sich mit Feuereifer daran: Sie zeigte ihm zuerst die Personalpronomen, indem sie die Gebärden ausführte und sie artikulierte. Daniel sah ihr aufmerksam zu und wiederholte sie mit besten Wissen und Gewissen. Er sah, dass Emma Spaß dabei hatte, ihm ihre Sprache zu lehren, und er dachte, dass es ihm ebenso ging. Nachdem sie damit zufrieden war, zeigte sie ihm in der gleichen Art und Weise Begrüßungen, Grundbedürfnisse, Hörstatus, Geschlechter und die Possessivpronomen: mein, dein, sein, ihr, unser und euer. Aufs Neue wiederholte er die Gebärden und erfreute sich an ihrem zufriedenen Lächeln.

„Du bist gut", stellte sie fest und er bedankte sich in DGS, so wie er es bei ihrem Zusammensein im Café gesehen hatte.

Erstaunt zog sie die Augenbrauen hoch und erwiderte lächelnd: „Bitte."

Wieder machte sie die Gebärde dazu und er wiederholte sie sofort, was ihre Augen zusätzlich zum Strahlen brachte. Sein Herz schlug Purzelbäume. So in dem Maß hatte er das nie erlebt, dachte er und gebärdete ein Ja, als sie ihn fragte, ob er weitermachen wollte. Jetzt wandte sie sich der Umwelt zu und deutete auf alles, was in der Nähe war: die Decke, die Enten, die Flaschen, die Wurst, den Käse, die Bäume, dem Brot, dem Gras, den Weg, den Menschen, dem Hund, den Steinen und den Vögeln. Wie zuvor, sprach sie die Worte aus und machte die Gebärde dazu. Er wiederholte sie so genau wie möglich und als er eine falsch machte, schüttelte sie lächelnd den Kopf und zeigte sie ihm erneut. Ihm fiel auf, dass sie nun nicht mehr so schüchtern und gehemmt war. Im Gegenteil: Ihre Augen strahlten vergnügt und sie schien es jetzt mehr genießen zu können, dass sie hier zusammensaßen.

Schließlich nickte sie und meinte: „Genug für heute. Hast du genug zu üben. Falls Fragen du hast, du kannst mir schreiben und ich kann schicken Videobotschaft. Oh, wieder viele Fehler. Wir lernen beide, ok? Ich Lautsprache, du DGS. Dann wir können immer reden. Egal wie. Ach ja: Wenn wir haben keine Gebärde, wir buchstabieren mit Fingeralphabet. Du willst sehen?"

Er gebärdete aufs Neue eine Zustimmung und wieder lächelte sie. Er konnte nicht genug davon bekommen. Sie zeigte ihm das Fingeralphabet langsam und er machte es ihr nach. Wieder nickte sie und er lächelte.

Dann gab er zu: „Das muss ich aber üben, bis ich das flüssig kann."

„Nicht schlimm. Habe viele Jahre Vorsprung. Aber lernst du schnell. Gar nicht schlecht", erklärte sie und er zuckte mit den Schultern.

Dann fragte er: „Stimmt es, dass viele von euch die Lautsprache nicht können?"

Emma sah ihn lange an und meinte: „Manche. Aber immer weniger. Viele lernen jetzt ganz normal Lautsprache, wenn sie bekommen in Kleinkindalter Implantat zu hören, bevor sie lernen sprechen. Dann können Kinder DGS und Lautsprache. Aber ältere Generation oder Menschen ohne Implantat müssen Lautsprache schwer lernen. Wie meine Eltern. Die mussten in Schule lernen, war Schulfach damals. Hieß Artikulation. Sie mochten das nicht. Weil schwierig ist und weil sie oft wurden ausgelacht von hörenden Kindern, weil sie können nicht gut oder es klingt komisch. Ich habe auch so ähnlich gelernt, mit Sprachtherapeut. Glaube, ist ok. Nur Übersetzung ist schwer für mich, weil ich wenig Übung habe. Aber meine Eltern sprechen nur DGS, nur falls nicht anders geht, sie reden Lautsprache. Ich habe wenig Gelegenheit zu üben, ist wie Fremdsprache, muss man üben, um zu werden besser. Also ich hoffe, ich schaffe, wenn ich mehr Übung hab."

Er merkte, wie sich erneut eine sanfte Röte über ihre Wangen legte und sie an der Innenseite ihrer Backe kaute, während sie ihn verunsichert ansah. Scheiße, das fand er echt süß. Wieder griff er automatisch nach ihrer Hand und merkte, wie sie auf ihre Finger sah, ehe sie den Blick hob und ein leichtes Lächeln um ihren Mund zuckte.

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