5 - Geständnisse - Teil 1

127 30 60
                                    

„Es gäbe eine Möglichkeit vielleicht, aber wie hoch Erfolgsaussichten sind, weiß ich nicht", gab Emma zu.

„Ach ja? Das überrascht mich. Was ist es?", fragte er und sie deutete fragend auf das Handy, das sie auf den Tisch gelegt hatte, wohlwissend, dass ihr manche Worte fehlen würden und er sie in DGS nicht komplett verstehen konnte.

Er nickte und nachdem sie es sich gegriffen hatte, schrieb sie: „Es nennt sich Cochlea-Implantat, kurz CI. Dabei wird ein Elektrodenträger in die Hörschnecke eingeführt, der die Hörnerven im Innenohr reizt. Ich könnte damit gegebenenfalls hören. Ich kenne ein paar CI-Träger, die hören gelernt haben. Allerdings waren diese Kleinkinder, als sie es bekommen haben. Ich weiß nicht, inwiefern meine Nerven schon verkümmert sind und ob ich lernen könnte, zu hören. Das müsste mit Tests belegt werden."

„Du denkst darüber nach?", erkundigte er sich lautsprachlich.

„Ja. Schon länger. Nicht erst, seit ich dich kenne. Ich mag mein Leben, aber ich würde gerne wissen, wie ein Vogel singt und wie es sich anhört, wenn ein Hund bellt. Und ich würde gerne wissen, wie deine oder meine Stimme klingt, mein Lachen, dein Lachen", gestand Emma ebenso.

„Was sagen deine Eltern dazu? Du brauchst ihre Einwilligung, oder?", fragte Daniel.

„Wissen sie nichts davon. Würden sie nicht verstehen", stellte sie fest.

„Woher willst du das wissen, wenn du nicht mit ihnen darüber gesprochen hast?", fragte er.

„Ich weiß es einfach, ok?", antwortete sie und rutschte von seinem Schoß.

Sie stellte sich an die Balkonbrüstung und sah auf das Grün vor ihr. Sie spürte, wie Daniel sich neben ihr platzierte und als er sie berührte, drehte sie sich seufzend zu ihm.

„Was ist los?", gebärdete er.

„Ich will nicht darüber reden", erwiderte sie und Daniel hob nur eine Augenbraue, zum Zeichen, dass er sich damit nicht zufriedengeben würde.

„Sie würden ihr Einverständnis ohnehin nicht geben", stellte sie fest.

„Warum?", hakte Daniel nach.

„Sie sind der Meinung, dass man zufrieden sein soll, mit dem, was man hat. Sie halten nichts davon", erklärte sie resignierend.

„Woher weißt du das?", bohrte er weiter.

„Ich weiß es einfach! Lass uns das Thema jetzt beenden", schlug sie vor.

„Nein", beharrte Daniel schlicht.

Sie wollte gehen, doch er hielt sie fest und fragte nochmal: „Wieso bist du dir so sicher?"

„Ich weiß, wie sie über CI-Träger sprechen, ok? Sie halten es für eine Art Verrat, wenn jemand sich entschließt, seine Identität aufzugeben", erwiderte sie traurig und fügte an: „Wie soll ich ihnen meinen Wunsch beichten?"

Emma sah ihn betrübt an und er nickte. Daniel zog sie tröstend in die Arme und sie lehnte sich an ihn. Sie hatte den Kopf an seiner Schulter geborgen und er roch aufs Neue ihr Shampoo. Der Zitrusduft war unauslöschlich mit ihr verbunden, stellte er fest. Er sah, wie der Himmel zuzog und spürte, wie der Wind auffrischte. Doch Emma blieb, wo sie war. Er hielt sie weiter fest, bis zu dem Moment, an dem er merkte, dass sie fror. Wortlos machte er sich sanft von ihr los und zog sie nach drinnen. Als sie ihn fragend ansah, deutete er auf den Himmel und sie nickte.

„Warte hier. Ich komm gleich wieder", gebärdete er und trat erneut auf den Balkon, wo er hastig die Sachen zusammenstellte und sein Handy holte, denn es hatte schon zu regnen begonnen.

****

Emma sah ihm zu und versuchte zu verstehen, warum sie sich so verletzlich fühlte. Sie hätte heulen können. Sie schlang die Arme um sich und kam sich verloren vor. Im Grunde war sie genauso schutzlos wie er, erkannte sie. Als er lächelnd auf sie zutrat, beobachtete sie, wie er die Sachen auf den Tisch fallen ließ.

Hear the worldWhere stories live. Discover now