XIII.

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Jo

Ich finde, Charlie hat es gut auf den Punkt gebracht. Ich bin eine scheiß Schmarotzerin. Und dass er mich daran erinnert, löst in mir tiefe Bedrängnis aus. Es war richtig schön, als er mir geschrieben hat, dass wir eine Weile weg sein würden. Doch jetzt hocke ich mit einem Wahrheitsager im Auto und fühle mich wieder so beschissen.

Er würde sagen, dass sich etwas zwischen uns seit meinem Zusammenbruch im letzten Jahr verändert hat. Aber ich finde eher, dass es Silvester war.

Da war nämlich sein Zusammenbruch.

„Also, wohin geht's, mein Hübscher?"

Ich strecke den Arm nach ihm aus und lege ihm meine kalte Hand in den Nacken. Er schmiegt sich genießerisch an sie. Ja, schön kalt und verderblich und schmerzhaft.

„Wir machen einen Trip in den Wald." Mehr verrät er mir nicht.

Nach einer halben Stunde haben wir die Stadt ganz weit hinter uns gelassen und das wiederum fühlt sich nicht schlecht an. Die Landstraße liegt einsam vor uns, während neben uns verschneite Felder eine Idylle wie im Film erzeugen.

Das ist so ein lebendiger Moment, oder?

„Komm, lass mal schreien, Charlie!", schreie ich vor Freude glucksend und lasse das Fenster runterfahren. Eiskalter Wind schneidet mir die Haut, als ich meinen Kopf rausstrecke und meine Stimmbänder vibrieren lasse.

AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH wie gut das tut AAAAAAAAAARRGGHHH HHHHHHHHHHH gott mach dass das niemals aufhört AAAAAAAAAARRGGHHHH HHHHHHHHHH ich liebe das AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH ich muss gar nicht sterben AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH ich muss nur für immer schreien AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH ich bin so depressiv AAAAAAAAAAR RGGHHHHHHHHHHHHHH aber ich schreie sie raus AAAAAAAAAARRGGHHHHH HHHHHHHHH die Depression AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH das schwarze Nichts AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH raus damit AAAAAAAAAARRGGHHHHH HHHHHHHHH raus raus raus AAAAAAAAAARRGGHHHHHHHHHHHHHH

Raus raus raus. Doch als ich den Mund wieder schließe, das Fenster ebenso, und mich in den Sitz zurücklehne, greift mich wieder der Schmerz an. Das hört wohl niemals auf. Aber Charlie und ich lachen trotzdem ganz verrückt. „WOOUUUHHUUUU!!!!" Wenigstens Charlie. Wenigstens steht er mir bei. Wenigstens ist er ein bisschen so wie ich.

Am Ende kommen wir doch noch an. Wir parken die Karre am Waldrand und spazieren durch die Gegend. Er hat schon vor ein paar Minuten nach meiner Hand gegriffen. Ich mag es, wenn er mich einfach an sich nimmt.

Denn ich gehöre ihm.

Das ist so viel leichter, als sich selbst zu gehören. 

GUILTWhere stories live. Discover now