10. Benno

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Ich konnte nicht verhindern mit den Augen zu rollen, als ich Benno unweit der Grenze auf unserer Seite sitzen sah. Mir hätte bewusst sein müssen, dass er zurück kommen würde. Hoffentlich hatte er nicht die ganze Nacht hier gewartet, sondern auch ein wenig Zeit mit meinem Bruder verbracht. Flynn brauchte die Nähe zu seinem Gefährten dringend.

Mein Beta sah mir abwartend entgegen, während ich nur stumm an ihm vorbei ging. Ich hatte Dinge zu erledigen und musste Flynn nach Hause bringen, bevor Dad etwas von unserer Abwesenheit bemerkte.
Außerdem wollte ich nicht mit Benno reden. Ich wollte ihm nicht erklären müssen, warum ich die ganze Nacht in einem fremden Rudel verbracht hatte. Ich wusste, dass es ein seltsames Bild machte und dass Benno schlau genug war, um zu begreifen, dass hier etwas im Busch war.

Man konnte die Morgendämmerung bereits am Horizont erkennen, der Himmel über dem dichten Blätterdach wurde langsam heller und die ersten Vögel begannen schon zu zwitschern. Hätte mich mein Gefährte nicht geweckt, hätte ich das verpasst und würde wohl noch immer selig vor mich hin schlafen.

So eine ruhige und entspannte Nacht hatte ich seit Jahren nicht mehr. Die letzte Nacht mit meinem Gefährten war schon besonders, aber diese Nacht, gemeinsam in unserer Höhle, abgeschottet von allen anderen und die Nähe genießend, übertraf alles andere. Ich fühlte mich so erholt wie nie und frischer Tatendrang sprudelte durch meinen Körper.
Alles nur dank meinem Gefährten, der die ganze Nacht bei mir geblieben war.

Ich hatte beim Einschlafen schon Angst, dass ich wieder alleine wach werden würde. Umso mehr hatte ich mich dann über seine Anwesenheit gefreut. Dass er sich sogar die Mühe gemacht hatte und mir einen Feldhasen zum Frühstück gefangen hatte, fand ich extrem rührend.
Nachdem wir uns diesen Leckerbissen geteilt hatten, waren wir noch einen Moment beieinander liegen geblieben, bevor wir uns mit einem sanften Stups voneinander verabschiedet hatten.

Heute Nacht würde ich wieder zu unserer Höhle gehen, komme was wolle. Diesen Entschluss hatte ich in dem Moment gefasst, in dem wir getrennt voneinander die Lichtung verlassen hatte.

Die Gespräche müssen ja erfolgreich gewesen sein, wenn du so lange dort warst. Bennos Tonfall entging mir natürlich nicht, ich ignoriere ihn nur gekonnt und stimmte ihm mit einem Brummen zu. Etwas anderes blieb mir auch gar nicht übrig. Ich musste irgendwie den Schein bewahren.

Wie geht es Flynn?, fragte ich stattdessen und versuchte das Gespräch auf ein deutlich wichtigeres Thema zu lenken.

Irgendwann würde ich meinem Bruder und meinem Beta von meinem Gefährten erzählen, aber fürs erste wollte ich ihn für mich behalten. Zwischen uns war alles noch sehr wackelig und instabil, das wollte ich keinesfalls gefährden. Wir mussten erst richtig zueinander finden, bevor ich anderen von uns erzählen konnte.

Ich wollte mir vor allem erst gar nicht ausmalen, wie mein Vater reagieren würde, wenn die Information zu ihm durchsickern würde. Er würde wahrscheinlich durch die Decke gehen und alles daran setzen, unsere Verbindung zu verhindern. Immerhin war weder ich noch mein Gefährte in der Lage Kinder zu gebären und ohne einem kräftigen Nachfolger stand das Schicksal des Rudels auf wackligen Beinen.

Darüber machte ich mir zwar jetzt noch keine Gedanken, das würde sich schon irgendwie alles einpendeln, aber ich kannte meinen Vater und wusste, dass er es nicht so auf die leichte Schulter nehmen würde wie ich.

Mein Ziel war es jetzt erst einmal meinen Gefährten zum Sprechen zu bringen, damit ich wenigstens seinen Namen erfuhr.
Alles Weitere konnte sich ruhig hinten anstellen.

Benno brauchte lange bevor er mir antwortete, während er mit schweren Schritten neben mir her lief. Ich konnte noch immer nicht verstehen, wie er es geschafft hatte, sich anzuschleichen, ohne dass ich ihn bemerkte hatte. Seine Schritte waren alles, aber nicht leise oder durchdacht.

wild wolf ✓Where stories live. Discover now