24. Abendessen

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„Verdammt Iacob, jetzt krieg dich wieder ein", knurrte Kaspar wütend und packte mich unsanft an den Haaren, während er mich von dem eigentlich kampferfahren Mittdreißiger wegzog.

Seit wenigen Tagen durfte ich wieder trainieren, aber das auch nur in meiner menschlichen Form, da ich in meiner Wolfsform zu unberechenbar war. Kaspers Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte ich dieses Privileg jedoch bereits wieder verloren. Er stieß mich unsanft von sich weg und half Markus dann auf die Beine.

„Das ist kein Zustand mehr mit dir", zischte mein Trainier, kaum dass Markus etwas Abstand zwischen uns gebracht hatte. „Was ist denn los mit dir, dass du dich so wenig unter Kontrolle hast." Kaspar schnaubte und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, weißt du was? Ich will es gar nicht erst wissen. Du kannst wieder zum Training kommen, wenn du wieder weißt, wie man sich normal verhält. Bis dahin begleitest du die Jugend auf all ihren Patrouillen und wehe einer wird verletzt." Kaspar hob drohend seinen Finger, drückte ihn mir unsanft in die Brust und drehte sich dann ohne auf eine Antwort zu warten von mir weg. Ich hörte ihn noch zahlreiche Beschimpfungen murmeln, bis er zu weit entfernt war und mich schlussendlich alleine auf dem Trainingsplatz stehen ließ.

Es dämmerte bereits. Jeder, der gerade nicht auf Patrouille war, verbrachte wahrscheinlich ein gemütliches Abendessen mit ihren Liebsten, bevor sie dann entspannt ins Bett gehen würden. Ich dagegen wusste, dass zuhause keiner wartete, es würde zwar Essen für mich da sein, aber ich musste es mit ziemlicher Sicherheit in der Mikrowelle nochmal aufwärmen und alleine essen, bevor ich alleine ins Bett ging.

Ich zögerte es mittlerweile so gut wie möglich hinaus ins Bett zu gehen. Seit Tagen plagte mich eine starke Schlaflosigkeit, die jede Nacht zur Qual machte. Ich hatte es aufgegeben nach meinem Gefährten zu suchen und brachte es auch nicht mehr übers Herz die Nächte ohne ihm in unserer Höhle zu verbringen, weshalb ich mich nun lieber stundenlang in meinem Bett von links nach rechts wälzte.

Wenn ich dann jedoch mal einschlafen konnte, hatte ich Albträume. So stark, dass ich sofort wieder aus dem Schlaf gerissen wurde und keine Möglichkeit mehr hatte auch nur noch weiter ruhig liegen zu bleiben, sodass ich mitten in der Nacht wieder aufstand, um mich meistens mit Training wieder abzulenken. Ich konnte mich nie an die Träume erinnern, aber sie waren schmerzhaft und mit jedem weiteren Traum wurde das schlechte Gefühl in meinem Inneren stärker. Ich konnte das Gefühl nicht benennen, aber es setzte mein ohnehin bröckelndes Herz nur noch weiter unter Druck.

Die Schlaflosigkeit setzte mir ganz schön zu, wodurch auch meine Launen nur noch unberechenbarer geworden waren. Ich konnte es Kaspar nicht verübeln, dass er mich erneut des Trainings verwiesen hatte, ich an seiner Stelle hätte genauso gehandelt.
Ich schämte mich beinahe für mein eigenes Verhalten, aber gleichzeitig gab es keine Möglichkeit etwas daran zu ändern.

Der Nachhauseweg zog sich. Die beleuchteten Fenster und die glücklichen Familien, die man darin sehen konnte, machten es mir noch schwerer nach Hause zu gehen. Dass in unserer Küche jedoch auch das Licht brannte, überraschte mich sehr.

Flynn lächelte mir zu, als ich in unsere Küche trat und machte eine etwas seltsame Bewegung in Richtung Herd, auf dem zwei Töpfe standen.

„Hey, uhm... ich habe das Essen noch warm gehalten, damit... naja... damit du nicht alleine essen musst." Die spürbare Anspannung, die zwischen uns lag, gefiel mir überhaupt nicht und dass Flynn mir nicht einmal richtig in die Augen sehen konnte, verletzte mich irgendwie. Dass er mir jedoch beim Essen Gesellschaft spenden wollte, freute mich dann doch ein wenig.

„Danke."

Mein Bruder lächelte schüchtern, kletterte dann von seinem Stuhl und stellte die zwei Töpfe auf den Tisch, der bereits für Zwei gedeckt war und hielt mir auffordernd die Soßenkelle entgegen, ehe er sich wieder im Schneidersitz auf den Stuhl setzte. Der Duft nach Käsesahnesoße stieg mir sofort intensiv in die Nase, als ich den Deckel öffnete und ich konnte dabei nicht verhindern zufrieden aufzuseufzen. Das war mit Abstand mein Lieblingsgericht, das Flynn mittlerweile schon seit einer Weile nicht mehr zubereitet hatte. Mein Hunger wurde dadurch gleich hundert Mal stärker und dementsprechend voll wurde auch mein Teller.
Flynn beobachtete mich lächelnd, tat sich dann selbst noch eine deutlich kleinere Portion auf seinen Teller, ehe wir in Stille aßen.

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