15. Rangelei

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Das wütende Knurren, das aus meiner Kehle blubberte, überraschte Benno sichtlich. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich wütend auf seine Worte reagierte oder gar direkt auf ihn losgehen würde. Aber in diesem Moment wusste ich mir einfach nicht mehr zu helfen. Der Schmerz und die Wut über seinen Egoismus schürten gerade meine animalische Seite, sodass der rationale Teil kein Mitspracherecht mehr hatte. Er versuchte sogar noch zurückzuweichen, doch mein Wolf hatte längst die Kontrolle übernommen und sich auf meinen Beta gestürzt. Aus irgendeinem Grund wollte ich ihm damit auch verdeutlichen, dass ich sehr wohl Eier hatte und er nicht denken brauchte, dass er so mit seinem Alpha reden konnte. Der Schwung meines unvorhergesehenen Angriff riss Benno von seinen Beinen, sodass er zur Seite umkippte und mich mit sich riss. Unsere Körper trafen mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden auf und während Benno noch immer nicht ganz umrissen hatte, was gerade geschah, hatte ich mich bereit in seinem Fell verbissen. Dann reagierte er schnell, versuchte mich von sich zu lösen, aber brachte nur mehr Schwung in unseren Fall, wodurch wir immer weiter auf den Abhang zu rollten. Er realisierte bald, dass er mich nicht von sich wegbekommen würde und ging stattdessen zum Gegenangriff über. Er verbiss sich ebenfalls in mein Fell und versuchte mich mit seinen Klauen zu erwischen.

Knurren, Bellen und vereinzeltes Jaulen war von uns beiden zu hören. Wir zeigten beide kein erbarmen und gingen rigoros auf den anderen los. Spitze Steine und harte Äste bohrten sich in unsere Körper, während wir über den Waldboden kugelten und dabei immer weiter an Geschwindigkeit zunahmen.

Bevor einer von uns reagieren oder die Klippe überhaupt wahrnehmen konnte, hatten wir sie bereits erreicht und lösten uns erst erschrocken voneinander, als wir beide keinen Boden mehr unter uns spürten konnten. Panik schoss augenblicklich durch meinen Körper, während ich strampelnd versuchte mich im Fall zu drehen und auch Benno jaulte hilflos, ehe wir zeitgleich mit einem unschönen Geräusch auf dem matschigen Waldboden auftrafen.
Vereinzelte Vögel wurden davon aufgeschreckt und flogen mit lauten Zwitschern davon und ein Hase suchte gleich Haken schlagend das Weite.

Der Aufprall drückte mir sämtliche Luft aus den Lungen und die Wurzel, auf der ich gelandet war, bohrte sich schmerzhaft in meinen Rücken. Schmerz schwappte wie Feuer durch meinen Körper und machte mich kurzeitig orientierungslos.

Ich brauchte einige Moment, bis ich meinen Körper wieder unter Kontrolle hatte und sog angestrengt Luft ein, versuchte irgendwie den Schmerz zu ignorieren. Meine Augen flatterten langsam auf. Dadurch konnte ich die Klippe sehen und zum Glück feststellen, dass wir maximal vier Meter gefallen waren. Das war keine Höhe mit der unsere Selbstheilungskräfte nicht zurecht kommen würden.
Auch, wenn mein Rücken gerade etwas anderes sagte.

Benno neben mir war offenbar an einer besseren Stelle gelandet, denn er erhob sich recht schnell wieder, schüttelte sein Fell aus, in welchem sich der Matsch schon festgehängt hatte, und legte dann den Kopf in den Nacken, um die Klippe ebenfalls zu begutachten.

Er sah nicht einmal zu mir, als ich mich schwerfällig auf den Bauch rollte und mich nur mit zusammengebissenen Zähnen aufrichten konnte. Meine Hinterläufe gaben mehrmals unter meinem Gewicht nach und gehorchten mir nur wenig, was mir deutlich zeigte, dass meine Wirbelsäule bei diesem Sturz doch etwas abbekommen hatte.

Mein Herz raste, jeder Atemzug schmerzte und ich wollte mich am liebsten einfach direkt wieder hinlegen. Doch dieser schattige, matschige Ort war nicht passend für ein Nickerchen und ich musste meine Wunden erst versorgen, bevor ich an Schlaf denken konnte.
Außerdem würde ich Benno damit nur Schwäche zeigen und das wollte ich gerade ganz und gar nicht.

Ohne auf ihn zu achten und viel mehr darauf konzentriert nicht zu humpeln, bahnte ich mir langsam den Weg zurück. Nicht zurück zu unserer Siedlung, sondern zurück zu meinem Gefährten. Ich wusste, dass er am helllichten Tag nicht an unserer Höhle auf mich wartete, aber dann würde ich ihn eben suchen. Und wenn ich dafür sein gesamtes Revier durchqueren musste, dann würde ich das auf mich nehmen. Ich wollte gerade einfach nur noch zu ihm.

Bennos Worte hallten weiterhin laut durch meinen Kopf und wäre mein Körper nicht so von Schmerz erfüllt, würde es mein Blut erneut zum Kochen bringen.

Ich konnte seinen Ärger ja verstehen, aber mich unter Druck zu setzen, war sicherlich nicht der richtige Weg. Er kannte mich besser als jeder andere und vor wenigen Wochen hatte er mir erst noch zugestimmt, dass sinnvoller war noch etwas zu warten. Er war sonst auch immer der Meinung, dass es viel zu früh war und dass ich mein Leben erst leben sollte.
Woher kam der plötzliche Sinneswandel und warum konnte da nicht normal mit mir sprechen? Warum musste er mir gleich derartige Vorwürfe machen und mich damit so verletzten? 

Hatte er vielleicht die ganze Zeit über schon so gedacht und mir nur mir zu liebe zugestimmt? Wollte er von Anfang an, dass ich noch früher Alpha wurde als ohnehin schon? Hatte vielleicht einfach er nicht die Eier mir seine wahre Meinung zu sagen?!

Wo gehst du hin? Das ist der falsche Weg!
Wut schwang deutlich in seiner Stimme mit, während er stehen blieb und mir mit angelegten Ohren hinterher sah, wie ich einfach die Richtung zu unserer Höhle einschlug, anstatt mit ihm zum Rudel zurück zu gehen.

Ich wusste, dass dieser Kampf unsere Freundschaft tief zerrüttet hatte und dass er schlussendlich kein weiteres Mal nachfragte und einfach weiterging ohne darauf zu achten, was ich tat oder wie es mir ging, bestätigte mir dies nur noch weiter.

Kaum war Benno außer Sichtweite gönnte ich mir eine Verschnaufpause und sackte auf der Stelle zusammen. Von hier aus war es noch ein gutes Stück bis zu unserer Höhe und von dort aus dann noch weiter, bis ich meinen Gefährten gefunden hatte. In meiner jetzigen Verfassung hatte ich nicht das Gefühl, als würde ich noch sonderlich weit kommen.

Mein Stolz brachte mich dann jedoch wieder dazu mich aufzuhieven. Ich würde sicherlich nicht schwach in meinem Revier liegen und damit andauernd Gefahr laufen, dass eine Patrouille vorbeikam und den zukünftigen Alpha irgendwie jämmerlich liegen sah.

Nur deswegen kämpfte ich mich humpelnd und deutlich langsam als vorhin bis an die Grenze zum Revier meines Gefährten vor. Die Selbstheilungskräfte hatten schon eingesetzt, wodurch mein gesamter Körper kribbelte und mich nur noch weiter dazu verlockte mich einfach hinzulegen. Doch mit viel Willenskraft konnte ich diesem Drang widerstehen und schaffte es tatsächlich über unsere Duftmarkierung hinweg in das andere Revier.

Zu meiner großen Überraschung war es mein Gefährte, der direkt an meiner Seite war und mit einem besorgten Winseln meinen Körper beschnupperte. Meine Rute begann langsam hin und her zu wedeln. Die Freude, dass er mich gleich begrüßte, dass ich ihn nicht erst suchen musste, war extrem groß. Vor allem war ich erleichtert, dass ich ihn nicht auch noch suchen musste.
Seine Ohren zuckten angestrengt hin und her, ehe er mir etwas Hilfestellung gab und wir gemeinsam fast schon in Zeitlupe zu unserer Höhle gingen.

Auf der Lichtung unserer Höhle konnte ich mich endlich entspannen und sackte direkt zusammen. Warme Sonnenstrahlen schienen auf den Waldboden hinunter und wärmten gleich mein dreckiges Fell, sodass ich nur zufrieden die Augen schließen konnte. Mein Gefährte begann sofort mich sauber zu lecken, während ich einfach nur seine Nähe genoss und regelrecht spürte, wie mein Körper in seiner Gegenwart besser heilte. 

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