Anfang und Ende

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Kapitel 3: Anfang und Ende

JJ seufzte leise, als sie aus dem Wagen ausstiegen. Das Haus, in dem ihr erstes Opfer, Charlie Nell, gewohnt hatte, war ein kleines Einfamilienhaus, das den Traum einer perfekten, amerikanischen Familie bildete. Weiß getünchte Fassade, grüne Fensterläden, Blumenbeete, zwei Autos in einer gepflasterten Einfahrt, ein weißer Zaun.
„Das Bilderbuchhaus“, murmelte sie, die Jacke herunterzupfend.
Hotch schenkte ihr ein freudloses Zucken der Mundwinkel. „Diese Familien haben meistens Geheimnisse und Probleme, die sie vor aller Welt mit dem Reichtum kaschieren.“
„Könnte das der Grund für die Bestrafung sein? Zu viel Geld?“
„Unwahrscheinlich. Tim Brewster wohnte in einem der schlechtesten Studentenwohnheime der Stadt.“
JJ nickte, bevor sie klingelten.
Eine kleine, rothaarige Frau öffnete ihnen und selbst ohne den groben Hintergrund ihres Sohnes zu kennen, hätte man sofort gewusst, dass sie seine Mutter war. Auf ihrem Gesicht fand man die typischen Spuren eines Lebens, das von Lachen und Frohsinn geprägt gewesen war, obwohl nun nichts mehr davon übrig geblieben war.
„Ja?“, fragte sie mit brüchiger Stimme.
„Agent Aaron Hotchner und Agent Jennifer Jareau vom FBI, wir haben einige Fragen zum Tod ihres Sohnes“, stellte Hotch sie beide vor.
„FBI? Aber die Polizei hat uns schon ausführlich befragt.“
„Wir helfen bei deren Ermittlungen.“
Man konnte ihr den Zweifel deutlich ansehen, doch schließlich trat sie einen Schritt beiseite, sodass die Agents eintreten konnten.

„Setzen Sie sich doch“, forderte Mrs Nell sie auf. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
„Danke, nein“, antwortete JJ. EineFrau,dieesgewohntist,dassGästeinsHauskommen. Konnte es sein, dass sie den Täter bereits bewirtet hat? Kannte sie ihn?
„Mrs Nell, wir würden gerne etwas über Ihren Sohn erfahren“, begann Hotch, was die Frau augenblicklich verunsicherte.
„Charlie war ein guter Junge... er war gut in der Schule, sportlich. Er trainierte die jüngeren Kinder der Fußballmannschaft.“ Mrs Nell unterbrach sich und hielt die Hand vor den Mund, als wolle sie ein Schluchzen unterdrücken. JJ beugte sich vor, machte sich so kleiner, sodass sie die Frau nicht noch mehr verunsicherte.
„Wir wissen, wie schwer das für Sie ist“, sagte Sie einfühlsam. „Gab es Veränderungen in letzter Zeit? Hat sich Charlie in irgendeiner Weise anders verhalten als gewöhnlich.“
„Er... er hat uns nicht mehr alles erzählt, aber das ist doch normal... ich glaube, er hatte Streit mit seiner Freundin, doch das hat sich wieder geklärt.“
Die Agenten tauschten unbemerkt einen kurzen Blick. „Können Sie uns den Namen seiner Freundin sagen?“
„Emma Morris. Sie war ein Jahr jünger als Charlie.“
„Vielen Dank, M'am. Wir würden uns gerne noch sein Zimmer und seinen Computer ansehen.“
„Natürlich. Hier entlang.“

**


Begleitet vom leisen Klingeln der Türglocke betrat Juliana den Bücherladen. Sofort schlug ihr die angenehm warme Luft entgegen.
Direkt im vorderen Bereich des Raumes befanden sich halbhohe Tische, auf denen die neusten Bücher mit großen, hohen Schildern angepriesen wurden. Es waren meistens kommerzielle Romane von Amerikanischen Autoren, für die Juliana sich seit einigen Jahren schon nicht mehr interessierte. Dahinter begann das Herz des Ladens, ein kleines Labyrinth aus Bücherregalen, voll mit Romanen und auch seltenen Sachbüchern. Und fremdsprachiger Literatur!
Juliana rückte die Tasche zurecht und fischte einen Haargummi aus der Hosentasche, mit dem sie sich aus Angst, dass ihre inzwischen pitschnassen Haare die Bücher volltropfen könnten, die Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammenband.
„Jaja, pass auf, dass du mir meine Auslage nicht zerstörst!“, rief Andy, der Ladenbesitzer, auf Deutsch, als er sie erkannt hatte. Er war ein hünenhafter Mann mit deutschen Wurzeln, der mit ihr in seiner Muttersprache redete, seit er erfahren hatte, dass sie neben Musik auch Germanistik studierte.
Sie erwiderte sein Lachen, bevor sie in das Labyrinth eintauchte und Andy mit einer herzlichen Umarmung begrüßte. „Hatte ich nicht vor.“
„So ein Sauwetter draußen, oder?“
„Grässlich... Ich hab Faust seit gestern Abend übrigens fertig“, antwortete sie, während ihr Blick wieder über die langen Regale glitt. Unzählige dicke Romane versprachen ihr die langen Abende zu versüßen, wenn sie allein in ihrem Einzimmerapartment saß und nichts mehr zum Lernen hatte.
„Hat er dir gefallen?“
„Absolut! Aber jetzt hab ich ihn eben durch und suche nach etwas Neuem.“
„Sieh dir dort hinten mal die Auslage an. Ich hab seit gestern den neuen Roman von Umberto Eco.“
Ihre Augen blitzten. „Du weißt dann ja, wo du mich findest.“

**


„Das ist die ruhigste und sauberste Gasse, die ich je gesehen habe!“
Morgan grinste als Antwort auf Emilys Ausruf, als sie am letzten Tatort angekommen waren. Die Fahrt hatte ungewöhnlich lange gedauert, da trotz der frühen Stunde sehr viele Autos auf den Straßen gewesen waren. „Trotz des Regens...“, entgegnete er, bevor er das Absperrband für seine Kollegin hochhielt. „Ladies first.“
„Ganz der Gentleman, Derek Morgan!“, lächelte sie. „Also. Hier stehen die Mülltonnen eines Nachtclubs und kurz vor der Straße wurde das Opfer gefunden. Es gibt keine Kameras und die Gasse ist nicht direkt einzusehen. Der Täter hat diesen Ort also bewusst ausgesucht?“
„Mhm...“ Morgan schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, bevor er mit seiner üblichen Prozedur begann, sich in den Mörder hineinzuversetzen.
Eine kleine Welle von Befremdung fuhr durch seinen Körper, doch er wusste, dass es sein musste, wenn er der Gerechtigkeit zu ihrem Sieg verhelfen wollte. Er würde sich nicht in den verworrenen Denkweisen eines Serienmörders verlieren. Dennoch blieb das beklemmende Gefühl für einige Herzschläge.

„Ich möchte den jungen Mann mit Gift umbringen und locke ihn hierher. Aber wie?“ Er trat auf die Hintertür des Clubs zu. „Ein Junge seines Alters wird nicht mit irgendeinem Fremden in diese Gasse gehen, wenn er vorher auf der Hauptstraße war. Also war ich mit ihm zusammen im Club. Ich bringe ihn dazu, hierher zu gehen... Flirte ich? Wenn ja, dann muss er entweder betrunken gewesen sein...“

Prentiss unterbrach ihn. „Nein, man hat keinen Alkohol in seinem Körper gefunden.“
„Also muss ich sein Typ gewesen sein und habe sicherlich mit ihm geflirtet. Oder...“
„Der Täter hat ihm gesagt, dass hier jemand Hilfe braucht.“ Emily kam mit vor der Brust verschränkten Armen auf ihn zu. Ihre Absätze klapperten über den Boden.

„Also gut, ich locke ihn hinaus aus dem Club, dann steche ich ihm die Spritze in den Arm, schließe seine Augen und drücke ihm meine Botschaft in die Hand. Aber, da ich ihm schon eine Botschaft in die Hand drücke, werde ich ihm vorher wohl mitgeteilt haben, warum ich ihn töte. Er versucht zu entkommen, schafft es aber nur bis hier her“ Morgan ging neben der Stelle in die Knie, an der James Hold gefunden worden war. „Danach entkomme ich unbemerkt, da hier keine Kameras sind. Gut durchdacht.“

„Es ist also ein gut organisierter Täter, der die Umgebung kennt. Die Idee, dass es tatsächlich eine Frau ist, scheint gerechtfertigt zu sein, betrachtet man den Tatort“, schlussfolgerte Emily. „Wenn wir davon ausgehen, dass sie Informationen über ihre Opfer sammelt, ist es möglich, dass sie sie längere Zeit beobachtet. Wir müssen mehr über die Jungen wissen.“
„Garcia recherchiert noch.“
„Und dann die Nachricht....“ Sie musterte noch immer die Gasse, genau beobachtet von Morgan. „In welchem Zusammenhang steht sie zu den Opfern?“
Der Agent zuckte mit den Schultern. „Hoffen wir, dass Reid das Drama wirklich kennt.“

Gretchentragödie [Eine Criminal Minds Fanfiction]Where stories live. Discover now