Sieben: Die Nacht der fallenden Sterne

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KÖNIGREICH NOVARIS

NEVA

Sobald die wandelnden Pfade uns freigaben, ließ Chion meine Hand so schnell los, dass man meinen könnte, er hätte sich daran verbrannt. Alleine diese kleine Geste reichte aus, um meine vor wenigen Stunden wiedergewonnene Fassung ins Wanken zu bringen. 

Als ob es alleine meine Idee war, dass wir uns an den Händen halten.

Maeve hatte bereits auf unserer zweiten Reise entdeckt, dass Körperkontakt mit dem Partner dazu führte, dass die wandelnden Pfade uns nicht an verschiedene Punkte im Zielreich teleportierten. Um eine brenzlige Situation wie in Luxferra zukünftig zu vermeiden, waren wir von da an immer Hand in Hand gereist. Chion wiederum schien diese Lösung ganz und gar nicht zu gefallen.

Verdrossen zupfte ich an meinen schwarzen Handschuhen, die bis über meine Ellenbogen reichten und versuchte gleichzeitig, mit meinen Schuhen nicht an den groben Pflastersteinen hängen zu bleiben. Die Pfade hatten uns dieses Mal gnädigerweise nicht direkt in einen Wald gebracht, sondern sehr viel näher an das Schloss, in dem der Ball stattfinden würde. In der Ferne konnte ich bereits die vielen kleinen Zinnen und Türmchen erkennen, sowie die riesige Fassade aus purem Diamant, die das Schloss in diesem Reich so besonders machte.

Während ich staunend den Ausblick vor uns betrachtete, achtete ich kaum mehr auf den Boden. Deshalb war es auch wenig überraschend, dass ich nach ein paar Schritten mit meinem linken Absatz zwischen zwei Pflastersteinen stecken blieb und so das Gleichgewicht verlor. Mit rudernden Armen fiel ich nach vorne, direkt auf Chion zu. Doch anstatt mich aufzufangen, drehte dieser sich schnell nach rechts, sodass nur meine vorgestreckten Hände mein Gesicht davor bewahrten, Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Benommen kniete ich nun auf dem harten Stein, die vielen Schichten meines Ballkleids wellenförmig um mich ausgebreitet. Meine Hände brannten höllisch. Als ich sie umdrehte, sah ich, dass die Handschuhe mittig zerrissen waren und an dieser Stelle Blut durch den Stoff quoll.

Tränen der Wut schossen mir in die Augen. Warum hatte Chion mich so demütigend zu Boden gehen lassen? Er hatte sich inzwischen umgedreht und musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen.

"Komm, wir müssen weiter, der Ball beginnt gleich."

Diese Worte reichten, um meinen Puls in die Höhe schießen zu lassen.

"Wir müssen weiter? Hast du sonst nichts zu sagen? Wärst du mir gerade eben nicht aus dem Weg gegangen, würde ich jetzt gar nicht erst auf dem Boden liegen!" Ich merkte, wie meine Stimme mit jedem Satz lauter wurde, doch es war mir egal.

"Es ist doch weiter nichts passiert.", meinte mein Gegenüber nur und zuckte mit den Schultern.

Anklagend hob ich beide Arme und zeigte ihm dabei meine blutigen Handflächen. "Findest du wirklich, das hier sieht wie nichts aus?"

Chion blinzelte kurz, dann sah sah er betreten zu Boden. Anstatt mir aufzuhelfen, streifte er jedoch lediglich seine eigenen Handschuhe ab und hielt sie mir dann entgegen.

"Nimm stattdessen meine."

Fassungslos starrte ich auf den mir dargebotenen Stoff. Anstatt mir dabei zu helfen, die Wunde mit Wasser auszuwaschen, wollte er lieber, dass ich sie ohne jegliche Reinigung versteckte?

"Was ist dein Problem Chion?!"

"Was meinst du?" Er besaß doch tatsächlich die Dreistigkeit mich dabei auch noch fragend anzusehen.

"Tu bloß nicht so unschuldig. Seit Tagen redest du kein Wort mit mir und jetzt kannst du mir nicht einmal helfen. Hasst du mich etwa so sehr?"

"Das ist nicht.."

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt