Siebzehn: ...so leben sie noch heute!

67 17 45
                                    

KÖNIGREICH VIRIDIA
NEVA

Steif stand ich inmitten der kleinen Hütte. Es war ein gemütlicher Raum, den ich mein Leben lang kannte. Und doch kam ich mir wie eine Fremde in meinem eigenen Haus vor. Meine Schwester- Ember- hatte mich hineingezogen und war dann meiner Mutter beim Schälen der Kartoffeln zur Hand gegangen. 

Ich jedoch war genau an der Stelle stehen geblieben, wo meine Schwester mich zurückgelassen hatte. Unfähig mich zu bewegen, jetzt wo die Flut an Erinnerungen meinen Geist zu lähmen schien.



Zwei kleine Mädchen, eine mit rotem, eine mit weißem Haar, spielten lachend vor einem kleinen Haus. Erst nach lautem Rufen ihrer Mutter gingen sie Hand in Hand in die Hütte, um zu Abend zu essen.


Ein kleiner Zwerg, der furchtbar schrie, als Ember ihm seinen Bart abschnitt.


Ein Saal voller großer Eisskulpturen und ein Mann in weißen Kleidern, der mir wild gestikulierend eine Geschichte zu jedem Kunstwerk erzählte.


Lange Spaziergänge durch einen wunderschönen Wald, bei denen ich an der Seite von Ember meinen Korb mit Blumen und Pilzen füllte.


Ein schöner junger Mann, der mich mit einem Lächeln ansah und dann vor mir auf die Knie ging.


Ember, die mit mir durch mein Zimmer tanzte und Blumen in meine Haare flocht, während sie sang. Meine Mutter, die uns gutmütig gewähren ließ, während sie ein schneeweißes Brautkleid mit winzigen silbernen Rosen bestickte.


Meine Hand, die gegen unnachgiebiges Spiegelglas presste und Chion, der mich voller Verzweiflung von der anderen Seite aus ansah.


Ein düsterer Wald, in dem ich plötzlich aufwachte, mit nichts als dem weißen Brautkleid am Leib.


Meine zitternden Hände, die eine silberne Schatulle in die Hände gedrückt bekamen und die Leere, die sich daraufhin in mein Herz fraß.




Unaufhörlich flossen die Bilder meiner Vergangenheit in meinen Geist, wirbelten dort umher und vermischten sich mit dem Leben, das ich die letzten hundert Jahre in Kreoniel geführt hatte. Hinzu kamen all die Gefühle, die mit jeder der Erinnerungen einhergingen. In den vergangenen Monaten hatte ich viele Emotionen durchlebt und wiedergefunden, doch der geballte Ansturm riss mich von den Füßen. Ich ertrank geradezu und wusste nicht, wie ich mich aus diesem Strudel befreien sollte. 

Irgendwann gab mein Körper den Kampf auf; dankbar empfing ich die erlösende Dunkelheit.





Ich wurde von Tellerklappern und dem Duft nach himmlisch duftendem Essen geweckt. Ein Geräusch, dass so alltäglich war, wie jeder meiner Tage in Viridia.

Oder Kreoniel?

Zweifel ballten sich wie dunkle Wolken in mir zusammen.

"Neva, du bist wach!", ertönte eine weibliche Stimme neben mir. Das musste meine Schwester Ember sein.

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt