Weltenbuch III

67 16 36
                                    

Es war einmal ein kleines Herrenhaus inmitten eines hübschen Sees. Dort lebte ein Vater mit seinen drei Kindern- zwei Söhnen und einer Tochter. Als die Tochter alt genug war und es an der Zeit war, ihr einen Ehemann zu suchen, wurde ihr Vater bald fündig. Der zukünftige Gatte seiner Tochter war alles, was man sich nur wünschen konnte: gebildet, wohlhabend und von Adel. 

Als es soweit war und die Tochter zu ihrem Bräutigam ziehen sollte, wurde sie ganz schwermütig. Sie liebte ihren Vater und ihre Brüder wie keine anderen und der Schmerz der Trennung wog schwer. Dennoch fügte die Frau sich ihrem Schicksal und machte sich auf den Weg zum Schloss ihres Gatten.

Das Schloss lag tief im einem düsteren Wald, der der frisch Verheirateten einen Schauer über den Rücken laufen ließ.  Das Anwesen selbst wirkte nicht minder bedrohlich; doch strahlte es eine Eleganz und Erhabenheit aus, der sich auch die Frau nicht entziehen konnte.


Das Leben mit ihrem Ehemann gestaltete sich als einfach und ungezwungen; er behandelte sie mit Respekt und ließ ihr Zeit, sich in ihre neuen Aufgaben als Frau des Hauses einzugewöhnen. Es gab jedoch eine einzige Sache, die ihr seltsam erschien: der Bart des Mannes. Er war nämlich von einem leuchtenden Blau, was sie ebenso faszinierte wie abstieß.



Eines Tages wurde der Mann von einem seiner Geschäftspartner angefordert, sodass er sich sogleich auf eine Reise von mehrere Tagen begab. Seiner Frau überreichte er zum Abschied die Schlüssel des Hauses zusammen mit der Warnung, nie die Kammer im Keller des Hauses zu öffnen. Sollte sie dies tun, sei ihr Leben verwirkt.

So gingen die Tage ins Land und an einem regnerischen grauen Sonnabend langweilte sich die junge Ehefrau so unglaublich, dass sie beschloss, das große Anwesen zu erkunden. Bald schon hatte sie hinter jede Tür und jeden Vorhang geschaut; es blieb nichts bis auf den geheimnisvollen Schlüssel zu der verbotenen Kammer. Nach kurzem Zaudern beschloss die Frau, einen Blick hineinzuwerfen- wie sollte ihr Ehemann auch jemals wissen, dass sie seine Warnung missachtet hatte?

Doch als sie die Tür öffnete, erwartete sie Schauderliches: tote Frauenkörper hingen gar unmenschlich von der Decke; ihr Blut floss in Pfützen am Boden zusammen bis zu den Füßen der Frau. Vor Schreck ließ das Mädchen den Schlüssel fallen, direkt in das Blut. Voller Angst verschloss sie die Türe und versuchte den Schlüssel zu reinigen, doch alle Anstrengung half nicht. Weder Wasser noch gutes Öl vermochten den Türöffner zu reinigen, denn er war mit dunkler Magie hergestellt worden- ihr Ehemann nutzte ihn seit Jeher um die Ungehorsamen heraus zu sortieren.

Und so kam es wie es kommen musste: der Mann mit dem blauen Bart kehrte wieder und erkannte sofort die Untat seiner Frau. Nun war es an der Zeit, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Er holte ein Messer aus seinem grausigen Keller und machte sich alsdann auf die Suche nach seiner Frau. Diese hatte sich im Schloss versteckt und schrie verzweifelt um Hilfe. 

Nicht weit entfernt ritten ihre Brüder zu Pferd durch den Wald- sie wollten ihrer geliebten Schwester einen Besuch abstatten. Als sie die Schreie hörten, galoppierten sie geschwind zum Schloss, der Quelle der Geräusche. Ihre Schwester erwartete sie bereits; flugs nahmen die Burschen sie mit und flohen mit ihr zurück zu ihrem Anwesen am See.


Noch ihren Kindeskindern erzählte die Frau die Geschichte von dem furchterregenden Mann mit dem blauen Bart, der in einem Schloss im Wald wohnte und junge Frauen zu sich lockte. Gleichwohl segnete auch sie bald das Zeitliche und so wurde die Geschichte zu einer Legende, die irgendwann alleinig dazu diente, unartigen Kindern das Fürchten zu lehren.

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt