Epilog

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ZWEI WOCHEN SPÄTER

KÖNIGREICH KREONIEL


Glockenläuten drang durch die kleine Kapelle und stieg bis hinauf zur Decke. Sorgsam glättete ich die Falten auf meinem hellen Kleid und sah nach vorne zum Altar. 

Dort stand Prinz Felipe, ganz in Gold und Blau gekleidet, die Krone auf seinem Kopf leicht verrutscht. Ich lächelte ihm kurz zu und drehte mich dann gemeinsam mit den Anwesenden zu dem Eingang in unserem Rücken um. Dort erschien Ember in einem hellweißen Spitzenkleid, dass über und über mit kleinen Rosen bestickt war. Weiße Rosen schmückten auch ihre roten Haare, die kunstvoll um ihren Kopf gewickelt waren. 

Mit Tränen in den Augen sah ich meiner Schwester nach. Sie hatte es verdient, glücklich zu sein. Wir alle hatten das. Ein sanfter Händedruck ließ mein Herz flattern. Chion stand an meiner Seite, die Wärme seiner Hand strahlte Sicherheit aus. Entspannt lehnte ich mich an ihn.

"Was würde Eira nur sagen, wenn sie wüsste, dass wir ihren Schmuck gestohlen haben?", flüsterte ich ihm leise ins Ohr. 

"Sie würde toben.", entgegnete Chion gespielt entsetzt und sah mich mit funkelnden Augen an.


Vor einigen Tagen hatten wir über die wandelnden Pfade einen Abstecher nach Esyllt gemacht, um ein passendes Diadem für Embers Hochzeit zu finden. Es war unser Geschenk an sie; jetzt wo sie einen Prinzen heiratete, würde sie genug Gelegenheit bekommen, es zu tragen.

In Hinblick auf Eiras Benehmen in der Vergangenheit hielt sich mein schlechtes Gewissen bezüglich dieser kleinen Untat in Grenzen. Sie hatte sich zu meiner Überraschung jedoch seit unserer letzten Begegnung sehr gebessert. Chion hatte gemeinsam mit Cyr die Idee gehabt, seinen Schwestern Personen zu schicken, die sie anstelle von Unschuldigen quälen konnten. Voraussetzung dafür war allerdings, dass Chion und ich diese Person auswählten und auch das Märchenreich, aus dem sie stammte, damit einverstanden war. Die erste Wahl war uns beiden leicht gefallen; auch die Bewohner Wrevoras hatten keine Einwände gehabt. 

So erweiterte schon bald die Statue eines kleinen Mannes mit blauem Bart die Sammlung der Schwestern; mit Genugtuung hatte ich diese bei meinem Besuch bemerkt. Es war ein passendes Ende in Anbetracht all seiner Gräueltaten.


Immer noch wachte ich nachts schreiend auf; die Erinnerungen an all die schrecklichen Stunden in Blaubarts Folterkammer verfolgten mich bis in den Schlaf. Doch ein jedes Mal war Chion bei mir, nahm mich in seine Arme und hielt mich so lange, bis ich wieder eingeschlafen war. Seit meinem Besuch bei Tiamat sperrte ich diese Gefühle nicht mehr weg. Es war immer noch schmerzhaft, sie zu durchleben, doch es wurde mit jedem Tag etwas leichter. Auch besaß ich nach dem Besuch in der Zwischenwelt wieder einen Herzschlag- dieses kleine Geschenk der Göttin hatte mich mit besonderer Freude erfüllt. Ich würde nun leben und altern, wie ein Mensch- doch nach all meinen Erlebnissen konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen.


Auch Maeve hatte überlebt. Überglücklich hatte ich sie bei unserer Rückkehr nach Kreoniel in meine Arme geschlossen; ich würde Celeste auf immer dankbar sein. Stundenlang hatten mich  die beiden Mädchen über mein Abenteuer ausgefragt- nicht selten hatte uns erst die Morgendämmerung in unsere Betten gezwungen.

Cyr war einige Tage später bei uns eingezogen; Chion hatte darauf bestanden, ihn mitzunehmen. Besonders Celeste war überaus erfreut über die Gesellschaft eines zweiten Heilers; selbst während unseren gemeinsamen Essen konnten die zwei kaum ihre Bücher aus der Hand legen.


Ein Lächeln breitete sich langsam auf meinem Gesicht aus. Das erste Mal in der langen Zeit meiner Existenz war ich wahrhaftig und aus tiefstem Herzen glücklich.


Jetzt war es meine Aufgabe dafür zu sorgen, dass jeder dies wurde- vorbestimmter Weg hin oder her. Keine Sekunde länger würde ich ein Buch über das Schicksal der Menschen um mich herum entscheiden lassen.

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt