Dreizehn: Im Schloss der Eiskönigin

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KÖNIGREICH ESYLLT

NEVA

Als ich meine Augen öffnete, sah ich zunächst nichts. Bevor ich Zeit hatte, panisch zu werden, wurde der nasse Lappen über meinen Augen entfernt und ich erkannte endlich meine Umgebung. Blaue Stoffbahnen, die sanft im Wind flatterten, der durch die geöffneten gläsernen Bogenfenster drang. Wände aus weißem Marmor und Sonnenstrahlen, die sich glitzernd in den Glassplittern brachen, die in die Wände eingearbeitet waren. Es roch nach Schnee und Winterwald- ein Geruch, der mir seltsam vertraut war. 

"Keine Sorge, du bist in Sicherheit."

Mühsam drehte ich mein Gesicht zu der kindlichen Stimme neben mir. An meinem Bett saß ein kleiner Junge, der kaum zehn Sommer zählen konnte. Er hatte schwarze widerspenstige Locken und Augen so strahlend blau wie Aquamarin. Er erinnerte mich an Chion. Trotz der Kälte in dem Raum schien der Junge nicht zu frieren; nicht einmal Gänsehaut war auf seinen bloßen Unterarmen zu finden.


Entgegen meiner Kälteempfindlichkeit fror auch ich nicht. Jemand hatte mich in einen Kokon aus unzähligen herrlich weichen Decken gewickelt, die mich in wohlige Wärme hüllten. Doch die Decken waren nicht der einzige Grund für die Hitze, die mich umgab. Das Medaillon, das wie durch ein Wunder immer noch um meinen Hals lag, glühte. Es war nicht unangenehm- im Gegenteil: es wirkte fast so, als wollte das Medaillon mich vor der Kälte beschützen. Langsam zog ich meine Hand unter den Decken hervor und berührte mit ihr den glühenden Gegenstand um meinen Hals. In Erwartung von Schmerz hielt ich kurz inne, doch dieser blieb aus. Erstaunt hob  ich meine Hand auf Höhe meines Gesichts; sie war makellos- nicht die winzigste Narbe zierte meine helle Haut. 

"Was ist..?", mein Gesicht musste ein einziges Fragezeichen sein.

"Ich habe dich geheilt.", beantwortete der Junge meine unausgesprochene Frage.

"Du hast mich.. geheilt?"

"Naja..", druckste der Junge herum. "Genau genommen war das nicht ich alleine."

Abwartend zog ich eine Augenbraue nach oben.

"Chion.", gerade so konnte ich das gehauchte Wort verstehen.

"Also hat Chion mich geheilt..", wiederholte ich die Worte des Kleinen.

Warte, Chion besitzt Heilkräfte?

In meinem Kopf begann es zu rattern, dann blieben meine Gedanken bei Maeve hängen.

Er hätte sie retten können.

Ich spürte ein heißes Gefühl, dass sich in meiner Bauchgegend sammelte. Wut. So dankbar ich ihm auch war, dafür war er mir eine Erklärung schuldig.

Der kleine Junge ließ mich währenddessen keine Sekunde aus den Augen; fasziniert schien er jede meiner Bewegungen und Gefühlsregungen in sich aufzusaugen. Verlegen räusperte ich mich. 

"Wo bin ich?"

Das Strahlen auf dem Gesicht des Jungen erlosch so schnell als hätte man eine Kerze ausgepustet. Nervös knetete er seine Hände und sah nach unten.

"Tut mir Leid, das kann ich dir nicht sagen.", stammelte er und vermied dabei jeden Augenkontakt. 

Egal wie sehr ich die folgenden Minuten bettelte, ich bekam kein Wort mehr aus dem kleinen Jungen heraus. Schweigend wechselte er den Verband um meinen Hals und flößte mir dann einen bitter schmeckenden Trank ein.

"Damit die Schmerzen nicht zurückkommen.", verriet er mir und nahm wieder auf dem Stuhl neben meinem Bett Platz.

Stöhnend fiel ich in meine Kissen zurück. 

The Fairytale Of A WitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt