Das Ritual des Prinzen

Kapitel 5: Grüner Mantel

Als sie mit Pascal im Schlepptau wieder in das Lager zurückkehrten, stand der Tag bereits in den Startlöchern. Saftiges Tau hatte sich auf dem frischen Gras gebildet, der fröhlich zu Boden tropfte. Noch bevor sie das eigentliche Lager betraten, wurden sie bereits von Malon in Empfang genommen. Seiner Miene konnte niemand ablesen, ob es nun Ärger geben würde. Starr heftete der Blick auf ihnen, während sie sich dem Grauen näherten.

"Also bist du tatsächlich los", stellte er fest, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Ton triefte nicht gerade vor Stolz, eher vor Verachtung. "Und dabei hast du auch noch den Prinzen entführt." Er schüttelte den Kopf und schenkte Pascal ein glückliches Lächeln, wuschelte einmal durch seine schwarzen Haare. "Aber natürlich bin ich froh, dass es dir gut geht!" Sein Ausdruck verfinsterte sich erneut, als er zu Sawako blickte. "Und von dir bin ich enttäuscht. Du hast deine Pflicht, trotz allem, was ich gesagt habe, missachtet."

Sawako senkte den Blick, und verbeugte sich tief, sodass ihr Körper fast einen rechten Winkel ergab. "Es tut mir wirklich leid. Ich war wie von Sinnen vor Sorge. Es wird nicht wieder vorkommen", sagte sie auf, und fast könnte man ihr glauben, doch jemand, der diese starke Frau kannte, wusste, dass sie für ihren Bruder erneut ins Feuer laufen würde. Immer und immer wieder.

Iyans Blick ging hin und her zwischen Malon, dem alten, und doch recht fit wirkenden Herren und Sawako, die sich für etwas entschuldigte, das nicht ihre Schuld war. Er musste für sie Partei ergreifen. "Entschuldigt-", kurz brauchte er, um sich an den Namen zu erinnern, "-Malon, aber ich übernehme die Verantwortung. Ich habe sie dazu genötigt, als ich davon erfahren habe. Sawako hat lediglich meinen Befehl ausgeführt." Er spürte die Blicke von allen dreien auf sich, am meisten spürte er den von Sawako, die ihn noch immer in Verbeugung an schielte.

"Also wenn das so ist", gab Malon mit vor Überraschung großen Augen zu, "dann war es ein Befehl. Soso." Er nickte, etwas öfter als nötig, und ging vor dem Prinzen ebenfalls leicht in eine Beugung. "Ich danke euch, dass ihr euch für sie einsetzt", flüsterte er unter seiner Bewegung, ehe er ihnen den Rücken zukehrte und in sein Zelt, welches etwas größer war als die der anderen, verschwand.

Nur wenige Sekunden standen sie erleichtert da, glücklicherweise war Sawako mit ihrer Rettungsaktion davon gekommen. Schrecklich wäre es gewesen, wenn sie das Lager-Nein-Vielleicht sogar das ganze Dorf hätte verlassen müssen, dachte Iyan. Immerhin war sie die, mit der er sich am besten verstand, und er musste sich eingestehen, dass sie unter entspannten Umständen sogar ganz nett sein konnte. Er war so weit zu sagen, er wäre gerne mit ihr befreundet.

"Oh Pascal!" "Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!" "Bist du verletzt?" "Du humpelst ja!"

Es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis die drei von allen Seiten umringt wurden, alle krank vor Sorge um ihren Jüngling. Der war auch nicht wenig gerührt von der ganzen Aufmerksamkeit, sodass dieser bis über alle Ohren rot wurde. Iyan musste unweigerlich lächeln, nachdem er sich unauffällig dem Trubel entzogen hatte. Als er aus der Masse heraus flüchten konnte, fand er Sawako bereits abseitsstehen.

"Das ist so schön zu sehen, wie ihr miteinander umgeht. So herzlich." Er erhaschte einen Blick auf Sawakos süßes Lächeln. "Ganz anders als im Schloss. Da hat niemand seine Zuneigung so kommuniziert."

Sie sagte dazu nichts, sondern nickte nur. Beide blickten nur mit einem amüsierten Lächeln auf die Szene vor sich.

"Ich hoffe, das kommt nicht zu voreilig, aber ich habe nachgedacht." Iyan blickte auf seine Füße, trat zögerlich vom einen auf den anderen, nicht sicher, ob er aussprechen soll, was in seinem Kopf vorging. Dann sagte er es einfach. "Lass uns Freunde werden, Sawako." Mit einem Lächeln wand er sich ihr zu und wartete auf eine Antwort. "Das Duzen wird dir sicherlich einfach fallen, du hast es nämlich bereits gemacht, als wir deinen Bruder gerettet haben."