Kapitel 6: Ein Pfeil aus dem Nichts

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Die Behandlung dauerte länger als gedacht, sodass Iyan und Sawako die beiden alleine ließen, um an der Feuerstelle eine Kleinigkeit zu essen. Iyan war von der Idee, Pascal bei Lucia zu lassen, die denselben Mantel wie die Attentäter im Schloss hatte, zwar nicht ganz angetan, doch er wollte nicht zu voreilig handeln. Sicherlich hatte sie einen guten Grund, diesen Umhang zu behalten, vielleicht hielt er kuschelig warm, oder er besaß riesige Taschen. Für solche Gründe würde Iyan ihn jedenfalls behalten.

Mittag war inzwischen angebrochen und in der Mitte des riesigen Platzes wurde von einigen Leuten eine Mahlzeit vorbereitet. Nachdem sich die beiden jeweils einen Teller mit einer dampfenden Kartoffel und etwas Brot ergattert hatten, schauten sie sich nach einem Platz zum Sitzen und Essen um. Einige fuchtelten wie wild mit ihren Armen, in der Hoffnung, ihr Prinz würde ihnen die Ehre erweisen und sich zu ihnen setzen, doch Iyan war es gar nicht danach, angestarrt und angehimmelt zu werden.

"Ah, schaut mal dort", lenkte Sawako die Aufmerksamkeit auf sich und deutete auf eine kleine Erhöhung, abseits des Geschehens. Darauf hatte es sich eine junge Gestalt bequem gemacht, pechschwarzes Haar und er schien ein Stück jünger zu sein als Iyan, er tippte auf 16 Jahre. "Der ist erst ein paar Monate da, Pascal hat sich mit ihm angefreundet, ich bin mir sicher wir können uns zu ihm setzen!", schlug sie vor und schon war sie voran gelaufen.

Wie von der Tarantel gestochen huschte sie den Hügel herauf, während Iyan sich hinterher quälte, körperliche Anstrengung war er noch nicht gewohnt.

Während sie bereits mit dem Jungen plauderte, dessen leuchtend grünen Augen sicherlich noch im Nachbarland sichtbar funkelten, kam Iyan schnaufend neben den beiden an.

"Genau, also das ist der Prinz, sein Name ist Iyan. Er ist die meiste Zeit nicht aus seinem Zelt gekommen, aber jetzt taut er langsam auf!" Sie brabbelte noch weiter, prahlte mit ihrer epischen Rettungsaktion, wie sie durch eine ganze Glaswand sprang und gegen eine ganze Herde Angreifer kämpfte. Eventuell übertrieb sie auch ein wenig mit ihren Geschichten.

"Ach Herrje, jetzt hab ich völlig vergessen auch dich vorzustellen. Das ist Chris. Er kommt auch von dort, wo Pascal und ich herkommen. Nach dem letzten Bürgerkrieg ist er geflohen. Aber ich denke, ich rede wieder zu viel. Essen wir!"

Viel gegessen hatte Iyan nicht, stattdessen beobachtete er die beiden Bekanntschaften bei ihrer Unterhaltung, wobei sich Sawako als wahre Plaudertasche herausstellte. Eher war es sie, die aufgetaut war, dachte Iyan, mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen. Wenn man sie erstmal besser kannte, war sie eine lustige Gesellin, dabei kannte er sie erst seit knapp einer Woche.

"Hey, worüber quatscht ihr denn?" Ohne dass Iyan es merkte, hatte sich Pascal zu ihnen gesetzt, begrüßte Chris knapp und klopfte ihm einmal auf die Schulter. "Sorry, wenn dir meine Schwester wieder ein Ohr abredet. Ich rette dich!" Er lachte und kassierte sogleich einen Schlag auf den Hinterkopf, von der schwarzen Katze persönlich. Während er sich mit einem verlegenen Schmunzeln den Schädel rieb, nahm er einen großzügigen Bissen von seiner sichtlich heißen Kartoffel, gefolgt von einem zufriedenen Seufzen. In Zeiten von Spezialmissionen, in denen man sich auf Gemüse aus dem Dorf und dem, was die Umgebung hergab, verlassen musste, war dieses Mittagessen eine wahre Offenbarung. Sawako, die ihre Wut bereits wieder vergessen hatte, atmete tief aus und rieb die Handfläche über seinen Kopf, brachte so seine Frisur durcheinander.

"Genieß das heiße Essen, solange du noch kannst. Wir werden bald ins Dorf zurückkehren. Da wollen wir nicht auf den letzten Metern mit einem Feuer die Feinde auf uns locken. Das würde sonst nochmal ungemütlich werden." Sie lächelte, mit einem warmen, fast schon verträumten Lächeln auf ihre tödliche Klinge in ihrer Hülle, streichelte ohne große Bedeutung über das matt schimmernde Metall. "Natürlich nicht für uns, für die." Iyan war felsenfest überzeugt, er hätte ein ganz leises, schnell verklungenes Lachen aus ihrer Kehle gehört.

Das Ritual des PrinzenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt